Kommunikator, Motivator und Taktikfuchs

Darf ein Challenge-League-Coach direkt zum Nationaltrainer aufsteigen? Die Inthronisierung von Murat Yakin zum obersten Fussball-Lehrer der Schweiz war auch mit reichlich Skepsis verbunden. Doch der 47-Jährige hat bewiesen, welch facettenreicher Trainer er ist.
Nicht allerorten kam die Ernennung von Murat Yakin zum Schweizer Nationaltrainer gut an. «Wie kann man einen Challenge-League-Coach zum Nationaltrainer befördern?», fragte sich Ex-FCS-Coach Maurizio Jacobacci – und merkte an: «Die wichtigste Aufgabe wird es sein, alle mit ins Boot zu nehmen. Auch die welschen und Italienisch sprechenden Spieler. Da hat Murat ein Problem, meines Wissens nach spricht er weder Italienisch noch Französisch.» Doch Yakin hat bewiesen: Er hat die (kommunikative) Stärke, innert kürzester Zeit das Team hinter sich zu scharen …
Der Kommunikator …
Yakin spricht nur gebrochen Französisch und versteht ein bisschen Italienisch. Aber dennoch hat er schon nach kurzer Zeit das komplette Team von sich und seinen Ideen überzeugt. Ein Beispiel hierfür ist Xherdan Shaqiri. Unter Petkovic war der 30-Jährige schon mal der Nationalmannschaft ferngeblieben wegen kommunikativer Störungen. Unter Yakin spielt Shaqiri nun wieder gross auf. Und vor allem präsentiert er sich als Führungsspieler. Wie hat Yakin das hinbekommen? Durch seine Art, mit den Spielern zu sprechen. Ob mit einem Star wie Shaqiri oder mit etwas weniger prominenten Spielern vormals beim FC Schaffhausen. Wenn Yakin etwas sagt, hören die Spieler genau hin. Immerhin war der 47-Jährige selbst Nationalspieler. Aber vor allem strahlt er eine extreme Präsenz aus. Und genau diese Ansprache hat es auch beim Nationalteam gebraucht, um nach einer starken EM nicht in Selbstzufriedenheit zu verfallen.
Der Taktikmeister …
Yakin ist kein Trainer, der seine Mannschaft in Schönheit «sterben lässt». Er hat immer das Ergebnis im Sinn. Sprich: Er will immer gewinnen. In Schaffhausen liess er auch schon mal eine defensive Fünferkette spielen. Ein knorziger 1:0-Sieg? Ist ihm allemal lieber als eine Niederlage nach Hurra-Fussball. Was aber nicht bedeutet, dass Yakin kein Fussballästhet ist. In der Nationalmannschaft kann er nun sein feines Gespür für taktische Kniffe noch besser ausleben. Als sieben Stammspieler beim Spiel in Italien fehlten, mauerte er nicht etwa, sondern schickte Offensivpower auf das Feld. «Murat hatte schon als Spieler und nun auch als Trainer ein grosses taktisches Volumen», sagt Ex-Nationalcoach Rolf Fringer. Nach sieben Jahren Vladimir Petkovic war der Zeitpunkt ideal, einen Taktikfuchs zu verpflichten, der aus den Spielern noch mehr herausholen kann.
Der Motivator …
«An seinen fachlichen Qualitäten zweifle ich nicht. Auch als Persönlichkeit hat er das Zeug zum Nationaltrainer», findet auch Jacobacci positive Attribute. Denn was Yakin sehr gut kann: Seine Mannschaften motivieren. Seine Aura strahlt eine gewisse Arroganz aus – zumindest auf den ersten Blick. Kommt man mit Yakin ins Gespräch, wird aber schnell ersichtlich, dass er sich viele Gedanken macht, nicht nur über den Fussball. Beim FC Schaffhausen war er nicht nur Trainer, sondern kümmerte sich auch um Sponsoren, war eine Art Sportchef und auch ein bisschen Geldgeber. Er hatte Ziele, wollte viel bewegen und alle im Verein motivieren. Klar: Yakin ist auch ein Geniesser, einer Runde Golf ist er nie abgeneigt. Aber wenn er Projekte und Ziele hat, dann verfolgt er diese mit Nachdruck und Einsatz. Probleme bekommen dann nur die, die nicht mitziehen – und vor allem keine Motivation haben. Für Yakin ist Fussball Leidenschaft und Wille. Und: Selbst wenn zahlreiche Stammspieler zuletzt verletzt fehlten, es gab kein Lamentieren, keine Ausreden wurden gesucht. Sondern nur voller Fokus auf die nächste Aufgabe. Und die als Ersatz geholten Spieler wurden starkgeredet, ein wichtiger Punkt bei den Erfolgen zuletzt.
Der Glückliche …
Nicht unterschlagen sollte man den Aspekt, dass die Schweiz auch Glück hatte in der WM-Qualifikation. Dass Italiens Jorginho, eigentlich ein sicherer Penaltyschütze, sowohl im Hin- als auch im Rückspiel einen Elfmeter verschiesst, kommt nicht so oft vor. Doch schon beim FCS sagte Yakin stets: «Glück muss man sich erarbeiten.» Yakin wirkt als Trainer eigentlich gefasst. Doch innerlich brodelt es immer wieder. Vergisst ein Spieler den Matchplan oder macht ständig den gleichen Fehler, wird der 47-Jährige auch mal ungemütlich. «Wer auf mich hört, hat Erfolg», sagte er als Schaffhausen-Trainer mal lapidar. Aber er ist auch dankbar, «ich weiss um das Glück, dass ich sowohl Profi und nun auch als Trainer tätig sein darf», gibt sich Yakin auch demütig.
Der Geniesser …
Yakin verlangt von seinen Spielern im Training und in den Spielen immer eine komplette Fokussierung. Wenn es auf den Platz geht, ist bei ihm vorbei mit lustig. Nach der Arbeit kann Yakin aber auch das Leben geniessen. Gerne spielt er Golf, verbringt Zeit mit seiner Frau und den zwei Töchtern, auch zu einem guten Essen und einem Stückchen Schokolade sagt er nicht Nein. Der 47-Jährige findet es auch wichtig, dass seine Spieler auch mal an etwas anderes denken als nur an Fussball. So unternahm das Nationalteam schon kurz nach seiner Inthronisierung einen Ausflug in den Zirkus. «Fussballer brauchen auch mal Abwechslung», ist das klare und erfolgreiche Credo von Yakin.