«Einfach Anstand und Respekt zeigen»

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Rechnet künftig mit einer Zunahme von Fällen aus der Onlinewelt: Martina Fankhauser, Leitende Staatsanwältin bei der Allgemeinen Abteilung. Bild Michael Kessler

Verbale Aussetzer im Internet enden vermehrt vor dem Richter. Im Interview erklärt die Schaffhauser Staatsanwältin Martina Fankhauser die Gründe für die Zunahme und erläutert, weshalb Beleidigungen trotz Verurteilung teilweise im Netz bleiben.

Frau Fankhauser, als Staatsanwältin macht man sich nicht nur Freunde: Wurden Sie auf einem Sozialen Netzwerk auch schon einmal beschimpft?

Martina Fankhauser: Nicht, dass ich wüsste. Ich bin auf keinem solchen Netzwerk präsent.

Wieso nicht?

Unter anderem, weil ich mich nicht solchen Aggressionen aussetzen will.

Machen das alle Justizangestellten so wie Sie?

Das wird unterschiedlich gehandhabt, das muss jeder für sich entscheiden.

Würden Sie reagieren, wenn auf Facebook eine Beleidigung gegen Sie publiziert würde?

Tendenziell nicht, wobei das sehr vom Inhalt und vom Zusammenhang, in dem die Äusserung fällt, abhängig wäre. Ginge es über eine gewisse Schwelle hinaus, würde ich Anzeige erstatten.

Wo liegt Ihre Schwelle?

Bei ungerechtfertigten und stark ehrverletzende Äusserungen über meine Person.

Vermehrt werden Verfahren bekannt, in denen sich Menschen gegen beleidigende Äusserungen in Sozialen Netzwerken zur Wehr setzen. Kommt es in diesem Bereich tatsächlich zu mehr Anzeigen, oder täuscht der Eindruck?

Ich teile diese Einschätzung, harte Zahlen aus der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft Schaffhausen liegen aber nicht vor, zumal wir die Delikte nicht nach Kommunikationskanal gesondert erfassen.

Woher rührt denn bei Ihnen dieser Eindruck?

Das ist subjektiv, aber nicht unbegründet: Mir obliegt in der Allgemeinen Abteilung der Staatsanwaltschaft Schaffhausen die Fallzuteilung, und das verschafft mir einen gewissen Überblick.

Gibt es bei der Staatsanwaltschaft Schaffhausen einen Spezialisten für solche Vorkommnisse?

Einfach gelagerte Fälle ohne grösseren Ermittlungsaufwand bezüglich technischen Wissens bewältigen alle Staatsanwältinnen und -anwälte. Bei technisch komplexeren Fällen ist Fachwissen hilfreich, das bei uns zwei Staatsanwältinen aufgrund ihrer Erfahrung mitbringen: Wenn man herausfinden muss, wie man bei Facebook zu Daten kommt, weiss man beim nächsten Mal, wie das funktioniert – also learning by doing.

Welche Straftatbestände stehen bei den Sozialen Medien im Vordergrund?

Ehrverletzung und Drohung, zuweilen Pornografie oder Nötigung. Juristisch betrachtet, macht es keinen Unterschied, ob die Straftat via Brief, im Gespräch oder auf Facebook erfolgt.

Werden wir konkreter: Kürzlich wurde ein Facebook-Nutzer aus einer Schaffhauser Landgemeinde zu einer bedingten Geldstrafe von 630 Franken und einer Busse von 300 Franken verurteilt, weil er auf einem Facebook-Profil eines Tierschützers geschrieben hatte, die abgebildeten Tiere würden wohl am ehesten aus ausländischen Betrieben stammen. Der Tierschützer erstattete Anzeige, und der Facebook-Nutzer wurde der üblen Nachrede schuldig gesprochen, weil er seine Behauptung nicht belegen konnte. Ist diese Schwelle nicht tief angesetzt?

In diesem Fall ging es ­darum, dass diese Äusserung den Ruf des Betroffenen schädigen konnte, sprich: Es wurde dem Tierschützer unterstellt, dass er mit krassen Fotos aus dem Ausland Zustände in der Schweiz falsch darstellen würde. Unter dieser Perspektive ist die Schwelle nicht tiefer als bei anderen Fällen von übler Nachrede. Nur der Kommunikationskanal ist ein anderer.

Wortmeldungen wie die genannte finden sich in grosser Zahl auf Onlinenetzwerken und -plattformen. Ist damit zu rechnen, dass solche Voten die Strafverfolger in Zukunft häufiger beschäftigen?

Es ist zu vermuten, dass mit der steigenden Mitgliederzahl von Sozialen Netzwerken auch solche Fälle zunehmen werden. Aber: Ehrverletzungsdelikte, damit auch die üble Nachrede, sind Antragsdelikte und werden erst verfolgt, wenn eine betroffene Person Strafantrag stellt. Das gilt auch für die Drohung, ebenfalls ein Delikt, das öfter im Zusammenhang mit dem Internet auftritt. Das bedeutet letztlich, dass die Entwicklung der Fallzahlen davon abhängt, ob mehr Leute sich durch solche Wortmeldungen verletzt oder geschädigt fühlen oder nicht.

«Es ist zu vermuten, dass mit der steigenden Mitgliederzahl von Sozialen Netzwerken auch solche Fälle zunehmen werden.»

Früher fielen die Beleidigungen eher einmal mündlich, heute findet die elektronische Kommunikation schriftlich und damit auch beweis- barer statt. Ist diese Form von Schriftlichkeit der entscheidende Unterschied zum Streit am Wirtshaustisch in früherer Zeit?

Das spielt sicher eine wichtige Rolle. Hinzu kommt auch, dass solche Äusserung online erhalten bleiben: Die Aussicht, auf Dauer in einem weltweit zugänglichen Netzwerk als Schlampe bezeichnet zu sein, erhöht sicher die Bereitschaft zu einer Anzeige.

Müssen Beschimpfungen nach einer Verurteilung gelöscht werden?

Wir können die Löschung wohl anordnen, ob das dann aber auch passiert, steht auf einem anderen Blatt.

Dann ist Ihre Macht in diesem Punkt aber deutlich eingeschränkt. Woran liegt das?

Dies ist nicht eine Frage der Macht, sondern hängt damit zusammen, dass solche Plattformen ihren Sitz nicht in der Schweiz haben und in anderen Ländern andere Gesetze gelten.

Die technischen Rahmenbedingungen erschweren also diese Fälle. Bleiben wir gleich beim Thema: Was passiert eigentlich, wenn der Inhaber des Facebook-Kontos behauptet, sein Zugang sei geknackt worden und eine andere Person habe eine Beleidigung verfasst?

Dann müssten die Untersuchungsbehörden diese Behauptung widerlegen können. Klarheit kann unter anderem die Einvernahme bringen, allenfalls müssen die Aussagen auf Unstimmigkeiten hin abgeglichen werden. Das ist alltägliche Ermittlungsarbeit. Gelingt der Nachweis nicht, muss er freigesprochen respektive muss das Verfahren eingestellt werden.

Die Sprache und allgemein der Umgang miteinander – so bekommt man den Eindruck – sind mit den Sozialen Netzwerken härter geworden. Stimmen Sie dem zu?

Ja, diese Entwicklung stelle ich auch fest.

Woher kommt das?

Früher sprach man mit dem Gegenüber von Angesicht zu Angesicht, heute kann man sich aus der eigenen Stube und ohne direkte Konfrontation zu Wort melden – unmittelbaren Widerspruch muss man also nicht fürchten.

Die Sozialen Medien fördern also den unsozialen Umgang miteinander?

Das könnte man zumindest teilweise so sehen. Die räumliche Distanz zum Gegenüber erleichtert es, auch mal über die Stränge zu schlagen. Nicht alle ehrverletzenden Äusserungen enden mit einer Verurteilung. Wenn Aussicht auf eine Einigung der Parteien besteht und weil es sich bei diesen Delikten um Antragsdelikte handelt, haben wir die Möglichkeit, Vergleichsverhandlungen zu führen. Dabei können sich die Beteiligten aussprechen und den Strafantrag zurückziehen, was zu einer Einstellung des Verfahrens führt.

«Die räumliche Distanz zum Gegenüber erleichtert es, auch mal über die Stränge zu schlagen.»

Wie soll man sich verhalten, wenn man der Meinung ist, dass online mit Kommentaren oder Wortmeldungen Gesetze verletzt werden?

Weil es sich bei den Ehrverletzungsdelikten und bei der Drohung um Antragsdelikte handelt, kann nur der oder die Betroffene Strafantrag stellen.

Gibt es eine Faustregel, um zu verhindern, dass man mit Äusserungen gegen das Gesetz verstösst?

Einfach Anstand und Respekt zeigen. Man sollte sich so verhalten, wie man selber auch behandelt werden will.

Ende Mai hat das Bezirksgericht Zürich einen Mann wegen übler Nachrede verurteilt, weil dieser einen Beitrag, in dem eine Person als Rassist und Antisemit beschimpft wurde, mit einem «Like» versehen hat. Hat dieses Urteil Auswirkungen auf die Praxis der Strafverfolger?

Dieses Urteil wurde meines Wissens angefochten und wird von der nächsten Instanz beurteilt werden müssen …

… aber angenommen, das Urteil würde bestätigt?

Wenn es um ein Antragsdelikt ginge, würde das noch immer einen Strafantrag voraussetzen. Aber natürlich würde damit eine neue Praxis etabliert, welche eine Zunahme von Verfahren zur Folge haben könnte: Wenn eine Äusserung 1000 «Likes» erhält, müsste für jeden einzelnen nachgewiesen werden, dass er den entsprechenden Straftatbestand erfüllt. Doch zuerst müssen die Gerichte nun eine Rechtsprechung entwickeln.

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