Weil man nur schützen kann, was man kennt




Der brasilianische Künstler Paulo Lindner stellt den Naturschutz ins Zentrum seiner bunten Werke. In einem Workshop macht er seine Ausstellung im Vebikus für Schaffhauser Kinder zugänglich.
von Marielle Heeb
«Kommt, wir machen einen Tatzelwurm», ruft Anna Ninck am Eingang der Kunsthalle Vebikus, «ich bin der Kopf davon.» Sie ist Kunstvermittlerin und führt heute 15 Kinder durch die Ausstellung «Natur. Was sonst?». In einer langen Einerkolonne steigt die Gruppe die Wendeltreppe hinauf. Dort wartet der brasilianische Künstler Paulo Lindner höchstpersönlich, um von seinen ausgestellten Kunstwerken zu erzählen.
Auf Einladung des Vereins Partnerschaft Schaffhausen-Joinville bezog er im November ein Atelier in der Kammgarn West. Seit drei Monaten schafft er dort mit Pinsel und Farbe ein kleines Stück Brasilien in Schaffhausen. Bis zur Finissage am Sonntag sind seine Werke im Vebikus zu sehen. «Uns ist wichtig, dass diese Partnerschaft nicht nur auf dem Papier besteht, sondern auch etwas bewirkt», sagt Dieter Hafner, der Projektleiter des Austauschs. Führungen und Workshops wie dieser sollen die Kultur und die Aussagen hinter der Kunst für alle erlebbar machen.
In seiner Heimat Joinville setzt sich Lindner für die Vermittlung des Umweltschutzes in Schulen ein. Dieses Anliegen trägt er auch nach Schaffhausen. Seine farbenfrohen, fast schon leuchtenden Kunstwerke bilden den Atlantischen Regenwald ab: Umrisse von Gürteltieren, Schlangen und Tukanen zieren die Wände. Andeutungen urbaner Siedlungen deuten das Zusammenspiel von Mensch und Natur an. «Wer den Regenwald nicht kennt, der liebt ihn nicht und kann ihn nicht schützen», ist Lindner überzeugt.
«Wer von euch malt gerne?»
In seiner Daunenjacke, die an einigen Stellen einer gebrauchten Farbpalette ähnelt, stellt er sich vor die Traube neugieriger Kinder. «Guten Tag», beginnt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. «Leider spreche ich nicht so gut Deutsch.» Dann wechselt er zu Portugiesisch, schliesslich ist mit Graça Tanner eine Übersetzerin vor Ort. In einem Wechselspiel von Zuhören und Wiedergeben erzählen die beiden von den Tieren des Regenwalds und deren bedrohtem Lebensraum. Doch wie der Name «Workshop» bereits sagt, steht an diesem Nachmittag nicht nur Zuhören auf dem Programm: «Wenn man mit Kindern arbeitet, ist es wichtig, die Spannung immer aufrechtzuerhalten», sagt Kunstvermittlerin Ninck, die regelmässig Führungen für Kinder, aber auch Erwachsene anbietet.
«Wer von euch malt gerne?», fragt Lindner deshalb in die Runde. Schnell wird die Frage von Tanner übersetzt. 15 Kinderhände schiessen in die Höhe, der Lärmpegel im kahlen Raum steigt. Im Nebenraum sind bereits Farbstifte, Kreide und viele Arbeitsplätze bereit. Gemeinsam solle ein grosses Urwaldbild entstehen, erklärt Ninck. Während die Kinder je ein Fantasietier des Atlantischen Regenwalds abzeichnen dürfen, gestaltet Lindner auf einem riesigen Blatt Papier den Wald für die Tiere. «Möglichst bunt» sollten die verschiedenen Tiere sein, ergänzt Ninck schnell – das lassen sich die Teilnehmer nicht zweimal sagen. Weitere Hinweise der Kursleiterin erreichen nicht mehr alle Kinderohren. Schnell werden ausgelegte Tierfotos als Vorlage ausgewählt, bevor sie jemand anderes wegschnappen kann.
Der achtjährige Vitus hat sich für das Riesengürteltier entschieden. Konzentriert zeichnet er es mit blauer Farbe ab. Langsam kehrt im Raum wieder Ruhe ein, alle haben ein Foto ausgewählt und einen Platz gefunden. Die Kinder scheinen von der Arbeit ganz absorbiert. Für die Viertklässlerin Freda ist das Gestalten das Highlight des Workshops: «Am liebsten zeichne ich selbst.» Trotzdem sei sie fasziniert von Lindners Kunstwerken. «Mit gefallen seine Bilder – sie sind so aussergewöhnlich bunt», sagt sie, während sich auch ihr Blatt nach und nach mit Farbe füllt.