Wo man dem Staat am meisten Geld abgibt

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Mit tiefen Steuern können die Schaffhauser Gemeinden im Vergleich mit ihren Zürcher und Thurgauer Nachbarn nicht unbedingt punkten. Zumindest nicht für Menschen mit kleinem oder mittlerem Einkommen.

von Lia Pescatore

Vor anderthalb Wochen, am 19. Juli um 3 Uhr 27, war es für den durchschnittlichen deutschen Steuerzahler so weit: Er hatte genug verdient, um seine Steuerschuld zu tilgen. Berechnet wurde dieser eher pseudoexakte Moment vom deutschen Bund der Steuerzahler, resultierend aus einer durchschnittlichen Einkommensbelastungsquote von 54,6 Prozent. Auch in der Schweiz ist der sogenannte «Tax Freedom Day» (Tag der Steuerfreiheit) ein beliebtes Mittel, um die Steuern an verschiedenen Orten zu vergleichen.

So hat die Eidgenössische Steuerverwaltung eine Übersicht veröffentlicht, anhand derer an verschiedenen Beispielen gezeigt wird, wie lange jemand in einer gewissen Gemeinde arbeiten muss, um seine Einkommenssteuern – auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene – bezahlen zu können. Sie liess dabei aber Kosten wie Mehrwert- und Vermögenssteuer sowie Sozialversicherungsabgaben ausser Acht. Auch Krankenkassenprämien und Sozialleistungen, die der Steuerzahler vom Staat bezieht, wurden nicht berücksichtigt. Darum fallen die «Tax Freedom Days» in der Schweiz verhältnismässig früh aus und können auch nicht gut international verglichen werden. Wir haben uns die Resultate der 48 Gemeinden im Einzugsgebiet der SN anhand dreier verschiedener Einkommen genauer angeschaut (siehe Tabelle und Karte).

Schaffhausen ist für kleinere Budgets wenig attraktiv

Als Erstes ist da der Single mit 70 000 Franken Jahreseinkommen pro Jahr. Für ihn ist der Kanton Zürich steuertechnisch klar am attraktivsten. In 9 der 16 untersuchten Gemeinden müsste er nur bis zum 4. Februar arbeiten, um alle seine Steuern zu bezahlen (Tabelle links). Würde er seinen Wohnort nach Beggingen, Trasadingen oder Oberhallau verlegen, müsste er über zwei Wochen länger arbeiten, um seine Schuld beim Staat zu begleichen. Ähnlich sieht es für eine vierköpfige Familie aus, für deren Unterhalt ein Alleinverdiener 100 000 Franken Bruttoeinkommen generiert. Wenn man die absolute Steuersumme betrachtet, ist bei beiden Beispielen Dachsen am steuergünstigsten. Der Finanzverwalter der Gemeinde, Patrik Busch, begründet dies vor allem mit der Stabilität der Kosten, die schon seit Jahren tief gehalten werden können. So liege der Steuerfuss auch schon seit mehreren Jahren konstant bei 109 Prozent.

Der Kanton Schaffhausen stellt sich hingegen bezüglich Steuern als nicht besonders attraktiv heraus. Während sich die Thurgauer Gemeinden im Einzugsgebiet meist im Mittelfeld zwischen Schaffhausen und Zürich eingliedern, sind die Steuern in Schaffhausen klar am höchsten. Dies zeigt sich nicht nur am «Tax Freedom Day», sondern auch in den absoluten Steuerzahlen (Karte oben). Während eine Familie mit 100 000 Franken Jahreseinkommen in den Zürcher Gemeinden höchstens 5200 Franken bezahlt, sind in Schaffhausen mindestens 5930 Franken (Rüdlingen) fällig. Bei mehreren Gemeinden liegen die Steuern sogar über 7000 Franken, am höchsten in Beggingen mit fast 7500 Franken. Doch warum fallen die Steuern eigentlich so unterschiedlich aus? Ein wichtiger Grund ist der innerkantonale Finanzausgleich (Artikel rechts). «Im Kanton Zürich sind es insbesondere die Zürichseegemeinden, die eine sehr hohe Finanzkraft haben», sagt Hermann Schlatter, stellvertretender Leiter der Kantonalen Steuerverwaltung Schaffhausen. Gemeinden wie Feuerthalen oder Flurlingen, mit denen Schaffhauser Gemeinden ja häufig verglichen werden, profitierten von diesen Goldküstengemeinden durch den starken Zürcher Finanzausgleich. Dem Kanton Schaffhausen fehle die grosse Anzahl ­finanzstarker Gemeinden.

Wen es trotzdem nach Schaffhausen zieht

Auf Gemeindeebene sieht Schlatter zwei Faktoren, welche die Unterschiede beeinflussen. «Gemeinden, in denen mehr Menschen mit hohem Einkommen wohnen, haben eine grössere Finanzkraft als solche, in der die Bevölkerung weniger verdient.» Eine grössere Finanzkraft bedeute auch tiefere Steuern. Weiter sei der Finanzhaushalt einer Gemeinden bei der Festlegung des Steuerfusses entscheidend für die Höhe der Steuerrechnung. In Beggingen, der Gemeinde mit den höchsten Steuern in der Region, sei auch die Lage mitentscheidend, sagt Gemeindeschreiberin Jolanda Mengel. Der Steuerfuss sei schon seit Jahren konstant. «Anders als Agglomerationsgemeinden haben wir kaum Industrie und sind als Wohnort relativ weit entfernt von der Stadt», so Mengel.

Doch nicht für alle Steuerzahler ist der Kanton Schaffhausen unattraktiv. Betrachtet man das Beispiel eines Spitzenverdieners, der jedes Jahr eine Million verdient, dreht sich die Ordnung plötzlich um, der Kanton Zürich rangiert am Schluss. Bis Mai müssen hier Spitzenverdiener-Singles arbeiten. Und genau bei diesen hohen Einkommen lohnt sich der Weg in den Kanton Schaffhausen. Ein ganzer Monat oder etwa 20 Prozent des Betrages lassen sich so zum Beispiel in Stetten einsparen.

von Lia Pescatore

Der Steuerfuss der Stadt Schaffhausen wurde seit 2001 mehrmals gesenkt. Der Steuerabtausch mit dem Kanton im Jahr 2008, verschiedene Steuergesetzrevisionen und die stattfindende Teuerung von sechs Prozent spielten dabei eine wichtige Rolle.

Nach sieben Jahren Konstanz ist der Steuerfuss in den letzten zwei Jahren nochmals gesenkt worden auf aktuell effektiv 95 Prozent. Dies sei durch die klare Verbesserung der finanzpolitischen Lage der Stadt über die letzten drei Jahre möglich geworden, sagt Daniel Preisig, Finanzreferent der Stadt Schaffhausen. «Seit 2013 haben wir es geschafft, die Nettoschuld von damals 1892 Franken pro Einwohner vollständig abzubauen, und können heute sogar ein Nettovermögen von 487 Franken pro Einwohner ausweisen», sagt er. Das liege vor allem an sich sehr gut entwickelnden Steuererträgen und stabilen Aufwänden.

Die überraschende Wende 2014

Dass sich die Steuererträge so po­sitiv entwickeln würden, war lange nicht klar. 2014 ging der Stadtrat noch davon aus, die Steuern erhöhen zu müssen. Überraschenderweise stiegen die Steuereinnahmen trotz Steuerrabatt bei den natürlichen Personen in den letzten drei Jahren aber um 8,8 Prozent, bei den juristischen, also den Firmen, um ganze 137 Prozent.

Als Folge senkte der Grosse Stadtrat den Steuerfuss für dieses Jahr um einen Prozentpunkt und gewährte zusätzlich einen Steuerrabatt von zwei Prozentpunkten. Doch warum wird zwischen Steuerrabatt und -senkung unterschieden, wenn die Steuern in jedem Fall alljährlich neu bestimmt werden? Preisig sieht den Vorteil im Steuerrabatt darin, dass damit für die Steuerfestlegung im Folgejahr keine neue Ausgangsbasis festgelegt werde.

Auswirkungen sind noch unklar

Ob sich die rekordhohen Unternehmenssteuererträge von 2016 positiv auf den Steuerfuss im Jahr 2018 auswirken werden, ist noch nicht klar. «Die Rekorderträge von 2016 sind primär auf Einmaleffekte zurückzuführen. Aus­serdem variieren die Unternehmenssteuern erfahrungsgemäss sehr stark», so Preisig. Wie die Finanzplanung konkret aussieht, wird bei der Budget­präsentation Ende August ­bekannt ­gegeben.

Vergleich Steuerfuss der Stadt SH mit den Gemeinden mit dem höchsten (Beggingen) und dem tiefsten (Stetten) Steuerfuss.

 

Finanzausgleich: Ein Geben und Nehmen unter den Gemeinden im Kanton

Der Finanzausgleich macht es sowohl auf nationaler Ebene unter den Kantonen als auch auf kantonaler Ebene unter den Gemeinden möglich, grosse finanzielle Ressourcen- und Lastenunterschiede auszugleichen. In diesem Jahr werden fast fünf Milliarden Franken durch den nationalen Finanzausgleich unter den Kantonen ausgetauscht. Schaffhausen und die zwei Nachbarkantone Zürich und Thurgau nehmen darin ganz unterschiedliche Positionen und Funktionen wahr. Zürich ist der grösste Geberkanton, beteiligte sich 2016 mit fast 500 Millionen Franken und stemmte so über einen Fünftel der verteilten Summe. Der Kanton Thurgau erhielt um die 200 Millionen aus dem Topf, Schaffhausen 13 Millionen. Das entspricht gerade einmal einem Prozent des Betrages des Kanton Berns, dem über eine Milliarde zur Verfügung gestellt wurde.

Grosse kantonale Unterschiede

Der innerkantonale Finanzausgleich Schaffhausens richtet sich im System nach dem Ausgleich auf Bundesebene. Berücksichtigt werden in der Rechnung einerseits die Ressourcen der Gemeinden und andererseits die von ihnen zu tragenden Lasten. Die finanzkräftigsten Gemeinden, Beringen, Neuhausen, Stein am Rhein und Thayngen bezahlten 2016 jeweils mehr als 200 000 Franken an den Finanzausgleich. Insgesamt wird die Hälfte des Gesamtbetrages, letztes Jahr 4,5 Millionen, von den finanzstarken Gemeinden getragen, der Rest vom Kanton. In absoluten Zahlen war die Stadt Schaffhausen wegen der hohen Zentrumslast die grösste Nehmergemeinde (1 Million). Pro Einwohner erhielt Beggingen den grössten Anteil (875 Franken). Von den sechs Thurgauer Gemeinden im Einzugsgebiet bekam Wagenhausen mit 196 000 Franken am meisten Geld, Mammern war die einzige der Gemeinden, die Geld abgab (40 000 Fr.). Im Kanton Zürich herrschen andere Verhältnisse vor. 15 der 16 Weinländer Gemeinden erhielten 2016 einen Zustupf. Allein der Betrag für die Gemeinde Feuerthalen ist mit 4,25 Millionen fast so gross wie der Gesamtbetrag des Schaffhauser ­Finanzausgleichs. Rafz erhielt sogar einen Drittel mehr.

 

 

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