Der Traualtar wird sehr bewusst gewählt

Mark Liebenberg | 
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Um die 100 Schaffhauser Paare geben sich pro Jahr das Jawort in einer Kirche – aber auch grosse Feiern nach einer standesamtlichen Trauung kommen in der Heiratssaison zwischen April und August immer mehr in Mode. Bild: Key

Noch jede vierte Ehe im Kanton Schaffhausen wird vor dem Altar geschlossen. Gottes Segen steht dabei hoch im Kurs. Für die Katholiken soll es bald gar einen obligatorischen Ehevorbereitungskurs geben.

 

Der Organist zieht alle Register, Mendelssohns «Hochzeitsmarsch» ertönt, alle erheben sich, die Braut wird vom Brautvater feierlich zwischen den festlich geschmückten Kirchenbänken zum Altar geführt. Die ersten Tanten wischen sich unterm Damenhut Tränen der Rührung ab – dann, als der Pfarrer zum Reden anhebt: Filmriss, im wahrsten Sinn. «Äh, Leute, können wir das noch mal machen, die Kamera hat nicht funktioniert», sagt der Cousin, der die Videokamera bedient.

«Diese Anekdote erzählt man sich unter Geistlichen gerne», sagt Urs Elsener vom katholischen Pfarramt St. Maria in Schaffhausen. Widerfahren sei das Ereignis einem jungen unerfahrenen Kollegen, der die Wiederholung etwas verdutzt mitgemacht habe. Er selbst würde so etwas nie mitmachen, sagt Elsener. «Wir sind schliesslich in der Kirche, nicht in einer Fernsehshow.»

Die grosse Mehrheit heiratet zivil

Heiraten in der Kirche – das ist zwar für viele Paare immer noch das ganz grosse Kino am schönsten Tag des Lebens. War aber der Gang vor den Altar vor wenigen Jahrzehnten noch Standard, so gibt sich im Kanton Schaffhausen nurmehr ungefähr jedes vierte Brautpaar das Jawort vor dem Altar. Ein Blick in die Statistik der beiden grossen Landeskirchen zeigt überdies, dass ein weiterer Viertel der Vermählungen nach dem zivilrechtlichen Akt auch noch mit einer kirchlichen Feier besiegelt wird. Die grosse Mehrheit der Eheschliessungen erfolgt heute aber als zivile Trauung.

Pro Jahr weisen die kirchlichen Statistiken rund 100 evangelisch-reformierte oder römisch-katholische Hochzeiten von Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürgern in Schaffhausen oder an einem anderen Ort in der Schweiz oder gar im Ausland aus. Erfasst werden die ausserhalb der Kantonsgrenzen stattfindenden Hochzeiten aber auch beim kantonalen Zivilstandsamt, da vor der kirchlichen immer zuerst eine zivilrechtliche Trauung am Wohnort vorgenommen wird. Die zivilstandsamtlichen Zahlen sind in der Zehnjahresbetrachtung relativ stabil. Rund drei Viertel der erfassten Trauungen sind jeweils reformiert und ein Viertel katholisch, das entspricht in etwa dem Kräfteverhältnis der Konfessionen im Kanton. Nicht erfasst sind hier freikirchliche und anders religiöse Vermählungen.

Vereinzelte Kirchen im Kanton (Buchberg, Stein am Rhein, Münster oder St. Maria ) sind als «Hochzeitskirchen» beliebt, es heiraten dort auch Paare, die einer anderen Kirchgemeinde angehören.

Feste Bilder im Kopf

Ist aber die kirchliche Hochzeit noch im wahrsten Sinne des Wortes ein Bund vor Gott? Oder bildet der Termin in der Kirche vielmehr eine hübsche Kulisse bei einem durchgestylten Fest? Die Pfarrer haben da eine klare Meinung. Habe man früher noch eher aus Traditionsverbundenheit in der Kirche geheiratet, so sei es für die Paare heute eine bewusste Entscheidung, sagt der reformierte Pfarrer Joachim Finger, der in 30 Jahren unzählige Paare getraut hat. Das komme im vorbereitenden Traugespräch auch zur Sprache: «Ich frage sie ganz direkt, warum sie kirchlich heiraten wollen.» Bloss aus ästethischen Gründen heirate niemand in der Kirche – und das Religiöse werde dabei auch nicht ausgeklammert. «Sie wollen klar den Segen Gottes, um den bloss zivilrechtlichen Vertrag, den man miteinander eingeht, komplett zu machen. Ich bin jedenfalls nie nur Zeremonienmeister.»

Viele Paare hätten auch feste Bilder im Kopf, wie eine Hochzeit ablaufen solle. So entspreche ja zum Beispiel das Hereinführen der Braut durch den Brautvater kaum mehr einem modernen Rollenverständnis. «Aber es ist halt schon ein schöner Moment.» Beim Ablauf des Gottesdienstes komme man aber dem Brautpaar schon entgegen – etwa was Musikwünsche, spezielle Texte oder die Gestaltung des Gelübdes selber anbelange. «Es ist ihr Tag», sagt Finger. Auch Outdoor-Hochzeiten nehme er gerne vor, sagt Finger.

Intensive Vorbereitung

Ähnlich sieht es der katholische Pfarrer. «Jene Paare, die heute Ja in der Kirche sagen, tun dies sehr bewusst», sagt Urs Elsener. Das habe auch damit zu tun, dass die katholische Kirche das Sakrament der Ehe nur einmal im Leben spendet. Die Vorbereitung auf den grossen Tag sei deshalb intensiver. «In einem zweimaligen Ehegespräch frage ich auch offen, ob das Paar weiss, was es bedeutet, sich nur einem Menschen für das ganze Leben zu versprechen.» Es sei immer wieder herausfordernd, die kirchlichen Dogmen in der pastoralen Realität zu vermitteln. Aber wer in der katholischen Kirche heiraten wolle, der solle auch wissen, welchen Stellenwert die Ehe in dieser Kirche einnehme. Für nächstes Jahr ist sogar ein obligatorischer Ehevorbereitungskurs für Verlobte geplant.

Das Wort Gottes, das Gebet und die Segnung sind unveräusserliche Bestandteile der katholischen Hochzeitsliturgie. «Ansonsten können Paare ihren Gottesdienst ebenfalls frei mitgestalten, mit Musik oder mit Kindern aus der Verwandtschaft, die zum Beispiel die Trauringe bringen.» Zu viel Tamtam – wie in der eingangs erwähnten Anekdote mit dem Videofilmer – ist Elsener eher ein Dorn im Auge. «Wir sind als Priester nicht bloss ein Rädchen im Getriebe des perfekten Hochzeitsfests», sagt er. Zum Glück komme es aber so gut wie nie zu Konflikten.


Die «traditionelle Hochzeit» in Weiss bleibt der Klassiker

An was alles muss man beim Hochzeitsfest denken? Wo kriege ich einen guten Hochzeitsfotografen her? Wer kümmert sich um den Blumenschmuck? Und wer macht das Budget? Schaffhausens einzige Wedding- planerin Chantal Silberschmidt- Muriset weiss bei solchen Fragen in der Regel Rat. Seit 2011 berät sie, die sich gerade in einer Babypause befindet, Paare bei der Planung und der Durchführung ihrer Hochzeit.

Etwa zwei Drittel der Hochzeiten, bei denen sie beratend tätig wird, sind solche mit Trauung in der Kirche. «Es gibt halt wirklich sehr schöne Kirchen als Location», sagt sie. «Und den Ablauf der zivilen Trauung im Standesamt kann man grundsätzlich nicht ändern oder selber beeinflussen, lediglich etwas Musik ist erlaubt.» Zwar kommt die Hochzeitsplanerin eher vor und nach der Trauung selbst zum Einsatz. Aber es kommt auch vor, dass sie mit ihrer Erfahrung Paare darin berät, ob es überhaupt eine kirchliche Heirat werden soll oder ob die standesamtliche Trauung ausreicht. «Wenn der Glaube gar keine Rolle spielt im Leben des Brautpaars, dann ist eine Ziviltrauung besser. Es muss ja für die Betreffenden stimmen – und nur für sie!»

Wenn es dann aber in der Kirche sein soll, dann ist auch Silberschmidt-Muriset in ihrem Element. Vom Musikwunsch über den Blumenschmuck bis hin zum allfälligen selbst formulierten Eheversprechen weiss die Hochzeitsfachfrau Rat und kann ihre Erfahrung spielen lassen. «Es gibt viele offene, flexible Pfarrer. Und viele sind froh, dass ich das Brautpaar gebrieft und ihm Tipps gegeben habe, was da auf es zukommt.»

«Der Trend geht schon ein wenig in Richtung volles Programm.»
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Chantal Silberschmidt-Murset, Hochzeitsplanerin

Umgekehrt sind die Feiern bei Ziviltrauungen im (und vor dem) Standesamt für jene Paare, die sich zivil trauen lassen, wichtiger geworden. «Oft wird auch auf dem Standesamt in Weiss geheiratet», sagt die Weddingplanerin. Und obwohl die ganze Zeremonie in der Amtsstube nur gerade 20 Minuten dauert, können da viele Emotionen aufkommen. «Wenn das Brautpaar strahlend aus dem Standesamt kommt, dann bin auch ich glücklich.»

Auf freie Redner ausweichen

Kirche hin, Standesamt her – immer öfter suchen Paare einen dritten Weg. «Wer eine persönliche zeremonielle Trauung möchte, aber weder in der Kirche noch in der Amtsstube, der kann auch einen freien Redner engagieren», sagt die Heiratsexpertin. Freie Theologen und gute Redner kann man nämlich engagieren. «Gerade eine Hochzeit in der freien Natur, im Garten oder auf einem Schiff kann so zu einem sehr schönen Fest werden.» Denn Outdoortrauungen seien ungebrochen im Trend.

Aber der Klassiker bleibe, da ist sich Silberschmidt-Muriset sicher, die traditionelle Hochzeit. Essenziell dafür sei ein weisses Brautkleid. Und der Bräutigam dürfe die Braut am Hochzeitstag erst vor dem Altar sehen. Festen Ritualen müssten auch das Jawort, der erste Kuss als Frischvermählte, das Brautstrausswerfen und der Hochzeitstanz folgen. Und natürlich brauche es auch eine Hochzeitstorte. Eine Tendenz zum durchgestylten Hochzeitsfest sei dabei schon vorhanden, räumt die Hochzeitsplanerin ein. «Es geht schon stark in Richtung volles Programm.»

Das kostet natürlich auch etwas. Silberschmidt-Muriset, die für ihre Klienten oft das Budget erstellt, meint: «Keine Hochzeit ist wie die andere, jedes Paar setzt andere Prioritäten.» Grundsätzlich rechne man aber für eine Hochzeit mit 100 Apérogästen und 50 Bankettgästen mit Auslagen von 30 000 Franken – inklusive allem Drumherum, angefangen von den Kleidern über die Trauringe, den Transport, den Fotografen, den Blumenschmuck, Speis, Trank und Torte bis hin zu Abendunterhaltung und Übernachtungen. 

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