Stumm standen die Frauen und weinten

Fronterfahrungen von Soldaten aus der Schweiz, die im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite kämpften, werden in der Sommer-Ausstellung im Napoleonmuseum auf dem Arenenberg präsentiert.
Von Wolfgang Schreiber
«Wir waren auch dabei – Männer aus der Schweiz und das Konstanzer Regiment 114 im Ersten Weltkrieg.» Unter diesem Titel erinnert die Sonderausstellung des Napoleonmuseums auf Arenenberg an die mehr als 50 000 aus der Schweiz stammenden Soldaten, die auf deutscher Seite im Ersten Weltkrieg kämpften. Dominik Gügel, Direktor des Napoleonmuseums Thurgau und Dozent für Militärgeschichte, stiess während seiner Arbeit über das Konstanzer Militär auf dieses Thema. Er hat es zu einer eindrücklichen Ausstellung verarbeitet, die am 1. Mai eröffnet und bis 11. November gezeigt wird.
Um möglichen Bedenken zuvorzukommen: Die Ausstellung singt keine Heldenlieder auf Frontsoldaten jedweder Nationalität. Niemand wird verherrlicht. Es wird aber sehr viel Information geboten über einen Aspekt, der vergessen zu gehen droht: Schweizer Männer standen nicht nur an der Grenze, einige kämpften auch im «Grossen Krieg», und zwar auf beiden Seiten.
Zwei Thurgauer Kameraden im Fokus
Gügels Konzept der Ausstellung stellt zwei Persönlichkeiten aus dem Thurgau ins Zentrum der Ausstellung. Adolf Merk stammte aus Frauenfeld, er war Kaufmann und mit dem Dichter Huggenberger bekannt. Sein Kamerad Richard Adler kommt aus Kreuzlingen. Er war jüdischen Glaubens, diente als Vizewachtmeister. Seine umfangreiche Feldpost – von Gügel entdeckt – wird in der Ausstellung ausgewertet. Es sind zwei von vielen, die 1914 bei dem Konstanzer Regiment 114 dienten. Gegenstand der Ausstellung ist auch, zwangsläufig, das in Konstanz stationierte 6. Badische Infanterie-Regiment Kaiser Friedrich III. Ein Regiment, das, wie Gügel an der Medienkonferenz vor Ausstellungseröffnung sagte, «enge Verbindungen in den Kanton Thurgau und andere Kantone pflegte. Für Konstanzer Offiziere galt traditionell das Privileg, uniformiert Schweizer Gebiet betreten zu dürfen.»
«Schweizer durften als Privatpersonen in fremden Militärdienst eintreten.»
Dominik Gügel, Direktor , Napoleonmuseum
«Übrigens», so erläutert Dominik Gügel weiter, «Schweizer durften als Privatpersonen in fremden Militärdienst eintreten. Erst 1927 wurde ihnen das mit dem Artikel 94 des Militärstrafgesetzes verboten.» Und auf noch einen Sachverhalt weist Gügel hin: «In Konstanz herrschte keine Kriegseuphorie. In den schriftlichen Kriegserinnerungen eines Oberleutnants Gruber heisst es: ‹Dann ging’s in der Dunkelheit zum Kasernentor hinaus über die Rheinbrücke zum Bahnhof, ohne Musik und ganz stumm. Stumm standen auch die Konstanzer Frauen und weinten.›»
Wie es um die Schaffhauser stand
Die Ausstellung auf dem Arenenberg stellt, wie erwähnt, Thurgauer ins Zentrum. Jedoch, so mag man sich in Schaffhausen fragen, wie sind die Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg in Schaffhausen? In manchen Familien erinnert man sich an Männer, die bei der Deutschen Bahn arbeiteten und plötzlich in den Krieg mussten. Das Schaffhauser Museum im Zeughaus hat letztes Jahr der Heimschaffung von Internierten im Ersten Weltkrieg eine eindrückliche Ausstellung gewidmet. Die aufopfernde Leistung der Schaffhauser Bevölkerung damals war fast völlig aus dem Gedächtnis verschwunden. Nur noch wenige wussten bis zu dieser Ausstellung, was es mit dem Denkmal im Fäsenstaubpark auf sich hat.
Und ebenfalls nur noch wenige erinnern sich in Schaffhausen an den legendären Schaffhauser Söldnerführer und Salonlöwen Leutnant Hans Bringolf selig (1876–1951), der im Ersten Weltkrieg aufseiten der Alliierten in der französischen Fremdenlegion so herausragend kämpfte, dass ihm Frankreich höchste Tapferkeitsorden verlieh und er in verschiedenen Divisionsbefehlen als einer der fähigs- ten Truppenführer der Balkanfront erwähnt wurde. Für seine Verdienste im Krieg und für seine wirtschaftliche Tätigkeit erhielt Hans Bringolf das Kreuz der Ehrenlegion. So viel nur zu Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg in Schaffhausen.
Zurück zur Ausstellung des Napoleonmuseums. Drei Räume werden genutzt: ein grosser Raum, der an den Shop des Napoleonmuseums anschliesst, der riesige Weinkeller des Arenenbergs und die Kapelle. In der Ausstellung wird das Kriegserleben primär auf der deutschen Seite der Front gezeigt – Videoeinspielungen und Hörstationen lassen aber auch die französischen «Poilus» (Soldaten/Landser) zu Wort kommen. Schonungslos weisen die Ausstellungsmacher auf alle Facetten des Krieges hin. Auch Kriegsverbrechen, Deserteure und das Leben und Leid der Zivilbevölkerung werden nicht verschwiegen. Eine besondere Rolle spielt dabei Emilienne Moreau, die als «Heldin von Loos» in die französische und englische Geschichtsschreibung einging.
Zur Ausstellung ist eine Begleitpublikation erschienen mit erläuternden Texten von Dominik Gügel und einer Menge von Bilddokumenten.