Wenn die Nähe zum Problem wird

Anna Kappeler | 
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Die Liebesbeziehung zwischen einer Gemeindeschreiberin und einem jungen Afghanen soll erst dann angefangen haben, nachdem sie nicht mehr für ihn zuständig war. Symbolbild Pixabay

Besteht bei einer Liebe ein Abhängigkeitsverhältnis wie bei der Flüchtlingsbetreuerin und ihrem Schützling, ist das heikel, wie man beim dafür zuständigen Sozialamt sagt.

Eine Liebesbeziehung hatten eine Gemeindeschreiberin und ehemalige Flüchtlingsbetreuerin und ein afghanischer Asylsuchender in einer Schaffhauser Gemeinde (SN berichtete). Die Frau hat zuerst alles abgestritten, steht inzwischen jedoch zur «dreiwöchigen Affäre». Diese soll laut ihrer Aussage erst angefangen haben, nachdem ihr Schützling an einen anderen Ort versetzt wurde und sie somit nicht mehr für ihn zuständig war. Er wiederum bestreitet das gegenüber den SN vehement: «Wir hatten bereits eine Liebschaft, als sie noch für mich zuständig war», sagt der 20-Jährige. Die Frau habe ihn nur deswegen versetzen lassen, weil sie Angst gehabt habe, die Beziehung würde publik und sie verlöre ihren Job, sagt er.

Gemeinde prüft Beschäftigung

Die zuständigen Gemeinderäte trafen sich vorgestern Abend zu einer Krisensitzung. Sie wollen «nach dem überraschenden Eingeständnis der Mitarbeiterin» den Fall nun aufarbeiten – allenfalls auch mit externen Leuten. Das sagt ein Gemeinderat auf Anfrage. Er stellt sich weiter hinter die Gemeindeschreiberin: «Vorderhand – und solange es keine gegenteiligen Beweise gibt – glaube ich ihr, dass sie die Beziehung erst nach der Verlegung des Flüchtlings gestartet hat», sagt er. Den Vorwurf, die Gemeinde hätte die Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen, weise er eindeutig zurück. Nicht kommentieren will der Gemeinderat die Frage, welche Konsequenzen die Frau nun zu tragen hat. «Ob sie ihren Job behalten kann oder nicht, dazu äussere ich mich nicht.» Auch aus der Bevölkerung seien ihm, Stand jetzt, keine Reaktionen bekannt, die den Rücktritt der Gemeindeschreiberin forderten.

Beim Sozialamt des Kantons Schaffhausen, das für die Asyl- und Flüchtlingsbetreuung zuständig ist, heisst es auf Anfrage: «Beziehungen in einem Abhängigkeitsverhältnis sind grundsätzlich sehr problematisch, weil ein Machtgefälle vorhanden ist», sagt Dienststellenleiter Christoph Roost. Im Asylbereich auf der Gemeindeebene sei das Problem im Vergleich etwa von einem Beistand zu seinem Schutzbefohlenem eher kleiner, da die wichtigen Entscheidungen über den Verbleib in der Schweiz auf Bundesebene getroffen werden.

«Beziehungen in einem Abhängigkeitsverhältnis sind grundsätzlich sehr problematisch.» Christoph Roost, Sozialamt Kanton Schaffhausen

«Dennoch macht sich die asylsuchende Person durch eine Affäre natürlich abhängig von der Betreuungsperson, was diese ausnützen könnte», sagt Roost. Deshalb müsse in einem solchen Fall die betroffene Person aus ihrer Betreuungsfunktion zurücktreten. «In den beiden bekannten Fällen im Kanton Schaffhausen war bei den Betreuungspersonen offensichtlich ein Unrechtsbewusstsein vorhanden und sie haben ihre Situation aktiv verändert», sagt Roost. Unterstützung bietet der Kanton den Gemeinden mit einem elektronischen Handbuch. Darin sind die Grundregeln des Asylwesens erläutert. «Zudem gibt es auch regelmässige Fortbildungskurse, welche das kantonale Sozialamt den Gemeinden anbietet. Das Thema Abhängigkeit wird bis anhin aber nicht explizit behandelt.» Das kantonale Sozialamt stehe den Gemeinden ausserdem bei Fragen zur Verfügung und leiste bei Bedarf Unterstützung.

«Es menschelt halt»

Roost vom Sozialamt relativiert aber auch: «Trotz Schulungen und erhöhter Sensibilität gegenüber dem Machtgefälle in einer professionellen Abhängigkeitsbeziehung wird es solche Liebesbeziehungen wohl immer wieder einmal geben: Es menschelt halt in allen Bereichen.»

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