Der Club muss handeln

Hans Christoph Steinemann Hans Christoph Steinemann | 
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Hans Christoph Steinemann

Die Geschichte rund um das Frauenteam des FC Neunkirch klang bis vor wenigen Wochen wie ein modernes Sportmärchen. Der vor Ostern bekannt gewordene Betrugs- und Veruntreuungsfall in der ­renommierten Hallauer Rimuss- und Weinkellerei Rahm AG rund um den Sportchef der Neunkircher Frauen hat die Sicht auf die Dinge stark verändert.

Der langjährige Rimuss-Finanzchef, der 29 Jahre in der Firma tätig war, soll einen hohen sechsstelligen Betrag ­abgezweigt haben. Die Strafuntersuchung der Schaffhauser Staatsanwaltschaft läuft nach einer Selbstanzeige seit Wochen. Sie erst wird zeigen, was genau vorgefallen ist und in welchem Ausmass Gelder allenfalls ins FCN-Frauenteam geflossen sind. Momentan machen Gerüchte und Vermutungen die Runde. Dass auch nationale Medien den «Fall FC Neunkirch» thematisieren, hat vor allem damit zu tun, dass der FC Neunkirch die Tabelle der Frauen-NLA anführt und gute Chancen auf den ersten Schweizer Meister- und/oder Cup-Titel hat.

Alles begann vor 15 Jahren mit dem Mädchenfussball in Neunkirch

Doch wie begann das «Märchen»? Vor 15 Jahren zuerst in der FCN-Junio­renabteilung und ab 2007 mit einem 3.-Liga-Frauenteam. Dank dem Engagement des Trainers und Vaters für die Tochter entwickelte sich ein vielversprechendes Projekt im Mädchensport. Bis dahin hatte der Frauenfussball hier ein Mauerblümchendasein gefristet, der FC Neunkirch entdeckte eine Marktlücke.

Sportliche Ambitionen gehörten immer dazu. In der ersten Saison stieg die Mädchenequipe in die 2. Liga auf, 2010 spielte sie bereits in der 1. Liga, und 2011 gelang der Aufstieg in die NLB. Grösstenteils mit jenen, die klein begonnen hatten. Neue kamen hinzu, und 2011 sorgte eine Ausländerin für Schlagzeilen: Die nigerianische Top- und Nationalspielerin Sunday Uchechi schoss den FCN zum Aufstieg. Der Durchmarsch setzte sich fort, bereits 2013 feierten die Neunkircherinnen mit zahlreichen Eigengewächsen den NLA-Aufstieg. Es war wie ein Traum für den Verein, der just 2013 sein 50-Jahr-Jubiläum feierte. Die Frauen im FC Neunkirch, zahlenmässig in der Minderheit gegenüber den Männern, waren top, was das Sportliche anbelangte.

Es ging weiter in diesem Stil, aus seinen Titelzielen machte der Sportchef nie ein Hehl: Auf Rang 4 in der ersten NLA-Saison folgten 2015 Platz 3 und 2016 Platz 2 sowie die erste Cupfinalteilnahme. Aber es tauchten auch Pro­bleme auf: Zum einen gab es Trainingsengpässe, dazu monierte der Verband die fehlende Trainerlizenz des Neunkircher Pioniers. Worauf der Club jeweils einen Lizenzinhaber engagierte, zum Beispiel Roli Frei oder aktuell Hasan Dracic. Das Handlungsmandat behielt indes der zum Sportchef Mutierte. Weil regionale Spielerinnen oder Grenzgängerinnen rar sind, holte er aus der ganzen Welt Frauen in den Klettgau – angeblich ohne Lohn. Kost und Logis genüge ­ihnen, beteuerte er stets. Diese Rechnung ging lange Zeit auf. Bei einer Klage wegen Verstosses gegen das Arbeitsgesetz wurde er vom Kantonsgericht auch freigesprochen.

Ein «stiller Sponsor» kam für die gestiegenen Kosten auf

Das Netzwerk im Klettgau funktionierte. Dass die Kosten – neben dem geschätzten Budget von etwa 70 000 Franken für die FCN-Frauen – aufgrund von teuren Massnahmen im Training und in der Betreuung massiv anstiegen, merkte offenbar niemand im Club. Alle vertrauten sie fast blind dem Sportchef, der angeblich dank einem «stillen Sponsor» für das meiste aufkam. Dazu stellen sich wichtige Fragen: Hat unbändiger Ehrgeiz oder Erfolgshunger den Sportchef dazu getrieben, das Gesetz zu brechen? Ist von dem veruntreuten Geld etwas in den Club oder in die Mannschaft geflossen? Was wussten die Cluboffiziellen davon? Und, ebenso wichtig, wurden die Vorgänge genügend kontrolliert? Bislang trägt der Club zu wenig zur Klärung der Situation bei. Der FC Neunkirch müsste seine Verantwortung nun auch wahrnehmen, indem er mittels Untersuchung schnell für Aufklärung sorgt. Zudem stellt sich Frage nach der Zukunft des Frauenfussballs im Klettgau. Im Minimum braucht es eine bessere Aufsicht über die Tätigkeiten des Sportchefs. Und abhängig vom Ausgang der Strafuntersuchung muss der Verein darüber entscheiden, ob er an ihm weiter festhalten will.

Auf jeden Fall gilt es, das nach diesen Vorfällen bereits massiv belastete Verhältnis intern zu überdenken, damit das Ansehen des FC Neunkirch nicht noch mehr Schaden nimmt.

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