«Das könnten wir uns schlicht nicht leisten»

Daniel Jung | 
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Der Sportchef des Damenteams des FC Neunkirch wurde wegen eines Vermögensdelikts bei seinem Arbeitgeber freigestellt. Reto Baumer, Präsident des FC Neunkirch, betont, dass der Verein den Spielerinnen keine Löhne gezahlt hat.

Interview mit Reto Baumer, Präsident des Fussballclubs Neunkirch

Herr Baumer, am Montag haben die Damen des FC Neunkirch den Einzug in den Cupfinal geschafft. In der Liga stehen sie zwei Runden vor Schluss an der Spitze. Können Sie sich über diese sportlichen Erfolge freuen?

Reto Baumer: Ja, doch. Das entschädigt etwas für alles andere, was derzeit rund um das Frauenteam abgeht. Eigentlich ist der Sport ja unser Kerngeschäft. In die anderen Diskussionen wurden wir ohne grosses eigenes Zutun verwickelt. Wir sind es auch gegenüber dem Einsatz der Damen schuldig, dass wir ihren sportlichen Erfolg würdigen. Sie haben ein Jahr lang hart gearbeitet, um jetzt da zu stehen, wo sie sind. Leider wird das jetzt von anderen Geschichten überlagert, wofür diese Frauen gar nichts können.

Was passiert momentan im Vorstand des FC Neunkirch? Sind Sie nervös?

Wir versuchen, möglichst am Puls zu bleiben. Wir wollen agieren und nicht nur reagieren. Das ist aber ziemlich schwierig. Der Auslöser für die aktuellen Diskussionen ist ein Problem im Arbeitsverhältnis unseres Sportchefs mit seinem Arbeitgeber. Damit haben wir als Verein direkt nichts zu tun.

Haben Sie mit dem Sportchef, der beschuldigt wird, bei der Firma Rimuss Gelder veruntreut zu haben, über die Situation gesprochen?

Sicher stehen wir hier im Austausch. Gemäss dem aktuellen Stand halten wir weiterhin an ihm fest. Wir können ihm von Vereinsseite her keinen Vorwurf machen. Er hat sich während 20 Jahren mit sehr viel Herzblut für den FC Neunkirch eingesetzt. Er hat sicher auch sehr viel Gutes getan. Er hat es verdient, dass er diese Saison sicher noch fertig spielen kann.

Der «SonntagsBlick» schrieb am letzten Wochenende von einer möglichen «schwarzen Kasse» beim Frauenteam des FC Neunkirch. Was sagen Sie dazu?

Was der «Blick» geschrieben hat, ist reine Spekulation. Wir vom Verein können nicht bestätigen, dass es ­irgendeine schwarze Kasse gegeben hat oder dass es finanzielle Unregelmässigkeiten gegeben haben soll. Wir hatten unser Budget, und auch das Konto der Gönnervereinigung läuft über den FC Neunkirch. Das ist so weit transparent.

Hat der Verein den Spielerinnen Löhne bezahlt?

Nein, definitiv nicht. Das war eine klare Bedingung: Wir wollen die Damen gleich behandeln wie die Herren der 1. Mannschaft. Dort zahlen wir ja auch keine Löhne. Das können wir uns schlicht nicht leisten. Ich wüsste nicht, wie wir das bezahlen sollten. Unser Kerngeschäft ist der Breitensport. In den Damen-Spitzensport sind wir eher hineingerutscht. Das hat sich über die Jahre mit dem Erfolg ergeben. Von Vereinsseite aus haben wir aber immer klar deklariert: Wir können und werden keine Löhne bezahlen.

Im Brief, den der Gönnerverein kürzlich verschickt hatte, wurde ein «stiller Sponsor» erwähnt, der sich nun zurückgezogen hat. Ist damit der Sportchef gemeint?

Das kann ich Ihnen weder bestätigen noch dementieren. Ich weiss wirklich nicht, wer als Sponsor noch Geld in die Mannschaft investiert hat. Fakt ist: Wir überlegen derzeit, wie wir eine nächste Saison bestreiten könnten. Dafür müsste zunächst die Finanzierung gesichert sein, erst dann würden wir die Mannschaft melden.

Im Sponsorenbrief des Gönnervereins klingt es ja so, als ob ein klarer Geldbetrag für die Weiterführung der Spitzen-Damenmannschaft fehlen würde. Wissen Sie, woher dieses Geld bisher kam?

Es gibt keinen klaren Geldbetrag, welcher für die Weiterführung der Spitzen-Damenmannschaft fehlt. Je mehr finanzielle Mittel wir aufbringen können, umso grösser die Chancen, wieder ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen und dieses dann auch unter optimalen Bedingungen trainieren zu können. Dazu gehört sicher auch der ganze Bereich der Regeneration und der medizinischen Betreuung. Es ist unser Ziel, die Finanzierung dieses Teams möglichst breit abzustützen und auch längerfristig zu sichern, dazu möchten wir alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen.

Wie schwierig gestaltet sich die Suche nach neuen Sponsoren?

Der Prozess läuft derzeit. Dass Sponsoring im Frauenfussball aber nicht einfach ist, sieht man aktuell etwa am Beispiel des FC Luzern, der seine Damenmannschaft zurückziehen wird. Im Vergleich zum Männerfussball hat der Frauenfussball eine deutlich geringere Medienpräsenz. Es ist für Sponsoren nicht gleich lukrativ wie andere Sportarten.

Soweit Sie das einschätzen können: Wie geht es nun weiter mit dem FC Neunkirch?

Wir als Verein möchten uns auf das Sportliche konzentrieren. Das haben wir in der Hand, das können wir beeinflussen. Auch die Spielerinnen haben es verdient, dass sie den sportlichen Erfolg, für den sie hart gearbeitet haben, nun auch einfahren können. Sie stehen im Cupfinal. In der Meisterschaft haben sie zwei Punkte Vorsprung auf den zweitplatzierten FC Zürich. Ein Double wäre ein realistisches Ziel. Wir wollen alles tun, um das zu erreichen. Auf alles andere haben wir überhaupt keinen Einfluss: Es ist ein hängiges Verfahren. Die Staatsanwaltschaft wird abklären, was passiert ist. Dann müssen wir weiterschauen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Fussballverband: Die Dachorganisation blickt kritisch nach Neunkirch und will Schweizer Fussballerinnen stärker fördern

Sportlich läuft es beim Damenteam des FC Neunkirch derzeit rund: Am Montag bezwangen die Spitzenfussballerinnen das Frauenteam der Berner Young Boys im Halbfinal des Schweizer Cups. In der Liga stehen die Damen aus Neunkirch zuoberst. Zwei Runden vor Schluss haben sie einen Vorsprung von zwei Punkten auf die Konkurrentinnen des FC Zürich.

Anzeige bereits Mitte März

Dennoch ist der FC Neunkirch derzeit nicht nur wegen sportlicher Leistungen in den Medien: Letzte Woche wurde bekannt, dass sich bei der Firma Rimuss- und Weinkellerei Rahm AG in Hallau ein Vermögensdelikt ereignet hat. Ein Kadermitarbeiter soll eine hohe Summe veruntreut haben. Der Mann wurde von der Firma freigestellt. Er hatte sein Fehlverhalten gegenüber dem Arbeitgeber selbst gemeldet. Die Firma Rimuss hatte den Mitarbeiter dann bereits Mitte März bei den Behörden angezeigt, wie der Schaffhauser Staatsanwalt Roland Flüeler gestern erklärte.

Noch ist unklar, ob der Kadermitarbeiter am Schluss wegen Betrugs, Veruntreuung oder ungetreuer Geschäftsbesorgung angeklagt wird. Bisher ist lediglich klar, dass es um unbestimmte Vermögensdelikte zum Nachteil der Firma Rimuss gehe, erklärte der Staatsanwalt.

Die Firma Rimuss ist Hauptsponsor der Damenmannschaft des FC Neunkirch, und der beschuldigte Mann ist Sportchef der Damenmannschaft. Ob jedoch zwischen den Vermögensdelikten und dem Damen-Fussballteam ein Zusammenhang besteht, ist derzeit noch nicht geklärt.

Keine Freude über die Situation

Dennoch blicken auch die Verantwortlichen des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) derzeit besorgt in den Klettgau. «Wir haben keine Freude an dem, was hier passiert ist», sagt Marco von Ah, Leiter Kommunikation und Medien beim SFV. Der Verband verfolge die Situation in Neunkirch und die Medienberichte dazu sehr genau.

Jedoch hat der Verband im Moment nicht vor, in Neunkirch zu intervenieren. «Es ist ein laufendes Verfahren bei der Staatsanwaltschaft», sagt von Ah. Zunächst warte der Verband die Ergebnisse der Untersuchungen der Staatsanwaltschaft ab. Der SFV würde allenfalls aktiv werden, wenn ein gültiger Urteilsspruch eines Gerichts vorliegen würde. «Aufgrund der regelementarischen Situation sind uns bis dahin die Hände ziemlich gebunden», sagt von Ah.

Gemäss aktuellem Wissensstand geht der Verbandsvertreter nicht davon aus, dass die möglichen sportlichen Erfolge des FC Neunkirch in dieser Saison später aberkannt werden könnten. Auch beim grossen Veruntreuungsfall beim FC Wil aus dem Jahr 2002 seien später keine sportlichen Resultate aberkannt worden. «Es erscheint mir höchst unwahrscheinlich, dass man hier zu so einer Massnahme greifen würde», sagt von Ah. Ein allfälliger Meistertitel oder ein Cupsieg würde wohl also nicht in Frage gestellt.

Sprich von Ah über Neunkirch, so hat er einerseits Freude. «Das starke Team aus Neunkirch ist eine Bereicherung für die Liga», sagt er. Dass die Neunkircherinnen auch mit dem starken FC Zürich mithalten können, habe die Liga spannender gemacht.

Andererseits hat von Ah aber auch Vorbehalte gegenüber dem Frauenteam aus dem Klettgau. «Was uns nicht gefällt, ist die mangelnde Nachwuchsförderung», sagt der Verbandsvertreter. «In Neunkirch dreht sich im Frauenfussball alles um die erste Mannschaft.» Diese Konzentration auf den Leistungssport, der stark mit importierten Talenten betrieben werde, sei wenig nachhaltig.

Kontingente verkleinern

Aktuell ist beim Fussballverband eine Regeländerung in Planung, die möglicherweise auf die übernächste Saison hin eingeführt wird: Es geht dabei um eine Verkleinerung der möglichen Ausländerinnen-Kontingente. «Ein Team soll nicht mit 15 Ausländerinnen in einen Match gehen können», sagt von Ah. Eine solche Regel müsse aber gut austariert sein. Insbesondere müssen internationale Regeln und Gerichtsurteile («Fall Bosman») eingehalten werden. «Es sollte möglich sein, hier eine Schweizer Regelung zu installieren», ist von Ah zuversichtlich. Die Regel sei quasi in der Vernehmlassung. Hauptziel sei es, letztlich den eigenen Nachwuchs stärker zu fördern. «Wir wollen, dass Schweizer Spielerinnen auch für ausländische Vereine interessant werden.»

Lohnzahlungen erlaubt

Der Präsident des FC Neunkirch betont, dass der Verein den Spielerinnen keine Löhne gezahlt hat (siehe oben). Dies wäre vom Verband her grundsätzlich erlaubt. «Es ist durchaus möglich, dass ein Verein den Spielerinnen, die ihr Arbeitspensum reduziert haben, eine Aufwandsentschädigung bezahlt», sagt von Ah. Denn auch im Frauenfussball sei der Betrieb relativ hoch getaktet. «Der Schweizer Frauenfussball ist nicht a priori eine reine Amateur-Sportart.»

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