Endlich Nichtraucher – oder auf dem Weg dazu

Um endgültig vom Nikotin loszukommen, bietet das Schaffhauser Spital eine Rauchersprechstunde an. Unsere Redaktorin wagte einen Selbstversuch.
Abhängigkeitstest: Wie wichtig ist Ihnen das Rauchen?
Wer seine Nikotinabhängigkeit erfassen möchte, kann hierzu einen Test machen. Dazu müssen die Fragen unten beantwortet und je nach Antwort die Punkte in den Klammern zusammengezählt werden. Der Abhängigkeits-Score gibt Auskunft:
Wann nach dem Aufwachen rauchen Sie Ihre erste Zigarette?
Innerhalb von 5 Minuten (3)
Innerhalb von 6 bis 30 Minuten (2)
Innerhalb von 31 bis 60 Minuten (1)
Es dauert länger als 60 Minuten (0)
Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist, das Rauchen sein zu lassen?
Ja (1)
Nein (0)
Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen?
Die erste am Morgen (1)
Andere (0)
Wie viele Zigaretten rauchen Sie durchschnittlich pro Tag?
0–10 (0)
11–20 (1)
21–30 (2)
Mehr als 30 (3)
Rauchen Sie in den ersten Stunden nach dem Erwachen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages?
Ja (1)
Nein (0)
Kommt es vor, dass Sie rauchen,
wenn Sie krank sind und tagsüber
im Bett bleiben müssen?
Ja (1)
Nein (0)
Und nun der Abhängigkeits-Score:
0–2: Gering
3–5: Mittel
6–7: stark
8–10: sehr stark
Ich hätte es besser wissen müssen. Als ich ins Teenageralter kam, in dem viele ihre ersten Zigarette rauchen, stellte mein Vater, ein Rauchgegner, ein Trinkglas vor mir auf. Dann zündete er eine Zigarette an und liess sie hineinfallen. Qualm stieg auf, das Glas war bald überzogen von einer braungelblichen Glasur. Botschaft: «Das pumpst du alles mit einer Zigarette in deine Lunge!» Tatsächlich hat sich das Bild lange bei mir eingeprägt, und ich habe keinen Glimmstängel angerührt – bis zum Studium. Prüfungsstress, lange Nächte, später der Arbeitsstress, und zack – heute sitze ich vor dem Eingang des Kantonsspitals Schaffhausen und rauche meine letzte Zigarette – mal wieder. Doch bald soll alles anders werden: Ich habe einen Termin bei Yvonne Nussbaumer, Leitende Ärztin Pneumologie und Schlafmedizin. Sie ist für die neu eingeführte Rauchstoppsprechstunde zuständig, welche in Kooperation mit der Krebsliga und der Lungenliga Schaffhausen angeboten wird.
«Clean in 45 Minuten» war der überspitzte Arbeitstitel für diesen Artikel. Denn wenn viele Raucher etwas gemeinsam haben, dann ist es die stete Hoffnung, irgendwann rauchfrei zu sein. Es wäre doch so schön, wenn die Haare einmal nicht mehr nach Rauch riechen würden – und dann am Morgen, nach dem Aufwachen, dieser bittere Geschmack im Mund … Nussbaumer holt mich runter von der Wolke: lieber den Weg langsam und sicher gehen als schnell und ständig stolpern. Zu ihr kommen Patienten mit Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Frauen, die bald schwanger werden wollen, Eltern, die sich wieder auf ihre Vorbildfunktion besinnen, aber auch Paare, bei denen der Glimmstängel zu Streitigkeiten führt.
Ich will hingegen einfach frei sein von diesem ständig schlechten Gewissen: Auf der einen Seite hat Rauchen für mich etwas von French Chic à la Jeanne Moreau, auf der anderen Seite weiss ich, dass Ammoniak, Acetaldehyd, Arsen und was da sonst noch in der Zigarette drinsteckt, schädlich für mich sind. Laut Studien braucht ein Raucher im Durchschnitt sieben bis neun Versuche, bis er aufhört. Ich weiss nicht, wie oft ich es schon probiert habe. Aber es ist ein gutes Gefühl, mit jemandem zu sprechen, der mich ernst nimmt. Nachdem ich nämlich schon seit zwei Jahren meine letzte Zigarette rauche, reagiert mein Umfeld nur noch mit einem müden Lächeln, wenn ich voller Pathos erkläre: «Ab heute rauche ich nicht mehr!»
Ich puste und puste
Zurück zum Spital. Wir machen einen Lungenfunktionstest. Bei diesem wird der Luftstrom während des Ausatmens gemessen, um zu sehen, ob das Gequalmte bei mir zu einer Verengung der Atemwege geführt hat. Nussbaumer beruhigt mich: «In Ihrem Alter dürfte sich das noch nicht relevant auf die Atemwege ausgewirkt haben.» Aber klar, sie kennt auch andere Patienten, meist um die 50 Jahre alt und aufwärts, die Atemnot, Hustenanfälle und Auswurf haben. Diese leiden oft an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). «Das haben fünf bis zehn Prozent der Raucher», sagt Nussbaumer. Hinzu kommt das erhöhte Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ich horche alarmiert auf, muss kurz schlucken. Als ich durch das Röhrchen puste, gebe ich alles. Letztlich sind meine Werte im grünen Bereich, die Atemwege frei. Wenn ich jetzt aufhöre, so Nussbaumer, kann ich mein Lungenkrebsrisiko in wenigen Jahren auf das eines Nichtrauchers reduzieren. Erleichterung!
Sie berät mich über die verschiedenen Ansätze eines Rauchstopps. Hierzu gehören Ersatzpräparate wie Nikotinpflaster, -kaugummis oder -sprays, aber auch neuere Medikamente, die ebenfalls zur Raucherentwöhnung angewendet werden. Letztlich kommen wir erst einmal darin überein, dass ich die Rauchstoppsprechstunde besuchen soll, wo Pflegefachfrau Simone Schön sich meiner annehmen soll.
Als ich das Spital verlassen habe – ja, ich gebe es zu –, greife ich zur Zigarette. Aus Nervosität? Oder als Belohnung, dass ich den Weg bis hierher geschafft habe? Oder vielleicht, weil ich jetzt eh bald aufhöre? Diesmal lässt sich neben mir auf der Holzbank ein Patient aus dem Spital nieder. Während ich eine rauche, raucht er mit zitternden Fingern zwei. Er nickt: «Das Rauchen ist doch wirklich ein Mist!» – «Ja», sage ich und habe ein schlechtes Gewissen.
In den nächsten Tagen steht der Termin bei der Rauchstoppsprechstunde an. Immerhin habe ich – motiviert nach dem Gespräch mit Nussbaumer – meinen Konsum reduziert. Ich greife erst am Nachmittag zur Packung. «Das ist ein Teilerfolg», sagt Simone Schön, «aber das Ziel ist ganz klar, auf null zu reduzieren.» Schön betreut Personen in der ambulanten Rauchstoppsprechstunde, macht aber auch Besuche auf den Stationen oder bietet Präventionsarbeit in den Schulen an.
Bei ihrer Arbeit geht sie wie ein Detektiv vor. Denn: Sucht ist nicht gleich Sucht! Für jeden hat Rauchen eine andere Bedeutung: Entspannung, Belohnung oder Stressabbau oder alles zusammen. «Man muss das situativ betrachten», sagt Schön, «um auch ermessen zu können, wo man genau andocken kann.» Dafür füllen die Besucher der Sprechstunde nebst einem Test zur Gradierung der Nikotinabhängigkeit (siehe Box) ein Selbstkontrollblatt aus, wo sie Zeit, Ort, Begleitperson und die momentane Stimmung aufführen, wenn sie sich eine anstecken. Oft würden Raucher sich nicht die Zeit nehmen, sich detailliert vor Augen zu führen, in welchen Situationen sie besonders empfänglich für ihre Sucht seien.
Die Sucht muss überlistet werden
Gehört man zum Beispiel auf der Arbeit zu einer Gruppe von Rauchern, die sich immer wieder im Raucherzimmer treffen und sich austauschen, könnte es einen Versuch wert sein, sich mehr und mehr einem Personenkreis aus Nichtrauchern anzuschliessen. «Ein kleines soziales Hilfsnetzwerk aus Kollegen, das direkt oder indirekt unterstützend wirkt», sagt Schön.
Oder jemand sei öfters nervös und brauche in bestimmten Situationen einfach etwas für die Hände? «Da kann man sich überlegen, ob man nicht lieber etwas Gesundes zum Knabbern oder ein Getränk nimmt, einen Stift oder einen Schmeichelstein hält.» Klingt zunächst vielleicht lustig, aber: «Man muss kreativ werden, um die Sucht zu überlisten», sagt Schön. Und letztlich gehe es vor allem darum, alte Gewohnheiten durch neue zu ersetzen. Und das kann dauern. Mehr oder weniger sechs Monate brauche so eine Neujustierung, heisst es. Ich habe also noch ein ganz schönes Stück Weg vor mir.
Interessierte können sich bei ihrem Hausarzt, direkt bei der Rauchstoppberatung oder bei der Krebs- und Lungenliga Schaffhausen melden.
So viel Chemie steckt in Zigaretten
Nikotin ist nur eine von etwa 4800 Chemikalien im Tabakrauch, etwa 90 davon sind laut der Lungenliga Schweiz krebserregend. Dazu zählen Arsen, Blei, Cadmium, Formaldehyd, Benzol oder Nitrosamine. Sie können das Erbgut der Zellen schädigen und bösartige Tumore (wie Lungenkrebs) sowie Leukämie auslösen. Andere Bestandteile des Tabakrauchs verstärken die krebserregende Wirkung. Ammoniak reizt die Atemwege bereits in geringer Konzentration, und Acetaldehyd lähmt die Flimmerhärchen im Bronchialtrakt, die die Atemwege von Schadstoffen befreien.
Ausserdem sind mindestens 250 Inhaltsstoffe, die sich im Rauch befinden, giftig. Zu den toxischsten Substanzen zählt Blausäure. Beim Tabakrauchen werden geringe Mengen des potenziell tödlichen Gifts freigesetzt. Das kann zu Schwindel, Erbrechen und Kopfschmerzen führen. (mcg)