Ausgezont wird erst mal gar nichts

Zu grosse Baulandreserven habe der Kanton Schaffhausen, heisst es seit Jahren. Doch jetzt scheint die Lage weniger dramatisch als befürchtet.
Raumplanung: Wie der Kanton die Vorgaben des Bundes erfüllen will
Die Revision des Raumplanungsgesetzes des Bundes wurde am 3. März 2013 in einer eidgenössischen Volksabstimmung mit 62,9 Prozent angenommen. Ausser im Wallis erreichte die Gesetzesvorlage in allen Kantonen eine Mehrheit. In Schaffhausen betrug der Ja-Anteil 63,2 Prozent. Ziel der Gesetzesänderung ist es, durch die Förderung einer kompakten Siedlungsentwicklung die Zersiedelung zu bremsen. Dazu sollen zu grosse Bauzonen verkleinert und bestehendes, brachliegendes Bauland effizienter genutzt werden. Der Bundesrat hat das teilrevidierte Raumplanungsgesetz auf den 1. Mai 2014 in Kraft gesetzt.
Um die Vorgaben des Bundes zu erfüllen, muss der Kanton Schaffhausen einerseits seinen Richtplan überarbeiten und das kantonale Baugesetz um die neuen Bestimmungen ergänzen. Die Teilrevision des kantonalen Baugesetzes umfasst drei wichtige Elemente:
- Um der Baulandhortung entgegenzuwirken, sollen Grundeigentümer verpflichtet werden können, das Bauland zu überbauen.
- Wird Land neu als Bauland eingezont, steigt es im Wert. Auf diesen planerischen Mehrwert soll der Eigentümer eine Abgabe leisten: 30 Prozent bei Neueinzonungen, 20 Prozent bei Umzonungen.
- Die Einnahmen aus der Mehrwertabschöpfung kommen in einen kantonalen Fonds, der für Entschädigungen bei allfälligen Auszonungen und planerische Massnahmen genutzt werden kann.
Nach zähen Beratungen im Kantonsparlament war eine erste Revision des Baugesetzes gescheitert. Ein neuer Anlauf soll noch dieses Jahr erfolgen.
Der überarbeitete kantonale Richtplan liegt derzeit öffentlich auf. Er legt fest, wie sich das Siedlungsgebiet mittel- und langfristig entwickeln soll. Er muss vom Bundesrat auf den 1. Mai 2019 genehmigt werden.
70 Hektaren Bauland würden in den Gemeinden zurückgezont werden müssen, hiess es 2013 vor der Abstimmung über das neue eidgenössische Raumplanungsgesetz. Für die damit einhergehende Wertminderungen von 175 Millionen Franken werde die öffentliche Hand die betroffenen Eigentümern entschädigen müssen – so argumentierten damals die Gegner der Vorlage.
Nach deren Annahme ist zwar viel passiert, aber die gefürchteten Rückzonungen haben bisher nicht stattgefunden. Und dies, obwohl Schaffhausen einer jener vier Kantone ist, die einen Überschuss an Bauland aufweisen. In der Gemeinde Neunkirch, die aktuell die tiefste Bauzonenauslastung im Kanton aufweist, also im Verhältnis zum Bevölkerungszuwachs am meisten noch unbebautes Bauland hat, setzte nach der Annahme des Bundesgesetzes über die Raumplanung ein wahrer Bauboom ein: Man wollte handeln und das vorhandene Land bebauen, bevor es zu spät ist und der Kanton die Gemeinde zwingen könnte, Bauland auszuzonen. Baugesuche für 190 Wohneinheiten wurden allein im Jahr 2015 bewilligt.
Der Neunkircher Gemeindepräsident Ruedi Vögele hofft weiterhin, dass es zu keinen Auszonungen kommen wird: «Auszonungen sind aus Sicht des Gemeinderats der falsche Weg, da faktisch alles Bauland erschlossen ist», sagt er. «Weiter ist die Finanzierung einer allfälligen Auszonung nicht vorhanden. Zudem würde eine solche Massnahme stark in die privaten Rechte eingreifen.» Und abzuwarten bleibe überdies, inwiefern die Bautätigkeit und der Bevölkerungszuwachs in Neunkirch der letz- ten anderthalb Jahre die Berechnungsgrundlagen beeinflussen, sagt Vögele. «Der Kanton macht noch keine klaren Vorgaben, wie der kantonale Richtplan schliesslich umgesetzt wird.»
«Wir gehen bei den Bauzonen von einer Punktlandung im Jahr 2040 aus. Der Druck, grossflächig Bauland auszuzonen, ist damit erst mal weg.»
Martin Kessler, Baudirektor
Die aktuellste Erhebung des Bundesamtes für Raumplanung von Ende 2016 geht bei einem Planungshorizont 2030 davon aus, dass die erwartete Bevölkerungsentwicklung im Verhältnis zum vorhandenen Bauland gesamtkantonal bei nur 96,1 Prozent liegt (siehe Tabelle). Ausser der Stadt Schaffhausen, Neuhausen und Dörflingen haben demnach alle Gemeinden mehr oder weniger überdimensionierte Bauzonen. Neueinzonungen von Bauparzellen sind deshalb für die nächsten Jahre tabu oder müssen kompensiert werden, indem mindestens die gleiche Fläche ausgezont wird. Gerade Landgemeinden befürchten daher, dass sie nicht mehr in die Fläche wachsen können.
Gesamtkantonal sind es 63,9 Hektaren Bauland zu viel – das ist im Verhältnis zum Kanton Wallis, der rund 3000 Hektaren zu grosse Bauzonen aufweist, zwar wenig. Dennoch ist es ein Problem: Der Kanton Schaffhausen muss im Richtplan bis Mai 2019 aufzeigen, wie er ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bevölkerungswachstum und Bauzonen hinbekommt, sonst droht theoretisch ein Einzonungsmoratorium des Bundes.
Noch Anfang 2015 hiess es deshalb, dass es in 16 Gemeinden, die besonders überdimensionierte Bauzonen haben, wohl zu Auszonungen kommen werde. Das Blatt hat sich aber gewendet. Im Richtplanentwurf präsentiert der Kanton, fussend auf den Zahlen des Bundesamts, einen zweiten Berechnungshorizont. Mit der Prognose von zusätzlichen 21 000 Raumnutzern bis 2040 könnte sich die Bauzonenauslastung ins Positive verkehren, nämlich auf 100,8 Prozent. «Wir gehen aufgrund dieser Berechnung von einer Punktlandung im Jahr 2040 aus», sagt der Schaffhauser Baudirektor Martin Kessler. Diese Wachstumsprognose muss zwar laufend angepasst werden, und als richtplanrelevante Zeitdimension gelten eigentlich 15 Jahre. Doch die Prognose 2040 verändert die Perspektive. «Der Druck, grossflächig Bauland auszuzonen, ist damit erst mal weg», sagt Kessler.
Das Bauland ist gut erschlossen
Zwei Gründe gibt es, wieso die Eliminierung von überflüssigem Bauland problematisch wäre. «Erstens handelt es sich zu über zwei Drittel um kleinere, bereits gut erschlossene Bauparzellen, zum Beispiel in Dorfzentren, und es gibt wenig zusammenhängende, grosse Bauflächen auf dem grünen Feld», sagt Kessler. Das Bauland befindet sich also überwiegend dort, wo verdichtetes Bauen möglich und sinnvoll ist. Zweitens zeigt das Beispiel Beggingen, wo eine Zonenplanänderung in die Vernehmlassung geht, dass eine tiefe Bauzonenauslastung auch mit sanften Massnahmen korrigiert werden kann. Zum Beispiel, indem man im Ortskern Baufläche in Grünraum umnutzt oder partiell Bauland am Ortsrand so reduziert, dass trotzdem ein Spielraum für potenzielle Neuansiedler bestehen bleibt.
Parallel zur Richtplanrevision läuft derzeit denn auch ein Programm, bei dem der Kanton mit den Gemeinden eine intensive Raumerhebung und Nutzungsplanung vornimmt: Wo sind unüberbaute Zonen, wo gibt es welche Potenziale, wo kann man verdichten? «Wir sind überzeugt, dass wir mit planerischen Massnahmen hier und dort eine bessere Nutzungsdichte erreichen», so Kessler. Und zu guter Letzt bleibt im Kanton vorderhand auch die Entschädigungsfrage ungelöst. Die Entschädigung der Landbesitzer infolge einer Wertminderung ihres Grundstücks aufgrund von Aus- oder Rückzonungen muss im Rahmen der kantonalen Gesetzgebung erst noch gelöst werden.
Planungsmehrwerte: Bei Aufzonungen wird künftig eine Gewinnabschöpfung fällig
Über Nacht reich: Bauer X., dessen Land in der Landwirtschaftszone in die Bauzone umgeteilt wird, erzielt einen planerischen Mehrwert. Wird Landwirtschaftsland etwa um die 10 Franken pro Quadratmeter gehandelt, so hat Bauland je nach Lage einen bis zu vierzigfachen Wert davon. Ein Teil dieses Mehrwerts bei Neueinzonungen soll in Zukunft direkt als Abgabe des Grundeigentümers an den Kanton fliessen. Die Abgaben sollen in einem Topf landen, aus dem sich der Kanton für planerische Massnahmen bedienen und Eigentümer für die Wertminderung bei Rück- oder Auszonungen entschädigen kann.
Bei der Anpassung des kantonalen Baugesetzes an die Raumplanungsrichtlinien des Bundes muss diesbezüglich noch eine exakte Regelung gefunden werden. Umstritten ist, wie und von wem (Gemeinde oder Kanton) der planerische Mehrwert bei Umzonungen abgeschöpft werden soll, wenn also beispielsweise ein Stück Land in einer Zone, die bisher keine Wohn- und Gewerbenutzung zuliess, in eine Wohn-, Misch- oder Arbeitszone umgeteilt wird. Desgleichen entstehen Mehrwerte bei sogenannten Aufzonungen, wenn also auf einem Grundstück statt zwei neu drei Stockwerke hoch gebaut werden kann. In jedem Fall gewinnt das Grundstück an Wert.
Heute schon möglich
Den Gemeinden im Kanton Schaffhausen ist es bereits heute freigestellt, selber solche Mehrwertabschöpfungen vorzunehmen, sofern es dafür eine Regelung in der kommunalen Bauordnung gibt. So musste in der Gemeinde Thayngen jüngst ein Landeigner für die Aufzonung seiner Parzelle 10 Franken pro Quadratmeter abgeben. Ein Grundbesitzer, dessen Landwirtschaftsland in die Gewerbezone neu eingezont wurde, zahlte 100 Franken pro Quadratmeter.