«Ich mache es nicht des Geldes wegen»

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Seit 1975 geht Alfred Maurer auf den Buchberger Wiesen auf die Pirsch nach Mäusen. Abgerechnet wird pro Mausschwanz. Heute bekommt er 1.50 Franken pro Stück.

von Karin Lüthi

Jeder Bauer und jede Gartenbesitzerin kennt sie und ärgert sich darüber: über die braunen Erdhaufen zwischen dem grünen Gras, die von fleissigen Wühlmäusen gebaut werden. Wer schon versucht hat, der feinfelligen Plage Herr zu werden, weiss, dass dies keine einfache Sache ist. Oder haben Sie schon einmal selbst eine Maus gefangen?

Einer weiss jedoch genau, was es braucht, um Mäuse zu fangen: Alfred Maurer ist seit mehr als vierzig Jahren in Buchberg als Mäusefänger auf der Pirsch. Doch ganz richtig ist das mit den vierzig Jahren nicht, denn bereits als Kind hat er sich mit dem Mausen einen Zustupf verdient, damals noch in Hausen am Albis, wo er in den 1940er-Jahren als Bauernsohn aufgewachsen ist und das Mausen eine willkommene Einkommensquelle für Schulkinder war. «Früher hat man 20 bis 30 Rappen pro Mausschwanz verdient. Je nachdem, wie geschickt man war, kam für einen Schuljungen ordentlich Geld zusammen», erzählt Maurer. Heute erhält er 1.50 Franken pro Maus. «Reich wird man damit nicht. Aber ich mache es auch nicht zum Geldverdienen, sondern weil ich gern draussen bin. Und es ist eine sinnvolle Arbeit. Wenn man nichts gegen die Mäuse unternimmt, würden sie alles unterminieren und kaputt machen.» Die Wühlmäuse sind eine Unterfamilie der Wühler mit über 150 Arten. Zu den bekanntesten gehören die Feldmaus, die Rötelmaus, die Bisamratte, die Schermaus und die Lemminge. Je nach Gattung sind die tag- und nachtaktiven Wühlmäuse zwischen 7 und 23 Zentimeter lang. Die Schermaus, die vorwiegend in unseren Breitengraden lebt, wohnt fast ausschliesslich im Boden. Ihr Gangsystem ist weit verzweigt, mit Nest- und Vorratskammern. Durch starkes Benagen der Wurzeln richten die Nager grosse Schäden in Obstbaumkulturen oder bei Ackerfrüchten an. Ausserdem sind sie Hauptzwischenwirte des Fuchsbandwurms.

Verschiedene Mausefallen

Seit 1975 geht Maurer regelmässig auf den Buchberger Wiesen zum Mäusefangen. Er rechnet die gefangenen Tiere bei der Gütergenossenschaft der Bauern und Landbesitzer in Buchberg ab. In deren Genossenschaftsbeitrag, den sie je nach Fläche bezahlen, ist auch ein Mauserbeitrag integriert. Zu Beginn eines neuen Arbeitstages nimmt Maurer seinen selbst gebastelten Karren, auf dem ein blaues Kunststofffass festgebunden ist. Darin hat er die Stöcke zum Markieren der Mäusegänge und die Mausefallen deponiert. Es gibt verschiedene Fallen, um Mäuse zu fangen. Maurer arbeitet hauptsächlich mit sogenannten Zangenfallen, die wie Beisszangen sehr stark zuschnappen und dadurch die Maus in der Regel durch Genickbruch sofort töten.

«Wenn man nichts gegen die Mäuse unternimmt, würden sie alles unterminieren und kaputt machen.»

Ein weiterer Kanister auf dem kleinen Karren dient als Behältnis für die gefangenen Mäuse. Mit diesem Gefährt sucht er auf der Wiese die typischen Haufen, die Wühlmäuse machen, wenn sie ihre Nahrung sammeln. «Hier zum Beispiel ist so ein Haufen», sagt der Mäusejäger und zeigt auf einen Erdhaufen, der aus dem Gras hervorschaut. «Er weist auf einen Mäusegang hin, wo die Tiere ihren Wintervorrat, meistens Wurzeln, sammeln. So hat die Maus etwas zu essen und muss beim kalten Wetter nicht hinaus.» Denn Wühlmäuse machen keinen Winterschlaf, sondern reduzieren einfach ihre Tätigkeit stark.

Bis zu 15 Meter lange Gänge

Am Vormittag grüben die Mäuse meistens, berichtet Maurer, vorn stiessen sie auf und hinten wieder zu. So würden die kleinen Tiere beeindruckende 10 bis 15 Meter lange Gänge bauen. Maurer macht seine Besuche auf den Buchberger Wiesen immer zur gleichen Tageszeit, am Vormittag und am Nachmittag, je nachdem zwei- bis dreimal wöchentlich, wenn das Wetter nicht zu nass ist oder es so kalt ist, dass der Boden gefriert. «Ich will ja auch Freude haben beim Mausen», lacht er, «Ich muss ja eigentlich nicht mehr arbeiten. Als Klärwärter bin ich schon lange pensioniert.»

Jetzt nimmt Maurer seine kleine Schaufel in die Hand, um damit den Gang der Maus freizulegen. Meistens befindet sich dieser unter dem Haufen, doch manchmal ist das Graben vergebens. Dieses Mal ist er sofort erfolgreich. Als der Gang sichtbar wird, nimmt er eine Falle aus dem mitgeführten Kanister, spannt sie und setzt sie im Gang ein. Danach deckt er den Gang und den vorderen Teil der Falle mit Erde wieder zu. «Da muss man immer genug Erde darauf schaufeln, sonst merken es die Mäuse», weiss Maurer aus Erfahrung. Zum Schluss wird die Stelle mit einem Stock markiert, und weiter geht es zum nächsten Erdhaufen, wo das gleiche Prozedere durchlaufen wird.

Maus oder Maulwurf?

An diesem Vormittag steckt er auf der Wiese 28 Markierungen, die er danach nochmals abgeht, um zu überprüfen, ob schon die eine oder andere Maus in die Falle gegangen ist. Tatsächlich: Gleich bei der zweiten Falle stehen die beiden Griffe der Falle wie bei einer weit gespannten Schere auseinander, was darauf hinweist, dass sie zugeschnappt hat. Wieder holt Maurer seine Schaufel hervor, schiebt die Erde etwas zur Seite und zieht die Falle vorsichtig heraus. Zwischen den beiden Zangen hängt leblos die kleine braune Maus. Mit geübtem Griff öffnet er die Falle, nimmt das Tier heraus, legt es in den Kanister, steckt die Falle wieder ins Loch und deckt sie mit Erde zu. Danach kennzeichnet Maurer die Markierung mit einer Wäscheklammer, damit er weiss, dass er hier schon eine Maus herausgeholt hat. Der langjährige Mäusejäger kann die Erdhaufen der Wühlmäuse fast zu hundert Prozent von denjenigen der Maulwürfe unterscheiden. Maulwürfe sind geschützt, sie dürfen nicht gejagt werden – jedenfalls nicht von Menschen. Es passiere ihm höchst selten, dass ihm ein «Grabowsky» in die Falle gehe. Früher jedoch habe man sie noch jagen dürfen, und da habe manch einer aus dem feinen, seidigen Fell dieser Tierchen Mützen genäht, erzählt Maurer.

Ein makaberes Schauspiel

Insgesamt finden sich in sieben Fallen tote Wühlmäuse. In der achten jedoch lebt die Maus noch, ist aber offensichtlich schwer verletzt. Mit einem gezielten harten Schlag mit der Schaufel tötet sie Maurer und legt sie dann zu den anderen in den Kanister.

«Das Töten gehört halt auch dazu. Kurz und schmerzlos muss es sein», findet er. Den toten Mäusen schneidet Maurer die Schwänze ab und bringt sie, «wenn es sich dann lohnt», zum Verantwortlichen der Gütergenossenschaft, der ihn entsprechend entschädigt. Den Körper der Maus legt er für die Mäusebussarde und Milane bereit. Die Raubvögel kennen den Mäusefänger seit Langem und besuchen täglich den Ort, wo er die Tiere bereitlegt, um zu überprüfen, ob ein Leckerbissen auf sie wartet.

Der Rest kommt in die Tiefkühltruhe

Manchmal ist Maurers Ausbeute so reichlich, dass er nicht alle Mäuse verfüttern kann. Für den Überschuss steht extra eine Tiefkühltruhe bereit. Dort lagern sie für die ganz kalten Tage, damit die Raubvögel auch dann, wenn der Boden gefroren ist, etwas zu fressen haben.

 

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