Generalversammlung der Kadetten Schaffhausen

Pascal Oesch | 
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Die Ambri-Exponenten Paolo Duca und Luca Cereda (r.) zwischen dem Verwaltungsrat der Kadetten Martin Schläpfer (l.) und Präsident Giorgio Behr (r.). Bild: Pascal Oesch

Im Zuge ihrer Generalversammlung begrüssen die Kadetten Schaffhausen zwei illustre Gäste aus dem Eishockey: Trainer Luca Cereda und Sportchef Paolo Duca erzählen über ihren HC Ambri-Piotta und den damit einhergehenden Mythos.

Eine Auflösung gibt es gleich zu Beginn der Gesprächsrunde. «Warum ausgerechnet Ambri-Piotta bei den Kadetten?», fragt Martin Schläpfer, Mitglied des Verwaltungsrates der Kadetten Schaffhausen. Seine drei Antworten darauf lauten: Weil es im Umfeld des Schweizer Handballmeisters viele Fans der Biancoblu gibt. Weil Präsident Giorgio Behr Tessiner Wurzeln hat. Und weil Behr Filippo Lombardi persönlich kennt. Der Politiker und Unternehmer bekleidet beim HC Ambri-Piotta dieselbe Funktion wie Behr bei den Kadetten. Und weil die Mannschaft am Freitagabend keinen Match bestreiten muss, kommen Sportchef Paolo Duca und Trainer Luca ­Cereda in den Norden des Landes. Im Meeting Point auf dem Herrenacker sind sie zur Generalversammlung der Kadetten Schaffhausen eingeladen. Dass der Verein aus der Leventina aktuell weit vor dem Kantonsrivalen aus Lugano rangiert, wird mit App­laus bedacht. Es ist nämlich ein Umstand, der alles andere als selbstverständlich ist. Meister ist Ambri-Piotta nie geworden, obsiegte dafür 1998 und 1999 im internationalen Continental Cup.

Vom Mythos Valascia …

Zum Ende des letzten Jahrhunderts verlor es seinen einzigen Play-off-Final – und das ausgerechnet gegen Lugano. Dieser Erfolg weckte Begierden, die Ambitionen wuchsen, Ungeduld machte sich breit. Aber den Coup konnte Ambri-Piotta nie mehr wiederholen. «Eigentlich wussten wir nicht mehr, wer wir sind», fasst Paolo Duca jene Zeit zusammen. Der HC Ambri-Piotta war stets ein Underdog, gleichermassen Dorf- und Bergclub. Ihn umgibt etwas Mystisches. Die mittlerweile 85-jährige Vereinsgeschichte erzählt von Entbehrungen, Aussenseiterromantik und Unangepasstheit. In der modernen Sportwelt ist der HCAP eine Art Anachronismus. Domiziliert in einer 290-Seelen-Gemeinde, sind Glanz und Glamour weit weg. Duca wählt Worte wie Tradition, Bodenständigkeit, Bescheidenheit und Leidenschaft: Attribute, die vor allem an die alte Valascia erinnern – bis 2021 Heimstätte der Biancoblu. 1957 erbaut, war sie kalt und zugig, berühmt und berüchtigt.

Die Halle zog Eishockeyenthusiasten aus ganz Europa an, weil es sich so anfühlte, als sei die Zeit dort stehen geblieben. Doch diese Trutzburg wurde nach und nach zur Hypothek, die Uhr tickte. Ein romantischer Gegenentwurf zu den Tempeln in Bern oder Zürich genügte den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr. Vorerst ging es bei Ambri-Piotta allerdings um die sportliche Existenz: 2017 rettete sich das Team erst in der Ligaqualifikation gegen Langenthal, blieb erstklassig und leitete anschliessend eine Trendwende ein, die von Erfolg gekrönt ist und bis heute anhält.

«Bei uns stehen die Türen offen. Als Spieler kannst du hier sehr früh viel Verantwortung übernehmen.»

Luca ­Cereda, Trainer beim HC Ambri-Piotta

Nach mageren Jahren wechselte Paolo Duca von der Rolle des Captains in jene des Sportchefs. Er verpflichtete Luca Cereda – ebenfalls ein lokales Urgestein, gepaart mit Überseeerfahrung – als Headcoach. Beide hatten eine Vision im Kopf, die langsam Gestalt annehmen sollte. «Bei uns stehen die Türen offen. Als Spieler kannst du hier sehr früh viel Verantwortung übernehmen», erklärt Cereda die Idee, sich wieder als Ausbildungsclub zu profilieren. Er spricht von einer Lebensschule: Ambri-Piotta suche Lösungen, keine Ausreden.

… zur modernen Gottardo-Arena

Duca und Cereda verkörpern die HCAP-DNA perfekt. Beide sind 41 Jahre alt, ehemalige Stürmer, Familienväter, Tessiner. Sie sind geerdet und denken trotzdem gross. Während sich das Geschehen im Rink zusehends beruhigte, werkelte Präsident Filippo Lombardi an der infrastrukturellen Zukunft. 2018 nahmen die Pläne zum Neubau eines Stadions langsam Gestalt an, 2021 wurde es eröffnet. Die unter Leitung des Architekten Mario Botta in den Himmel gezogene Arena kostete über 50 Millionen Franken. Seither ist Ambri-­Piotta mit der Amortisation beschäftigt. «Ajoie und Langnau haben ihre Hallen von der Gemeinde bezahlt bekommen. Wir mussten diese Investition selbst tätigen», sagte Paolo Duca mit Verweis auf die anderen beiden Dorfvereine in der höchsten Spielklasse. Im Gegensatz zu den Jurassiern und den Emmentalern ist den Ticinesi indes ein formidabler Auftakt ins neue Championat geglückt. Die Squadra nistet sich nach einem knappen Viertel der Qualifikation im oberen Tabellendrittel ein. In der Leventina wissen sie jedoch, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

5200 Saisonabonnemente

Punkto Publikumszuspruch steht der HC Ambri-Piotta hoch im Kurs: 5200 Saisonabos hat er heuer verkauft – nahezu eine Verdoppelung gegenüber früher. Die Gottardo Arena umfasst 6775 Plätze. Und das ist eine kleine Pointe, weil es die ­Postleitzahl der Gemeinde abbildet. Gewinnt die Heimmannschaft, intonieren die Fans «La Montanara». Das melancholische ­Berglerlied ist seit Jahrzehnten die Hymne Ambris.

«Unsere Stärken und Werte sind die gleichen: nicht aufgeben, kämpfen, aufstehen. Sie müssen bleiben.»

Luca ­Cereda

Eine Ahnung davon weht auch durch die Generalversammlung der Kadetten Schaffhausen. Wenn Paolo Duca und Luca Cereda sprechen, hängen die Gäste an ihren Lippen. Ernsthaftigkeit und Humor wechseln sich im Dialog ab. Sportlich und kom­merziell steht der HCAP unterdessen auf grundsoliden Beinen. Dennoch betont ­Cereda: «Unsere Stärken und Werte sind die gleichen: nicht aufgeben, kämpfen, aufstehen. Sie müssen bleiben.» 1937 gegründet, ist der Club nach wie vor ein absolutes Unikum. Und weit mehr als das Salz in der Suppe der National League.

Kadetten: AG-GV im Eilzugstempo

Die offizielle Teil der Generalversammlung der Kadetten-Handball-AG dauerte nur etwa 20 Minuten. Die Rechnung 2021, die mit einem Plus von gut 32'000 Franken schliesst, haben die rund 70 anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre einstimmig genehmigt. Auch die Wiederwahl des sieben­köpfigen Verwaltungsrats war einstimmig. Es gibt keine Wechsel, Giorgio Behr bleibt Verwaltungsratspräsident.

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