«Mehr, dafür kürzere Ausstellungen»

Mark Liebenberg | 
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«Als museumsnaher Verein wollen wir auch prüfen, ob eine Lösung im Museum selbst möglich wäre» – Stephan Kuhn auf die Frage, wie etwas Ähnliches wie die nun wegfallende Galerie Mera auch künftig angeboten werden könnte. Bild: Selwyn Hoffmann

Der Präsident des Schaffhauser Kunstvereins über Herausforderungen für die regionale Kunstszene und die Positionierung des Vereins zwischen den Plänen des Allerheiligen und eigenen Aktivitäten.

Nach einem bewegten Kunstjahr 2018 wird es im neuen Jahr in der Region in dieser Hinsicht etwas übersichtlicher. Der Präsident des heute knapp 1100 Mitglieder zählenden, im Jahr 1847 gegründeten Kunstvereins Schaffhausen, Stephan Kuhn, sagt, wieso.

Herr Kuhn, Schaffhausen hat ein reich ­beladenes Kunstjahr hinter sich. Welche Tätigkeiten verfolgt der Kunstverein 2019, und welche Herausforderungen bringt das neue Vereinsjahr?

Stephan Kuhn: Es wird ein Jahr mit vielen veränderten Bedingungen, die wir nicht planen konnten. Einerseits ist die Galerie Mera zu, und wir werden in diesem Jahr voraussichtlich keinen Ersatz präsentieren können. Das grösste Kunstereignis ist für uns die Ausstellung «Kunst aus Trümmern» im Museum zu Allerheiligen. Gezeigt werden Kunstschätze, welche dem Museum aus Solidarität wegen der vielen beim Bombenangriff 1944 im Museum zerstörten Werke gespendet wurden. Im November organisieren wir wiederum die unjurierte Ernte-Kunstausstellung in den Hallen am Rhein mit bis zu 120 Ausstellenden. Sodann sind die Manor-Preis-Ausstellung zu erwähnen sowie unsere Ausstellung in der Kantonalbank zweimal im Jahr.

Mit der Schliessung der Galerie Mera ist für den Verein ein wichtiger Pfeiler weg­gebrochen: kleinere Ausstellungen professioneller regionaler Kunstschaffender …

Ja, das ist für uns ein empfindlicher Verlust, in der Galerie Mera haben in den vergangenen acht Jahren zweimal im Jahr vor allem die regionalen Künstler eine tolle Plattform erhalten, mit Ausstellungskatalog, der für ihre Weiterentwicklung wichtig ist. Der Kunstverein hat diese Ausstellungen nach Kräften unterstützt. Karin Rabara hat acht Jahre lang eine wunderbare Arbeit gemacht, aber ich kann sie auch verstehen: Es ist schwierig, in Schaffhausen eine professionelle Galerie zu betreiben. Wir evaluieren jetzt, wo und wie wir etwas Ähnliches auch in Zukunft anbieten können.

«Die Schliessung der Galerie Mera ist für uns ein empfindlicher Verlust. Sie hat eine wunderbare Arbeit geleistet.»

Das heisst der Kunstverein sucht nach neuen Räumlichkeiten?

Wir prüfen verschiedene Möglichkeiten. Denkbar sind geeignete Räumlichkeiten in der Stadt, aber auch ausserhalb. Als museumsnaher Verein wollen wir aber auch prüfen, ob doch eine Lösung im Museum selbst möglich wäre. Im Moment ist da ja einiges im Tun, und wir wollen diese Option nicht aus den Augen verlieren.

Die Sturzenegger Stiftung will für das ­Museum ein Stockwerk in der Kammgarn West kaufen. Denken Sie an diese Räume?

Tatsache ist, das Museumsquartier wird sich mit den Entwicklungen im Klosterviertel sowie der neuen Nutzung des Kammgarn-Westflügel stark verändern. Ja die Pläne der Sturzenegger-Stiftung liegen auf dem Tisch. Aber man muss sich in Hinsicht auf die politsche Stimmung in der Stadt auch Gedanken machen, wie man so ein Vorhaben in die Tat umsetzen kann.

Welche politische Stimmung meinen Sie?

Na ja, die bürgerlichen Parteien machen nicht den Anschein, dass sie einfach so mehr Geld für die Kultur ausgeben wollen. Ein Stockwerk mit 1500 Quadratmetern Nutzfläche mit Ausstellungen zu bespielen, samt Aufsicht, Betriebs- und Heizkosten und so weiter – das geht ins Geld. Das muss die Stadt sich schon gut überlegen. Denn weder die Sturzenegger Stiftung noch der Kunstverein wollen oder können die Betriebskosten für das Museum übernehmen.

Was ist Ihre Empfehlung an die städtische Politik?

Ein Millionengeschenk der Stiftung abzulehnen, würde weder von politischer Weitsicht noch von Wertschätzung für eine Stiftung zeugen, welche die Stadt schon bisher mit insgesamt über 50 Millionen Franken unterstützt hat. Eine konstruktive Diskussion anstelle von vorgefassten Meinungen wäre meines Erachtens angezeigt. Für das Geld der Stiftung könnten zum Beispiel un- oder schlecht genutzte städtische Liegenschaften renoviert werden.

Nimmt das Museum aus Ihrer Sicht seine Verantwortung für das zeitgenössische ­regionale Kunstschaffen genügend wahr?

Ganz generell würde ich sagen, es gibt in Schaffhausen ein grosses Kunstangebot. Jedenfalls ist es so breit, dass der Kunstverein nicht überall dabei sein kann oder will. Im Museum hat es in den vergangenen Jahrzehnten einen Trend zu stärkerer Professionalisierung gegeben. Das heisst, das Museum treibt einen immer grösseren Aufwand für eine einzelne Ausstellung. Die Folge ist, dass es weniger Ausstellungen gibt. Deshalb hat sich die Galerie Mera für uns so bewährt.

Der Kunstverein möchte also gern mehr Ausstellungen ermöglichen?

Viele unserer Mitglieder möchten gerne mehr Ausstellungen, das ist so. Noch besser wären meiner Ansicht nach aber nicht nur mehr, sondern auch kürzere Ausstellungen. Monatelange Öffnungszeiten bringen eigentlich niemandem etwas, Mein Eindruck ist, dass der Unterschied zwischen Ausstellungen, die mit einem pragmatischen Aufwand gestaltet wurden, und solchen mit hochprofessionellem Anspruch kaum wahrgenommen wird. Und vielleicht wäre es in einem regionalen Museum wie dem «Allerheiligen» ja wirklich möglich, auch kleinere, kürzere Kunstschauen zu zeigen.

Derzeit wird eine neue Museumsstrategie erarbeitet, bringen Sie dieses Anliegen dort auch ein?

Es liegt ein Strategieentwurf vor, bei dem wir uns ja auch einbringen konnten. Ich denke halt, dass alle im Moment auf die politischen Entscheide warten, was in der Kammgarn West passieren wird. Ich rechne damit, dass die Museumsstrategie bald fertiggestellt wird, man muss daher jetzt auch nicht drängeln.

Neben der Galerie Mera ist der Abgang der Kuratorin für zeitgenössische Kunst am Museum ein weiterer Wermutstropfen. Welches Profil muss der oder die Nachfolgerin mitbringen?

Jennifer Burkard war eine hervorragende Kuratorin. Sie brachte ein grosses Wissen für zeitgenössische Kunst mit, kannte sich ziemlich schnell und gut in der regionalen Kunstszene aus und hat neben der grossen Netzhammer-Ausstellung viele kleine Ausstellungen begleitet und Führungen gemacht. Unsere Mitglieder haben sie sehr geschätzt, das ist ein Verlust für das Museum wie für den Kunstverein. Wer ihre Nachfolge antritt, wird schon bald bekannt. Sowohl die Sturzenegger Stiftung als auch der Kunstverein haben bei der Auswahl ein Mitspracherecht.

«Das Millionengeschenk der Stiftung abzulehnen, würde weder von politischem Weitblick noch von Wertschätzung zeugen.»

Die Zwischennutzung in der Kammgarn West eröffnete im letzten Jahr neue Möglichkeiten – vor allem für junge Kunstschaffende. Wie bringt sich der Kunstverein da ein?

Wir haben dieses Projekt «Das Kapital ist weg – wir sind das Kapital» von Anfang an sehr aktiv unterstützt und gefördert. Wir sind mit den jungen Initianten zusammen an den Stadtrat gelangt, um ihre Idee zu unterstützen. Ich denke, sie haben das sehr gut gemacht – eine Ausstellung von lokalen und überregionalen Kunstschaffenden auf der Höhe der Zeit. Wir stehen bereit, falls es eine Neuauflage geben sollte. Dass wir selber so etwas initiieren, ist im Moment aber nicht geplant.

Wird für junge Kunstschaffende in Schaffhausen genug getan?

Das hat bisher ein wenig gefehlt. Früher bekamen einheimische Künstler Mitte dreissig, deren Bedeutung man erkannt hatte, eine Einzelausstellung im Museum, um sie zu fördern. Abgesehen vom Manor Kunstpreis alle zwei Jahre gibt es das in Schaffhausen zurzeit nur noch selten. Man sieht indes deutlich, dass junge Künstler sich heute nicht mehr nur auf ein Medium, auf eine Disziplin konzentrieren, also etwa nur Malerei, nur Video, nur Plastik oder nur Fotografie. Umso anspruchsvoller ist es, eine Ausstellung zusammenzustellen.

Das Museum hat jetzt eine eigene Stelle für Provenienzforschung eingerichtet. Der Kunstverein hat selbst eine umfangreiche Sammlung. Ist Herkunftsforschung ein Thema?

Der Kunstverein hat in den fraglichen Jahren überwiegend Werke von regionalen Schweizer Künstlern erworben, und dies meist nicht auf dem Kunstmarkt aus zweiter Hand, sondern bei den Urhebern selbst. Wir haben es überprüft: Unter jenen 360 Werken, über deren Herkunft das Museum jetzt genauer forscht, befindet sich keines aus den Beständen, die sich als Dauerleihgabe des Kunstvereins im Museum befinden.

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