An diesem Baum hat auch Frivoles seinen Platz

Maria Gerhard | 
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Mit Hunderten Figürchen und viel Liebe schmückt Cornelia Stamm Hurter in jedem Jahr ihren Weihnachtsbaum. Und damit alles am richtigen Platz hängt, arbeitet die Schaffhauser Oberrichterin auch schon mal bis in die Morgenstunden hinein.

Jeder Zweig hat hier seine eigene Bedeutung: Einer ist nur mit bunten Märchenfigürchen behangen, ein anderer mit Früchten und wieder ein anderer mit Tieren. Aber nicht nur das: An diesem Weihnachtsbaum gibt es auch einen «frivolen Ast». So nennt ihn zumindest die Schaffhauser Oberrichterin und SVP-Grossstadträtin Cornelia Stamm Hurter. Eine grüne Mini-Sektflasche baumelt daran, ein Stöckelschuh mit Federn geschmückt, eine Zigarre und – etwas versteckt, weiter hinten zum Stamm hin – der Torso einer molligen Frau im Dessous. «Ich bekomme vieles auch geschenkt», sagt Stamm Hurter und lacht. Das Figürchen mit der kecken Lingerie hat ihr eine Freundin mitgebracht. Von ihrem Mann, Nationalrat Thomas Hurter, ist dafür ein grosser Nussknacker, wohl die grösste Figur am ganzen Baum. Aufwendig gearbeiteter Weihnachtsschmuck, zum grössten Teil mundgeblasen und handbemalt, ist eine Leidenschaft von Cornelia Stamm Hurter. Sie sammelt ihn wie andere teure Brief- marken.

Über 1000 Figürchen sind es mittlerweile. Einmal im Jahr haben manche – wie der grüne Frosch auf der goldenen Kugel oder das gelb bemalte Postauto – ihren grossen Auftritt: Sie hängen am 2,75 Meter hohen Weihnachtsbaum der Familie Hurter. Bis aber aller Schmuck befestigt ist, herrscht im Haus so etwas wie Ausnahmezustand.

Im Radio läuft «Last Christmas»

«Es sieht hier aus wie im hölzernen Himmel», sagt Stamm Hurter und weist auf die vielen Bananenkisten, die im Wohn- und Esszimmer stehen. Manche sind noch gefüllt, andere bereits leer. Zerwühltes Seidenpapier spitzt daraus hervor. Acht Stunden Christbaumschmücken hat sie bereits hinter sich. Bis um 2.30 Uhr nachts hat sie den Baum geschmückt, dann die Wäsche gewaschen, um sich danach noch einmal dem Schmücken zu widmen. Jetzt, schätzt sie, hat sie insgesamt noch etwa zehn Stunden vor sich, die sie wohl ebenfalls in Nachtarbeit erledigen wird, weil sie tagsüber zu viel zu tun hat. Ihr macht das nichts aus. «Ich höre dann nebenbei österreichisches Radio. Da gibt es eine Sendung, in der Menschen, die Schicksalsschläge erlitten haben, Wünsche erfüllt werden. Das finde ich wahnsinnig schön.» Zwischendrin läuft Musik und natürlich hin und wieder Wham! mit «Last Christmas». Sie seufzt. Das weckt immer besondere Erinnerungen: «Das war meine Jugend, da habe ich gerade studiert.» Und den George Michael habe sie damals nicht ohne gefunden.

Kleine Geschichten werden aber auch in ihr wach, wenn sie die Figuren aufhängt, die sie zum Teil aus der ganzen Welt mitgebracht hat: aus den USA wie aus England, aber vor allem aus Deutschland und aus Polen. Der Gablonzer Schmuck, darunter aufwendig gearbeitete Sterne aus Perlen, kommt aus dem ehemaligen Böhmen. Zwei Jesusfigürchen hat sie 1997 auf dem Wiener Christkindelmarkt gekauft. Das weiss sie noch ganz genau: «Da war meine älteste Tochter noch kein Jahr alt.» Ein kleiner Teufel mit schwarzen Armen und Beinen hängt prominent an einem langen Ast. Er kommt aus Bern. «Den habe ich in den 90er-Jahren nach einem Fraktionsessen erstanden», sagt sie. Eines wird man ihrem Baum aber nicht finden: «Billige Imitationsware aus China kaufe ich nicht», sagt Stamm Hurter. Darauf bewusst zu verzichten, werde aber immer schwieriger. «Gute Qualität wird vom Markt verdrängt. Oft bekommt man nur noch billig gearbeitetes Zeug, das keine Seele hat.»

Ihre Sammlung erweitert sie trotzdem stetig Jahr um Jahr. «Natürlich geht auch einmal etwas kaputt, aber der Zuwachs ist schon grösser als der Verlust.» Und dass einmal etwas zerspringe, Stamm Hurter zuckt mit den Schultern, gehöre irgendwie dazu. Nur einmal sei ihr das Lachen vergangen: Das einzige Mal, wo nicht ihr Mann den Baum aufgestellt habe, sei dieser mitten beim Behängen kurz vor Mitternacht gekippt. «Ich konnte ihn gerade noch so festhalten und habe dann nach meiner Tochter Nora gerufen, damit sie mir hilft.» Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt in Bern, und so mussten letztlich Stamm Hurters Bruder und der Nachbar ran, um die grosse Tanne wieder aufzurichten. An diesem Abend sei viel kaputt gegangen. Seitdem fixiert Gatte Thomas Hurter den Stamm jedes Jahr mit Schnüren, die an allen vier Wänden befestigt werden.

Zeppeline aus der Kaiserzeit

Mancher Schmuck liegt Stamm Hurter ganz besonders am Herzen, so etwa die Miniatur-Zeppeline. Einer ist zum Beispiel von Lauschaer Glas aus Thüringen. Das Luftschiff ist mit feinstem Draht silbern umwickelt, eine kleine Gondel baumelt in der Luft. An der Seite trägt es eine rote Aufschrift: «Graf Zeppelin».Manche der Gefährte sind auch schon recht alt. «Die Zeppeline waren einst im Kaiserreich hip als Christbaumschmuck der oberen Gesellschaft», erklärt Stamm Hurter. Sie seien sehr schwer zu bekommen.

Ist der Baum – manchmal erst nach drei, vier Tagen – endlich fertig geschmückt, werden noch die Bienenwachskerzen befestigt. Und dann kommen zahlreich die Nachbarn, Freunde und Parteikollegen zum Weihnachtsapéro, um an dem Baum immer wieder neue Figuren zu entdecken. Dass der eine oder andere den Schmuck vielleicht für kitschig hält, kann Stamm Hurter durchaus verstehen. «Aber einmal im Jahr ist es erlaubt, seine kitschige Seite auszuleben», sagt sie. Und schliesslich stecke in den Figuren viel Arbeit. «Die Formen sind teilweise über 120 Jahre alt. Mein Baum ist eine Hommage an die Kunsthandwerker, die sich so viel Mühe gegeben haben.»

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