Steuerregime unter Druck

Mark Liebenberg | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare

In einer kantonalen Abstimmungsvorlage entscheidet das Volk über eine Flexibilisierung der Unternehmenssteuersätze. Steuertrickserei oder eine notwendige Massnahme, um internationalen Standards zu genügen?

Herr Heydecker, mit der Steuergesetz­revision steht eine Flexibilisierung des ­Gewinnsteuersatzes zur Abstimmung für den Fall, dass ein globaler Mindeststeuersatz kommt. Wieso braucht es dieses ­Gesetz jetzt schon?

Christian Heydecker: Wir müssen davon ausgehen, dass globale Mindeststeuersätze kommen werden. Und wir wissen auch, dass dieser Mindestsatz bei ungefähr 15 Prozent liegen wird. Nicht klar ist, wann dies der Fall sein wird und wie viele Unternehmen, die in Schaffhausen eine Tochterfirma haben, davon betroffen sein werden. Es handelt sich um eine vorsorgliche Massnahme, damit wir gewappnet sind. Im Kern geht es ja um eine einfache Frage: Wo sollen die Unternehmen diese drohende Zusatzsteuer zahlen, im Ausland oder in Schaffhausen. Ich meine, lieber in Schaffhausen, dann haben wir auch etwas davon.

Es sei eine einfache Frage, Herr Lacher: Jene Unternehmen, die es wollen, sollen dem Kanton mehr Steuern zahlen dürfen. Das müsste Sie als Sozialdemokrat doch freuen, oder?

Stefan Lacher: Es ist eine grundsätzlichere Frage, die sich uns stellt: Wer bestimmt eigentlich, wie viel Steuern bezahlt werden müssen? Die Steuerfüsse werden vom Kantonsparlament festgelegt, von uns demokratisch gewählten Volksvertretern. Dieser Prozess wird untergraben, wenn Steuernzahlen plötzlich freiwillig wird. Freiwilligkeit und Steuern – das ist ein Paradoxon, das geht nicht auf.

lacher
«Freiwilligkeit und Steuern – das ist ein Paradoxon, das geht nicht auf.»
Stefan Lacher

Heydecker: Freiwillig mehr zahlen, das ist nicht das gleiche wie «freiwillig zahlen» … Der Punkt ist der: Wieso sollten diese Firmen die zusätzliche Steuer im Ausland ­bezahlen und nicht hier? Das ergibt für mich keinen Sinn!

Lacher: Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie hoch die Steuern sein sollen und darüber auch streiten. Aber wichtig ist, dass es demokratisch geregelt ist und für alle Unternehmen gleich gilt und nicht quasi willkürlich auf Wunsch festgelegt werden kann. Das ist mein Punkt.

Es wären ja Unternehmen mit sehr grossen Umsätzen betroffen, die in verschiedenen Ländern tätig sind und hier sogar nur eine Tochtergesellschaft haben. Im Kantonsrat wurde gesagt, das komme einer Steuertrickserei gleich und die Firmen sollten grundsätzlich Steuern dort zahlen, wo sie auch hauptsächlich ihr Geld verdienen. Was sagen Sie dazu?

Heydecker: Immer zu Beginn einer Legislatur legen wir Kantonsratsmitglieder ein Gelübde ab, das ich ernst nehme, nämlich dass es unsere Pflicht ist, die Wohlfahrt des Kantons Schaffhausen zu fördern. Jetzt frage ich Stefan Lacher, wie fördern wir die Wohlfahrt des Kantons mehr: indem diese Firmen die Zusatzsteuer im Ausland bezahlen, oder indem sie sie hier bezahlen?

Lacher: Ich nehme diese Gelübde auch ernst. Was mich stört, ist, dass wir mit der Gesetzesrevision tatsächlich ein wenig ein Buebetrickli einfädeln. Ganz grundsätzlich bin ich nämlich auch der Ansicht, dass Unternehmen ihre Gewinne dort versteuern sollten, wo sie sie erwirtschaften. Mir wäre lieber, wir wären ehrlich und würden sagen, wir besteuern bei uns im Kanton ­sofort auf dem Niveau dieses globalen Mindeststeuersatzes, dann müssten sich nämlich diese Unternehmen nicht Sorgen machen, vom Ausland belangt zu werden …

Heydecker: Das würde aber bedeuten, dass alle Firmen im Kanton statt der 12,5 Prozent plötzlich 15 Prozent bezahlen müssten, auch jene, die nur hier tätig sind. Auch der Schreinermeister und das Malergeschäft, die mit dem Ausland rein nichts zu tun haben!

Stefan Lacher: Es geht doch hier nicht um Malergeschäfte, mit den heutigen Steuersätzen zahlen die allerwenigsten Firmen eine Gewinnsteuer, und wenn, dann höchstens ein paar Hundert Franken. Klar müssen wir zu den KMUs Sorge tragen, denn sie bieten auch die meisten Arbeitsplätze im Kanton. Aber um die gehts hier überhaupt nicht.

Heydecker: Auch die internationalen Firmen bringen viele Arbeitsplätze in die Region. Als Verwaltungsratspräsident einer Bank kann ich dir aber versichern, dass eben auch sehr viele regionale KMU betroffen wären von höheren Gewinnsteuern. Das ist die Realität.

Gäbe man mit einem angehobenen Gewinnsteuersatz nicht den Trumpf aus der Hand, mit Schaffhausen im nationalen aber auch internationalen Vergleich ein sehr attraktiver Steuerstandort zu sein?

Lacher: Dieses «Race to the bottom» muss ja mal ein Ende haben. Mit 15 Prozent wären wir notabene immer noch am untersten Ende der dereinst neuen globalen Skala, auch innerhalb der Schweiz. Wir wären also immer noch steuerlich unter den ­attraktivsten Standorten der Welt.

Heydecker: Aber damit bestraft man alle anderen Unternehmen. Nein, das ist kein guter Weg. Wir sollten jetzt eine vorsorgliche Regelung treffen, genau so wie sie übrigens ein Dutzend andere Kantone ebenfalls beschlossen haben. Die Mindestsätze werden kommen. Nur so können wir ­sicherstellen, dass die Unternehmen die Steuern weiterhin bei uns zahlen statt in den USA oder sonst wo.

heydecker
«Nur so können wir ­sicherstellen, dass die Unternehmen die Steuern weiterhin bei uns zahlen statt in den USA oder sonst wo.»
Christian Heydecker

Schaffhausen hat jahrelang mit tiefen Steuersätzen internationale Firmen in den Kanton gelockt. Fast die Hälfte der Steuereinnahmen der juristischen Personen stammt mittlerweile von diesen Firmen. Jetzt gerät das System unter Druck. Ist es nicht auch ein Klumpen­risiko, das man so eingeht?

Heydecker: Mit der Staf-Umsetzung haben wir dafür gesorgt, dass diese sogenannte Statusgesellschaften den gleichen Satz ­bezahlen wie alle anderen, und also keine Sonderbehandlung mehr erhalten. Und ja, sie zahlen hier die Steuern. Ist das ein «Klumpenrisiko»? Was ist die Alternative? Ihnen den Zuzug verwehren? Ich finde, man sollte besser pfleglich mit diesen Unternehmen umgehen. Die Firmen und ihre Mitarbeiter, die übrigens zum Teil ebenfalls hier Steuern bezahlen, sind ein Glücksfall. Und: Wir haben ja nicht nur unseren Steuerfuss zu bieten, sondern auch gut ausgebildetes Personal, Rechts­sicherheit, hohe Lebensqualität.

Lacher: Schaffhausen hat Firmen tatsächlich einiges zu bieten, nicht nur einen tiefen Steuerfuss. Ich sehe aber schon ein Klumpenrisiko, wir begeben uns in eine gewisse Abhängigkeit von diesen Unternehmen. Eines Tages werden diese für den Kanton wohl «too big to fail», wie man so schön sagt: Es geht ohne sie nicht mehr. Wenn wir jetzt schon Steuern flexibilisieren, wer ­garantiert dann, dass sie nicht drohen ­abzuwandern, wenn der Kanton nicht noch etwas mehr runtergeht mit den Steuern?

Heydecker: Das ist etwas gar viel Spekulation. Tatsache ist, diese Firmen tragen mit ihren Steuern zur Wohlfahrt des Kantons bei. Wenn wir dafür sorgen können, dass sie ihre Steuern weiterhin bei uns zahlen oder in den USA oder sonst wo, dann sollten wir das tun. Das verstehe ich unter dem ­Gelübde, das ich als Kantonsrat abgegeben habe.

Lacher: Schon wieder dieser unterschwellige Vorwurf, ich wolle dem Kanton schaden. Das stimmt einfach nicht. Aber es wäre ehrlicher, man sagt zu internationalen Firmen: Hier gelten unsere Spielregeln, wir besteuern euch so und so und an diesen Sätzen kann man nicht nach Belieben schrauben.

Danke Ihnen beiden für das Gespräch.

Abstimmung am 28. November: Darum geht es

Der Kanton Schaffhausen hat im internationalen Vergleich einen ­tiefen Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent. Die mächtigen Indus­trienationen, die in der Regel mehr Gewinnsteuern verlangen, wollen nun globale Mindestsätze für umsatzstarke, international tätige Firmen festlegen. Diese dürften bei rund 15 Prozent liegen: also höher als in Schaffhausen. Wenn eine internationale Firma in Schaff­hausen ansässig ist, kann sie sich heute entscheiden, ihren ganzen Gewinn hier zu versteuern. Wenn der ­globale Mindestsatz kommt, dann könnten die anderen Länder der Firma Zusatz- oder Strafsteuern bis in die Höhe des Mindestsatzes abverlangen. Um zu verhindern, dass diese Unternehmen dann gleich in das andere Land ­abwandern, will der Kanton seine Steuersätze flexibilisieren. Betroffene Firmen sollen freiwillig den­jenigen Steuersatz zahlen dürfen, der aus der Sicht des anderen Staats akzeptabel ist. Das wären also zum Beispiel die 15 Prozent statt der 12,5. Damit müsste die Firma weiterhin nur an einem Ort Steuern zahlen, nämlich in Schaffhausen. (lbb)

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren