«Der Stadtpräsident hat damit Interna veröffentlicht»

Grossstadtrat Till Hardmeier (FDP) erwägt ein Strafverfahren gegen den Schaffhauser Stadtpräsidenten Peter Neukomm. Wir haben nachgefragt, warum.
Bei seiner Stellungnahme zum Postulat «Zusammenführung von SH Power und EKS AG ernsthaft prüfen!» von Mariano Fioretti (SVP) nannte Stadtpräsident Peter Neukomm (SP) am Dienstag im Grossen Stadtrat verschiedene Kooperationsprojekte zwischen den beiden Firmen. Dazu liess er unter den Parlamentariern eine entsprechende Liste verteilen. Dies sah Grossstadtrat Till Hardmeier (FDP) als problematisch an. Er kündigte an, ein Strafverfahren gegen den Stadtpräsidenten zu erwägen.

Herr Hardmeier, was hat Sie am Votum von Peter Neukomm gestört?
Till Hardmeier: In der Organisationsverordnung der Städtischen Werke gibt es einen Artikel 16 zur Geheimhaltungspflicht. Dort heisst es: «Die Mitglieder der Verwaltungskommission […] sind grundsätzlich über alle Angelegenheiten, von denen sie im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung für die Städtischen Werke Schaffhausen Kenntnis erhalten, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Art. 293 Strafgesetzbuch). Sitzungsprotokolle der Verwaltungskommission sind vertraulich zu behandeln.» Damit wird gesagt, dass alles, was in der Verwaltungskommission (VK) behandelt wird, vertraulich oder sogar geheim ist – ausser man würde entscheiden, dass man etwas kommunizieren darf. Die Liste, die Peter Neukomm verteilen liess, wurde an einer Sitzung der VK abgegeben. Also wurden hier vom Stadtpräsidenten Interna an die Öffentlichkeit getragen. Das habe ich gehört und mich zu Wort gemeldet, denn aus meiner Sicht ist das nicht in Ordnung.
Bei der Liste ging es um Kooperationsprojekte zwischen SH Power und EKS. Enthält diese Liste inhaltlich brisante Punkte, oder ging es Ihnen formal um die Geheimhaltung?
Diese Einschätzung ist schwierig. Auf der Liste sind auch Projekte, die erst andiskutiert wurden. Es ist kein Weltuntergang, wenn dies öffentlich wird, es ist aber sicher formell nicht korrekt. Und es könnte Verhandlungen erschweren, wenn ein Projekt zu früh veröffentlicht wird. Die Chefs der beiden Firmen sollten unter vier Augen frei miteinander reden können. Wenn die Öffentlichkeit und die Mitarbeiter davon wissen, kann Druck entstehen. Es ist taktisch nicht geschickt.
Gibt es hier ein Beispiel, etwa das Projekt zum Smart Metering, wo man noch im Verhandlungsprozess steckt?
(lacht) Genau das ist das Problem: Ich darf wegen der Geheimhaltung nicht darüber reden. Ich kann Ihnen keine Details verraten, sonst mache ich dasselbe wie der Stadtpräsident.
Wie wäre Peter Neukomm korrekt vorgegangen – hätte er seine Stellungnahme vorher mit der VK absprechen müssen?
Der Vorstoss betrifft Geschäfte der VK. Es wäre sicher sauber gewesen, wenn er die Stellungnahme vorher dort eingebracht hätte. Man hätte dort diskutieren müssen, welche Informationen öffentlich gemacht werden und welche nicht. Eigentlich ist mit dem Postulat ja nur ein Prüfauftrag verbunden. Es reicht, wenn der Stadtrat sagt, ob er diesen entgegennehmen will oder nicht. Der Stadtpräsident hat am Dienstag schon viele Antworten gegeben, die eigentlich erst nach einer Überweisung des Postulats notwendig wären.
Er hat hier also vorgegriffen?
Ja. Es ist ja kein Geheimnis, dass Peter Neukomm als Sozialdemokrat einer Fusion oder einer anderen Organisationsform kritisch gegenübersteht. Er will, dass die Werke vollständig bei der Stadt bleiben. Manchmal schlägt er damit aber auch Türen zu möglichen Kooperationen zu, welche dem Betrieb etwas bringen würden und auch für die linken Parteien akzeptabel wären.
Sie würden also die Prüfung einer möglichen Zusammenführung begrüssen?
Ja, im Strombereich ist es einfach so, dass die Haushalte primär aus historischen Gründen von unterschiedlichen Anbietern beliefert werden. Das könnte man sicher anders machen. Etwa beim Thema Smart Metering macht es sicher Sinn, dass nicht beide Firmen eigene Computersysteme aufbauen. Hier ist eine Kooperation aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll.
Zurück zur Sitzung vom Dienstag: Werden Sie nun eine Strafanzeige gegen Peter Neukomm einreichen?
Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen. Ich habe bereits einige Gespräche geführt mit Politikern und Juristen. Die Sachlage ist nicht ganz klar. Im zitierten Artikel ist ja das Wort «grundsätzlich» enthalten, was einen gewissen Interpretationsspielraum eröffnet. Ich werde die Frage der Anzeige also einerseits mit meiner Fraktion besprechen, andererseits aber auch noch die anderen VK-Mitglieder befragen. Das wird noch einige Wochen dauern.
Interview: Daniel Jung