800 Lieferungen täglich: Deutsche Lieferadressen in der Weihnachtszeit

Ralph Denzel | 
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Die Weihnachtszeit bedeutet für Paketlieferer vor allem eines: Stress. Bild: Pixabay

Viele Menschen in der Region nutzen deutsche Lieferadressen. Die Branche boomt - und muss vor allem um Weihnachten herum Schwerstarbeit leisten.

Die Weihnachtszeit steht vor der Tür – und damit auch wieder die Zeit, in denen man Menschen, die einem wichtig sind, eine kleine oder grosse Freude machen will. Viele bestellen mittlerweile ihre Päckli fürs Fest im Internet. Das Problem: Da viele Online-Shops entweder gar nicht erst in die Schweiz liefern oder dann horrende Preise für ihre Leistungen verlangen, kann das digitale Shoppen schnell richtig teuer werden. Die Lösung für viele: Eine Lieferadresse in Deutschland. So profitieren viele Schweizer nicht nur vom Eurokurs, sondern auch davon, dass die Versandkosten um einiges niedriger sind. Das Geschäft damit ist aber auch ennet der Grenze lukrativ: So findet man alleine in Jestetten acht grössere und kleinere Lieferstationen, teils in privater Hand. Gerade zur Weihnachtszeit werden dort so viele Pakete geliefert und abgeholt, dass man sich fast in einem Verteilzentrum der Post wähnen könnte.

800 Lieferungen – an einem Tag

Fährt man nach Jestetten, findet man direkt an der Hauptstrasse gelegen das erste Paketgeschäft. Die Paketerie Tröndle, früher ein Spielzeugladen, war eines der ersten Geschäfte, die sich auf den Paketservice spezialisierten. Um die Weihnachtszeit, wenn der Stresspegel für die Betreiber solcher deutschen Lieferadressen besonders hoch ist, werden die kleinen Bäume an der Hauptstrasse mit Kerzen geschmückt. Direkt gegenüber steht eines der Wahrzeichen des Ortes: Die Grund- und Hauptschule, erbaut im frühen 20. Jahrhundert. Auf den Parkplätzen vor dem Laden stehen meistens Autos mit einer Schweizer Nummer, am Lieferanteneingang dicht an dicht gedrängt die Rollbehälter der deutschen Post.

Dort, wo früher Spielzeug und Schreibwaren verkauft wurden, werden heute die Lieferungen für die Kunden gestapelt. Der Platz reicht aber laut Betreiber Armin Tröndle wohl bald nicht mehr ganz aus. So sagt er über die bevorstehenden Wochen: «Für die Weihnachtszeit müssen wir zusehen, das genügend Stellplatz zur Verfügung steht, vielleicht noch zwei bis drei Regale aufbauen und versuchen, die vorhandenen Stellfächen optimal auszunutzen.» Das ist auch bitter nötig: Von November bis ungefähr Februar gehen bei ihm, laut seiner Schätzung, zwischen 200 bis 250 Pakete über die Ladentheke an seine Kunden.

Im Industriegebiet, direkt neben einem italienischen Restaurant in einer grossen Lagerhalle, ist das Bild nicht anders: Dort befindet sich der «Swiss Paket»-Shop. Auch hier bedeutet die Weihnachtszeit vor allem Arbeit und massiv mehr Lieferungen. Fragt man Melanie Gehrmann, wie gross der Arbeitsaufwand in dieser Zeit ist, lacht sie und sagt: «Sehr gross.» Was das bedeutet, wird klar, wenn sie einem die nackten Zahlen präsentiert: «In der Weihnachtszeit haben wir ungefähr dreimal so viele Lieferungen wie unter dem Jahr.» In, ebenfalls geschätzten Zahlen, bedeutet das ungefähr 800 Lieferungen – pro Tag!

Einen genauen Überblick oder eine genaue Zahl ist bei allen angefragten Paketstellen schwierig, so gross sei der Arbeitsaufwand.

Lohnenswert für Paketstellen

Nebst den offiziellen Paketstellen, haben auch verschiedene Privatpersonen in der Grenzregion ein Kleingewerbe angemeldet und bieten ihre Lieferadresse an. Das ist lukrativ. Die Lagerung von Briefen kostet meistens ein Euro, Pakete werden schnell teurer: So bringt ein Standardpaket auch mal fünf Euro für den Lieferservice. Für Schweizer Kunden, die teils das dreifache alleine an Liefergebühren zahlen müssten, lohnt sich das dennoch.

Rechtlich ist eine deutsche Lieferadresse übrigens kein Problem, weder für die Deutschen noch für die Schweizer. Waren bis zu einem Wert 300 Franken können unangemeldet über den Zoll gebracht werden. Selbst wenn sie teurer sind, ist die Zollgebühr oft billiger für die Endkunden als eine Lieferung in die Schweiz - und vor allem auch schneller.

Das Phänomen kennt auch Matthes Mitgau vom Paketservice Restle im deutschen Gailingen. Dieser profitiert ebenso von den Kunden aus der Schweiz – und auch er weiss, wie fordernd die Weihnachtszeit für Dienstleister wie ihn ist. «Zwei Monate vor Weihnachten geht es los», sagt er. Die Zeit, in der es dann wirklich sehr anstrengend für ihn und seine Kollegen wird, dauere bis Ende Januar. Der Grund: Rückerstattungen, Umtausch- und Rücksendungen. Bei ihm im Laden gehen in der Weihnachtszeit geschätzt täglich 300 bis 400 Pakete an seine Kunden. «Um Weihnachten haben wir im Schnitt 20 Prozent mehr als unter dem Jahr», sagt Matthes Mitgau.

«Nach Weihnachten lässt es dann auf einmal schlagartig nach», ergänzt Melanie Gehrmann vom «Swiss Paket»-Shop. Während wir miteinander telefonieren, piept im Hintergrund andauernd ihr Scanner, mit dem sie neu angekommene Pakete einscannt. Zählt man leise im Kopf mit, scheint es, als würde sie wohl heute schon die 800er-Lieferungenmarke knacken können. 

Wie kommt mein Paket da nur rechtzeitig an?

Es ist verlockend, das Weihnachtspaket an eine deutsche Lieferadresse zu schicken, aber es bietet auch jede Menge Fallstricke, wie die Experten wissen. Der grösste: Wie schafft man es, dass das Paket rechtzeitig ankommt? Matthes Mitgau sagt dazu lachend: «Am besten sollte man einfach nicht erst am 23. Dezember bestellen.» Dazu rät auch Achim Tröndle: «Wir erwarten ein kräftiges Ansteigen des Paketaufkommens. Eben deshalb ist es für die Besteller ratsam, frühzeitig zu bestellen. Sie können sich vorstellen, dass auch DHL, Hermes, DPD und die anderen deutschen Lieferer jede Menge zu tun haben und dadurch vielleicht auch nicht jedes Paket rechtzeitig am Ziel ankommt.»

«Jede Menge zu tun» haben sie wohl in der Tat: Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) in Deutschland schätzt, dass bis zu 20 Prozent aller Sendungen im Endkundengeschäft auf die letzten Wochen des Jahres fallen. Die totalen Zahlen sind dabei fast unglaublich: Von November bis Dezember bedeuten sie, dass 330 Millionen Lieferungen zugestellt werden – dazu zählen Pakete, aber auch Einschreiben und Weihnachtspost. In Spitzenzeiten können, laut einer Pressemitteilung des Verbandes, 18 Millionen Sendungen unterwegs sein. Wie viele Lieferungen davon in die Schweiz gehen, kann man allerdings nicht sagen.

18 Millionen Sendungen - zum Vergleich: Würden all diese Briefe, Pakete und Einschreiben nur an die Einwohner in Schaffhausen zugestellt werden, bekäme jeder sage und schreibe 520 Lieferungen.

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