«Wo de Chlütter lockt, kei Moral meh hockt»

Schaffhauser Nachrichten | 
Noch keine Kommentare
Rolf Marti gab Einblicke in alle Freuden und Leiden der Welt.Bild: Margrith Pfister-Kübler

Mit seinen Berner Chansons eroberte Rolf Marti am Samstagabend in der Kunstschüür in Stein am Rhein das Publikum. Er beeindruckte – spontan, unverblümt und schlagfertig.

von Margrith Pfister-Kübler

stein am rhein.Der Andrang war gross am Samstagabend in der Kunstschüür bei Verena Bügler. Bevor der Troubadour mit seiner Gitarre zündende Chansons und Geschichten servieren durfte, mussten zusätzliche Stühle aufgestellt werden. Die mustergültige Business-Typ-Erscheinung Rolf Marti verneigte sich smart und artig, bekam subito grossen Vorschuss-Applaus. Er plauderte los, erzählte von sich und sagte: «I ha es Talent, wo niemer würkli schätzt.» Spontan und unverblümt gab er durch, was seine Einblicke in den Saft, die Kraft und das Wissen um das Leben seien. Zwischenruf aus dem Publikum: «Du redsch zschnäll für en Bärner.»

Kritisch, schalkhaft, wortgewandt

Und schon verwob Marti erneut wie aus einem biogeölten Mundwerk Gesang mit Gitarrenklängen, sang mit warmer Innerlichkeit vom «Drama vom chlyne Glück». Die Geschichte vom Unglücklichen, der durch Glück an einer Stange über einer Brücke hängen blieb und so überlebte. Das Publikum hing an seinen Lippen, spürbar lauschend. «Gopferteli», unter diesem Titel lief der Abend. Differenziert sang Marti von der Liebe, welche nicht immer einfach sei. Zupfte an den Saiten ein Schlagmuster. So gelang es ihm, das Publikum mit- zunehmen auf die Intercity-Zugfahrt Bern–Zürich mit sturen Gesichtern. Realistische Empfindsamkeit offenbarte er, sich dabei kaum bewegend, darüber, wie man sich zu inszenieren habe, um Nationalrat zu werden. Permanent werde da geredet, aber nichts gesagt, fesselnd seien nur die Kapriolen. Im Saal schien fast jeder Kopf mitzunicken, als es um Trauma, Karma, Psychologie bis zur Bank ging, «wo dä Chlütter lockt, kei Moral meh hockt». Schlagfertig ging es weiter mit der Logik der Marktwirtschaft, wo ganz ernst die Werbung sogar fürs Sterben wirbt.

Geschrieben hat Rolf Marti all seine Texte selbst. Sein aussergewöhnlich kritischer und schalkhafter Blick war selbst hinter der Brille sichtbar. Er brachte auf den Punkt, weshalb das Mittelmass letztlich zufrieden macht. Marti führte das Publikum quer durchs Leben und gewährte sogar einen Einblick in seine Seele. Tosenden Zwischenapplaus gab es für sein Gedicht «Erfolgreich – wenn auch mässig. Letzten Endes: Uns geht es gut. Wenn es auch etwas besser gehen könnte.» Die sprachliche Versiertheit – zwischendurch auch auf Schriftdeutsch – und die virtuose Spielweise, mal mit emotionalem Tief, mal leicht schräg und ironisch, berührte das Publikum. «Gibt es das Ganze auch auf Englisch?», wollte ein Besucher wissen. Englisch sei leichter zu verstehen als Berndeutsch.

Mit «Grüble», «Frösch» bis «Rose» wurde das Repertoire ausgeweitet. Nicht nur die Reihenfolge der Geschichten quer durchs Leben mit atmosphärischer Gitarrenbegleitung traf den Nerv des Publikums. Sein Lied über seine «Giele», seine drei Söhne, über die Pubertät und das Loslassen mit «Du findsch de Weg allei» löste Bravorufe aus. Auch die Lieder von den tragisch-komischen Seiten der Liebe, die verpassten Gelegenheiten des Herrn «Schüüch» bis zum Wiedersehen nach 35 Jahren mit einer Jugendliebe oder «fade- grad ins Verderben laufen» ergaben ein faszinierendes Mosaik. Als Hommage an Mani Matter setzte Marti mit «Karibum» ein Stimmungshoch zum Mitsingen. Die Bravorufe wurden mit drei Zugaben belohnt.

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren