«Es wäre eine unmögliche Situation gewesen»

Zeno Geisseler | 
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Schon letztes Jahr wollte Rosmarie Widmer Gysel (SVP) aus der Schaffhauser Kantonsregierung ausscheiden. Doch dann kam ihr Reto Dubach (FDP) zuvor.

Schaffhauser Finanzdepartement, gestern morgen, kurz nach 8.30 Uhr. Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel empfängt den Journalisten der SN, sie wirkt entspannt und befreit. Am Dienstag, kurz vor 17 Uhr, hatte sie ihre vier Kollegen im Regierungsrat über ihren Rücktritt per Ende März 2018 informiert, danach die Medien. Ihre Partei und ihre engsten Mitarbeiter wussten seit Montag Bescheid. Zuvor habe sie den Rücktritt nur mit einer einzigen Person besprochen, mit ihrem Mann Georg, sagt sie.

Antreten wider Willen

Das Timing des Rücktritts hat für gewissen Unmut gesorgt. So klagt die SP, dass ein Rücktritt auf das Ende der Amtszeit sauberer gewesen wäre (siehe Kasten rechts). Dies, sagt Widmer Gysel, sei eigentlich auch ihr Ziel gewesen, und zwar schon letztes Jahr. Sie habe ursprünglich die Absicht gehabt, bei den Wahlen gar nicht mehr anzutreten und nur bis Ende 2016 im Amt zu bleiben. Dies aber sei aus zwei Gründen nicht gegangen: Erstens habe sie das Entlastungsprogramm 2014 noch durchbringen wollen, und zweitens sei ihr Reto Dubach zuvorgekommen. Der FDP-Baudirektor kündigte im Dezember 2015 an, per Ende 2016 aus der Regierung auszuscheiden. Wäre nur er gegangen, wäre Widmer Gysel wohl ebenfalls nicht mehr im Amt. Doch zuvor hatte bereits festgestanden, dass auch SP-Frau Ursula Hafner-Wipf aus Altersgründen aus der Regierung ausscheiden würde.

Der Rücktritt war Widmer Gysel somit verbaut, zwar nicht rechtlich, aber doch moralisch: «Es wäre für die Kantonsregierung eine unmögliche Situation gewesen, wenn gleich drei Regierungsräte gegangen wären», sagt Widmer Gysel. Also trat sie nochmals an, und hat jetzt, noch kein Jahr nach der Wiederwahl, ihren Rücktritt eingereicht.

SVP sucht schon länger

Die SVP wurde damit nicht komplett auf dem falschen Fuss erwischt. Die Partei ist schon länger auf der Suche nach neuen Kandidatinnen und Kandidaten für die Kantonsregierung, denn Rosmarie Widmer Gysel wird Ende 2020 64 Jahre alt sein, ihr Regierungskollege Ernst Landolt sogar schon 67. Bei beiden war es klar, dass diese ihre letzten Amtszeiten sein würden. Statt zweieinhalb Jahre bis zur Ersatzwahl werden es nun aber bloss gut 14 Wochen sein – der Urnengang dürfte voraussichtlich am 26. November erfolgen, offiziell legt die Regierung den Termin am kommenden Dienstag fest. Wer für die SVP antreten wird, ist noch unklar, aus den 1200 Parteimitgliedern gibt es aber doch ein paar Namen, die im Vordergrund stehen (siehe unten).

«Ich würde es ausserordentlich bedauern, wenn keine Frau nachrücken würde.»

Rosmarie Widmer Gysel, SVP-Regierungsrätin

Die abtretende Regierungsrätin sagt, dass sie keinen Favoriten für ihre Nachfolge habe. «Das ist aber auch nicht meine Sache.» Sie macht dennoch deutlich, dass sie es ausserordentlich bedauern würde, wenn keine Frau nachrücken würde. «Frauen bringen eine andere Sicht ein. Allerdings steht nicht gerade jemand in den Startlöchern. Was nicht ist, kann aber noch werden.»

Verschiedene ehemalige Regierungsräte setzten nach ihrem Rücktritt ihren Berufsweg an anderen Orten fort, Reto Dubach etwa ist auf der Suche nach «Aufgaben und Mandaten für die öffentliche Hand, Institutionen, Unternehmen oder Privatpersonen in der Schweiz und im nahen Ausland», wie er auf seiner Website schreibt.

Was Widmer Gysel nach ihrem Rücktritt tun wird, sei noch nicht bestimmt, sagt sie. «Ich kaufe mir nun erst einmal ein Wunschbuch. Darin halte ich fest, was ich alles gerne machen möchte.»

Reaktionen: Die Parteien wünschen sich wieder eine Frau

Unterschiedlich fällt das Echo in den Parteien auf den Rücktritt von SVP-Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel aus. Verständnis zeigt FDP-Kantonalpräsident Marcel Sonderegger: «Sie übt ihr Amt schon lange aus, und ihr Rücktritt kam nicht unerwartet.» Rein mathematisch sei der Anspruch der SVP auf den frei werdenden Sitz unbestritten – «aus demokratischen Gründen wäre es aber wünschenswert, wenn es eine Auswahl gäbe». Aus seiner Sicht wäre eine Frau gut, findet Sonderegger. Aus eigener Erfahrung wisse er aber, «wie schwierig es ist, Frauen für politische Ämter zu finden».

Für Kurt Zubler, Präsident der SP/Juso-Fraktion im Kantonsrat, kam der Rücktritt überraschend. «Es wäre sauberer gewesen, wenn sie auf Ende der Legislatur zurückgetreten wäre», sagt er. Bei Gesamterneuerungswahlen stünde dem Volk eine bessere Auswahl zur Verfügung. Zubler schliesst zum jetzigen Zeitpunkt eine Kandidatur seitens SP und Juso nicht aus. Bei nur zwei Kandidaten sei es in einem bürgerlich dominierten Kanton allerdings sehr schwierig, im Majorz-Wahlverfahren mit einem Vertreter von Mitte-Links zu reüssieren. Anzustreben sei jedenfalls, dass der Sitz an eine Frau gehe. «Es wäre furchtbar, wenn wieder ein reines Männergremium regieren würde.» Für die abtretende Finanzdirektorin findet Zubler lobende Worte. Sie sei zwar wiederholt über das Ziel hinausgeschossen, etwa beim Sparpaket. «Sehr stark finde ich aber, wie sie sich für das Personal und für zeitgemässe Arbeitsbedingungen eingesetzt hat», sagt er.

Auch die Alternative Liste würde es bevorzugen, wenn wieder eine Frau in die Regierung gewählt würde, sagt AL-Co-Präsidentin Nicole Hinder. Ob die AL allenfalls selbst antreten werde, werde die Partei an der nächsten Versammlung am kommenden Montag besprechen.

Regula Widmer, Co-Präsidentin der GLP, würde eine Frau ebenfalls begrüssen, «Frauen machen schliesslich über 50 Prozent der Bevölkerung aus». Um alles in der Welt müsse es aber nicht eine Frau sein. «Sehr, sehr wichtig ist vor allem die Kompetenz der Person.» (dmu/zge)

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