Zwei Nachwuchskünstler der Spitzenklasse

Im vierten und letzten Konzert des Konzertzyklus in der Hochrheinhalle Gailingen war ein phänomenales Duo mit Violoncello und Klavier zu Gast. Vor dem Konzert wurde an der Mitgliederversammlung des Fördervereins bereits das Jubiläumsprogramm von «35 Jahre Kammermusik am Hochrhein» im nächsten Jahr bekannt gegeben.
von Gisela Zweifel-Fehlmann
Die junge, allerliebst anzusehende Russin Anastasia Kobekina gilt mit ihren 27 Jahren als eine der vielversprechendsten Cellistinnen ihrer Generation. Sie war auf der Durchreise vom spanischen León, wo sie tags zuvor das Haydn-Cellokonzert gespielt hatte, und gastierte in Gailingen vor ihrem Auftritt am folgenden Tag in Paris. Der 30-jährige Jean-Sélim Abdelmoula stammt aus der Welschschweiz und hat bereits ein hohes, internationales Renommee als Konzertpianist und Komponist.
Nach dem Motto der diesjährigen Konzertreihe spielten sie am Sonntagabend französische und russische Kammermusik mit Werken von Claude Debussy, Dmitri Schostakowitsch, Paul Juon und César Franck. Sie fesselten ihr Publikum ohne Theatralik, sentimentales Pathos oder aufgesetzte Allüren und spielten mit vollendetem Können, glutvollem Temperament so- wie tiefer Verinnerlichung und Sinn für schönen Klang und feinste Nuancierungen.
Anspruchsvolle Darbietungen
Höchste Anforderungen an die Künstler und Zuhörer stellte Debussys späte Cellosonate aus dem Jahr 1915, eine eigenwillige, kontrastreiche Komposition ohne eingängige Motivik oder elegante Klangteppiche, wie sie sonst für den Stil der französischen Impressionisten typisch sind. Die beiden Solisten lebten sich intensiv ein in die sperrige Klanglichkeit der Ganztonleiter des Tritonus im Übergang zwischen Dur und Moll. Als ebenso komplexe Musik entpuppte sich die Cellosonate d-Moll, op. 40 (1934) von Dmitri Schostakowitsch auf der Grenze zwischen Tradition und Moderne.
Die zwei musizierten kongenial auf Augenhöhe – keine Rede von führendem Melodie-Instrument und sekundierender Klavierbegleitung! Mit Leidenschaftlichkeit, hoher Virtuosität und rhythmischer Prägnanz entstanden wunderbare Synergien. Eine verzweifelt zugriffige Heiterkeit mit düsterem Unterton auf der Suche nach gefühlvoller Empfindsamkeit widerspiegelte den inneren Zwiespalt des Komponisten im totalitären kommunistischen System der damaligen Sowjetunion. Das Werk forderte auch beim Zuhören höchste Konzentration und Bereitschaft, sich darauf einzulassen.
Ganz anders der zweite Teil des Programms: Schönheit pur zum entspannten Schwelgen und Zurücklehnen. «Märchen», op. 8, eine kurze Komposition des Auslandschweizers Paul Juon, der im zaristischen Moskau aufwuchs, dort als Musiker und Komponist Karriere machte und in den letzten Lebensjahren zu den Wurzeln seiner Vorfahren in die Schweiz zurückkehrte, entzückte durch ihren hochromantischen, beseelten Erzählton, der an Träumereien Schumann’scher Empfindsamkeit erinnerte. Ebenso beglückend erklang die gewichtige, spätromantische Violinsonate in A-Dur (1886) von César Franck in einer Fassung für Cello und Klavier. Hier vereinigten sich schwelgerischer Wohlklang mit melodiöser Gesanglichkeit, stürmische Leidenschaftlichkeit im Wechsel mit zarter Versonnenheit, pianistisch wirkungsvolle Virtuosität mit sichtlicher Spielfreude beider Künstler zu einer grossen Schlusssteigerung. Der Applaus des begeisterten Publikums kam aus tiefstem Herzen.