Diskussion um Hausaufgaben neu entbrannt

Der Schaffhauser Stadtschulrat sieht vor, dass die Hausaufgaben künftig in den Schulunterricht integriert werden. Dieses Modell stösst nicht überall auf Zuspruch.
Nach Schulschluss die Freizeit geniessen oder sich zu Hause nochmals hinter die Hausaufgaben klemmen – die Frage, was von beidem für Schüler besser ist, führt immer wieder zu Diskussionen. Mit den kürzlich festgelegten Schwerpunkten für die Legislaturperiode 2017 bis 2020 hat der Schaffhauser Stadtschulrat die Debatte von Neuem entfacht. Unter dem Überbegriff «Arbeitsort Schule» sollen Arbeiten, die mit der Schule zusammenhängen, künftig auch dort erledigt werden. Zu Hause sollen die Schüler höchstens noch auf Prüfungen lernen müssen. Schulen, die dieses Modell umsetzen wollen, will der Stadtschulrat aktiv unterstützen. »Es entlastet die Lehrpersonen und ist wichtig für die Chancengleichheit», schreibt der Stadtschulrat in seiner Medienmitteilung.
«Ohne ‹Ufzgi› geht es nicht»
«Kann das gut gehen?», fragt der FDP-Grossstadtrat Stephan Schlatter in einer Kleinen Anfrage den Stadtrat. Er will wissen, weshalb der Stadtschulrat zum Entscheid kam, die Hausaufgaben den Schulen zu überlassen, ob es diesbezüglich Erfahrungen anderer Städte und Kantone gebe und wie sich in so einem Fall das Bildungsniveau entwickelt hat. Er, selbst Vater von zwei Buben, schreibt: «Man darf die Schulen nicht zu Institutionen werden lassen, von denen nur diejenigen profitierten, die eigentlich fast gar keine Schule brauchen, weil sie eben selber lernen.»
Cordula Schneckenburger, Präsidentin vom Lehrerverein Schaffhausen (LSH), steht dem Modell ebenfalls skeptisch gegenüber. «Ohne ‹Ufzgi› geht es nicht», sagt sie. Hausaufgaben seien sinnvoll, da der Schulstoff zu Hause repetiert und somit gefestigt werde. Ihrer Meinung nach sollte die Frage nicht lauten, ob und wie viel für die Schüler zumutbar sei. «Vielmehr ist doch die Frage: Was sind sinnvolle Hausaufgaben?», so die LSH-Präsidentin. In Familien führe das Thema Hausaufgaben immer wieder zu Streit und unschönen Situationen. «Ich finde es aber ein schlechtes Signal an die Eltern, wenn man sagt, es gebe keine Hausaufgaben mehr», sagt sie. Eine Entlastung der Lehrerpersonen sieht Schneckenburger im Schwerpunkt «Arbeitsort Schule» ebenso wenig wie eine Verbesserung der Chancengleichheit. Letztere sei in der Bildungslandschaft eine unmögliche Forderung.
Interessant hingegen findet das Legislaturziel der Elternrat der Schule Steig. Hausaufgaben, welche während einer individuellen Arbeitszeit in der Schule erledigt würden, könnten Schülern, Eltern und Lehrpersonen Vorteile bringen. Ihrer Meinung nach gehe das Thema einher mit schulergänzenden Tagesstrukturen, welche der Elternrat aktuell intensiv diskutiere.
Kein pfannenfertiges Konzept
Stadtschulratspräsidentin Katrin Huber betont, man wolle mit «Arbeitsort Schule» nicht kommunizieren, es gebe keine Hausaufgaben mehr. «Wir haben kein pfannenfertiges Konzept», so Huber. Der Stadtschulrat wolle sich in der Legislaturperiode bis 2020 mit diesen Themen lediglich auseinandersetzen. Was dann beschlossen werde, sei noch nicht klar. Im Legislaturziel «Arbeitsort Schule» sieht sie gerade bei der Chancengleichheit eine Verbesserung. «Nicht alle Eltern sind in der Lage, mit ihren Kindern Hausaufgaben zu machen.»
«Nicht alle Eltern sind in der Lage, mit ihren Kindern Hausaufgaben zu machen.»
Katrin Huber, Stadtschulratspräsidentin
In zusätzlichen Angeboten wie einer Aufgabenhilfe sieht Huber keinen vernünftigen Beitrag zur Chancengleichheit, weil diese kosten. Die Semestergebühr für jeweils zwei Lektionen pro Woche beträgt aktuell 80 Franken. Bis zu dreimal in der Woche Aufgabenhilfe bieten die städtischen Schulen an. «Das kann sich nicht jeder leisten», sagt Huber. Ein weiteres Problem sei, dass immer ein Teil der Unterrichtszeit für Hausaufgaben aufgewendet werde. «Die Frage ist deshalb, wie sinnvoll sind Hausaufgaben?», so Huber. «Diese und weitere Fragen diskutieren wir mit den Schaffhauser Schulen in Arbeitsgruppen und sprechen auch darüber, wie die Legislaturziele umgesetzt werden können.»
Pilotprojekte im Kanton Zürich
Der Stadtschulrat verwies in der Medienmitteilung auch auf Schulen in anderen Kantonen, die Hausaufgaben bereits erfolgreich in ihren Stundenplan integriert haben. Als Beispiel nennt Huber die Schule Wädenswil. Gearbeitet werde dort seit Jahren mit «Schulinseln», betreuten Lernorten, die für die Schüler eine fördernde und entlastende Funktion erfüllen. Ein Teil dieses Schulmodells sei der Verzicht auf klassische Hausaufgaben.
Ähnlich sieht es in der Sekundarschule Seuzach aus. Laut dem «Landboten» haben die Schüler dort neben dem normalen Unterricht zusätzlich acht Lektionen pro Woche, die sie in sogenannten «Lernlandschaften» verbringen. Anfangs sei die Idee nicht bei allen gleich gut angekommen, sagt Peter Trüb, Mitglied der Elternbegleitgruppe des Pilotprojekts, der Zeitung. Die Skepsis habe jedoch mit der Zeit nachgelassen. Im entsprechenden Artikel berichtet Martin Spaltenstein, Klassenlehrer an der Sekundarschule Seuzach: «Inzwischen kommen auch Eltern auf uns zu und sagen uns, dass sie sehr zufrieden sind.» Es sei jedoch noch zu früh, um zu sagen, ob das wirklich an der Lernlandschaft liege. Überdies funktioniere diese Form nicht für alle Kinder gleich gut.