Dank App günstig essen und gegen Foodwaste ankämpfen

Von der App «Too Good To Go» profitieren sowohl Gastronomen wie auch Sparfüchse. Vor Ladenschluss eine günstige Mahlzeit abzuholen, tönt verlockend, wird in Schaffhausen aber noch kaum gemacht.
Gipfeli und Brötchen aus Rafz
Rund um die Stadt Schaffhausen ist die «Too Good To Go»-Karte so gut wie leer. Erst im 18 Kilometer entfernten Rafz findet sich das nächste Angebot. Thomi’s Bäckerei in Rafz ist ebenfalls Teil der wachsenden Community. Die Gründe sind natürlich auch hier ähnlich. «Es ist einfach schade so viel wegzuwerfen», sagt Christina Bürgisser. Drei Portionen mit Brot, Sandwichs und Wähe bietet die Bäckerei pro Tag an. Sieben Tage die Woche. Davon werden im Schnitt pro Woche zehn Portionen abgeholt. Aber wieso wird eigentlich nicht einfach weniger produziert? «Es ist unglaublich schwierig, abzuschätzen, was wir an einem Tag verkaufen, manchmal essen dir die Leute an einem Morgen alle Gipfeli weg und am nächsten Morgen hat niemand mehr Lust auf Gipfeli», erklärt Christina Bürgisser. Die Kunden, die «Too Good To Go»-Kunden würden sich aber jeweils sehr über die Pakete freuen, die sie abholen kommen. «Wir haben ein Pärchen, das regelmässig kommt, aber sonst kommen ganz verschiedene Leute aus der Region und nicht nur von Rafz», sagt Bürgisser schmunzelnd.
Es ist 18.30 Uhr. Wir stehen vor dem Caffè Spettacolo auf dem Schaffhauser Fronwagplatz. Das italienische Café schliesst bereits in einer halben Stunde. Doch wir sind nicht gekommen, um uns dem Dolce Vita hinzugeben. Wir sind hier, um unser stark vergünstigtes Abendessen abzuholen, das wir mit Hilfe der «Too Good To Go»-App vor einigen Stunden bestellt haben.
Seit Juni 2018 gibt es die Anti-Foodwaste-App «Too Good To Go» auch in der Schweiz. Schnäppchenjäger können damit bei teilnehmenden Gastronomiebetrieben mit wenigen Klicks Essen bestellen, das sonst weggeworfen wird. Das System ist einfach. Über die App können Restaurants, Bäckereien, Cafés, Hotels und Supermärkte ihr überschüssiges Essen zu einem stark reduzierten Preis an Selbstabholer anbieten. Kurz vor Betriebsschluss kann das bestellte Essen dann in einem vorgegeben Zeitrahmen abgeholt werden. Bezahlt wird direkt über die App.

Das einfache Konzept und die Win-Win-Situation für alle Beteiligen erklären den grossen Erfolg der App. Seit der Markteinführung 2016 nutzen sie 7,5 Millionen Nutzer in neun europäischen Ländern. Dem gegenüber stehen 15‘000 Gastronomiebetriebe, die mit Hilfe der App einen Teil ihrer überschüssigen Ware loswerden. Auch in der Schweiz haben sich bereits über 850 Betriebe der Bewegung angeschlossen, wie Delila Kurtovic, Marketingverantwortliche der Schweizer Tochtergesellschaft erklärt. «Für die Betriebe hat eine Zusammenarbeit mit uns nur Vorteile, es gibt keine vertragliche Bindung. Sie verdienen an den verkauften Portionen und müssen weniger Lebensmittel wegschmeissen».
In Schaffhausen kaum bekannt
In der Region Schaffhausen sind die Vorteile der Anti-Foodwaste-App aber noch nicht ganz angekommen. Neben dem Caffè Specctacolo ist in der Stadt Schaffhausen nur die Mensa der Kantonsschule Schaffhausen mit dabei. Für den dortigen Küchenchef Peter Spörndli ist die Arbeit mit der App eine Erfolgsgeschichte. Seit dem vergangenen Herbst ist er dabei und bietet fünf Mal die Woche vier Mittagsmenü an. «Ich finde es schade, das Essen wegzuwerfen, daher finde ich das eine sehr sinnvolle Sache», sagt Spörndli. Nach einer gewissen Anlaufszeit werden nun fast alle Menüs abgeholt. «Wir haben zwar zwei drei Stammgäste die immer wieder kommen, grundsätzlich sind es aber ganz verschiedene Leute», erklärt der Küchenchef. Im Angebot sind die Menüs der Kanti-Mensa stets variabel. «Es gibt das, was übrig bleibt», so der Küchenchef. Der niedrige Preis bringt keinerlei Qualitätseinbussen mit sich, wie Peter Spörndli versichert. «Ich möchte hinter dem Angebot, dass ich verkaufe, stehen können. Rüebli, die drei Stunden warmgehalten wurden, biete ich natürlich nicht mehr an.» Geschätzt wird in der Kanti-Mensa auch die Flexibilität der App. Wenn mal etwas mehr Resten übrig bleiben, sei die Portionenanzahl schnell angepasst. «Eigentlich schade machen in Schaffhausen so wenige Betriebe mit», sagt Spörndli.
Bedenken beim Präsidenten von Gastro Schaffhausen
Doch wieso ist die App in Schaffhausen noch nicht wirklich angekommen? Wir machen uns auf Spurensuche. Gastro Schaffhausen Präsident Renato Pendroncelli. hört bei unserem Anruf zum ersten Mal von der App «To Good To Go». Grundsätzlich würde er die Bemühungen zur Verringerung von Lebensmittelverschwendungen begrüssen, sehe in der App aber auch gewisse Gefahren für die Gastronomen. Wenn da jeder mitmachen würde, hätte man bald 500 solche günstige Menüs im Angebot, sorgt er sich um die Wertschätzung der Gastronomie. Auch beim Punkt Lebensmittelhygiene hat Pendroncelli so seine Bedenken: «Nehmen wir mal an, dass ich Sushi – das unbedingt frisch sein muss – am Abend um zehn Uhr über die App verkaufe, der Kunde das Sushi aber nicht sofort, sondern erst spät in der Nacht oder am nächsten Tag isst, kann dieses schon nicht mehr geniessbar sein». Das könne dann auf den Gastronomen zurückfallen. Diese müssen selbst entscheiden, ob sie eine solche Zusammenarbeit eingehen. «Da könne Gastro Schaffhausen als Verband nicht helfen».
Baldiger Ausbau in Schaffhausen geplant
Bei dem Team hinter der App teilt man diese Befürchtungen nicht. «Wir vertrauen in unserer Partnerbetriebe, denen die Frische der verkauften Produkte wichtig ist», erklärt Delila Kurtovic. Sie habe noch nie einen Fall erlebt, bei welchem sich ein Kunde über zu wenig frisches Essen beklagt hätte. Geht es nach Kurtovic werden die Schaffhauser Schnäppchenjäger bald noch viel mehr Möglichkeiten haben. In den nächsten Wochen ist ein Team von «Too Good To Go» nämlich auch in Schaffhausen unterwegs und versucht verschiedene Betrieben von der App zu überzeugen. «Wir sprechen mit möglichst viel Gastronomen persönlich, jeder Betrieb der am Abend Lebensmittel wegwerfen muss – egal ob Bäckerei, Café oder Restaurant – ist für uns interessant», sagt Delila Kurtovic. Für die Betriebe sei die App gratis. Vierteljährlich werden die aus den verkauften Portionen erwirtschafteten Beträge überwiesen.
150'000 gerettete Mahlzeiten in der Schweiz
18.35 Uhr - Zurück auf dem Fronwagplatz. Wir stehen wieder draussen an der frischen Luft. In der Hand ein Sack voller Köstlichkeiten. Bezahlt haben wir dafür rund ein Viertel des eigentlichen Warenwerts.

Bei der Valora Management AG, zu der die Spettacolo-Kette gehört, ist man mit dem Absatz in Schaffhausen zufrieden. «Die Verkaufsstellen von Caffè Spettacolo in Zürich, Basel und Lausanne sind Spitzenreiter, diejenige in Schaffhausen liegt im Mittelfeld», erklärt der Presseverantwortliche Martin Zehnder. Mit dabei sei man seit Anfang Jahr. In Schaffhausen wurden seither rund 60 Tüten mit italienischen Spezialitäten verkauft. Schweizweit rund 3500.
Im Februar hat «To Good To Go» in Europa den Meilenstein von 10 Millionen «geretteten» Mahlzeiten erreicht. Bis zum gleichen Zeitpunkt waren es auch in der Schweiz bereits 150‘000 verkaufe Portionen. Wenn die Community hinter der App weiterhin so stark wächst, wird «To Good To Go» wohl auch in Schaffhausen bald zum Alltag vieler gehören.