Nicht bezahlte Krankenkassenprämien: Betreibungsamt sieht Gesellschaftsvertrag in Gefahr

Das Betreibungsamt des Bezirks Andelfingen verzeichnete 2024 einen neuen Höchststand an Betreibungen, insbesondere bei jenen wegen ausstehender Krankenkassenprämien. Der Trend dürfte sich noch verschärfen.
Roland Eggenberger schlägt Alarm: 6385 – noch nie sind im Bezirk Andelfingen innerhalb eines Jahres derart viele Zahlungsbefehle verteilt worden. «Ein trauriger Rekord», so der Betreibungsbeamte des Bezirksbetreibungsamts im neuesten «Andelfinger Info». «Eine Trendwende», wird Eggenberger zitiert, «ist nicht in Sicht.»
«Zahlen ab 2020 sind mit Vorsicht zu geniessen»
2023 zählte man noch knapp mehr als 6000 Zahlungsbefehle, 2022 waren es 4988; 2015 hatten Andelfingen und Feuerthalen zusammen 5017 Zahlungsbefehle vermeldet. 2018, im ersten Jahr nach der Zusammenlegung der Betreibungsämter im Bezirk, waren es noch 5058 Zahlungsbefehle, 2019 bereits 5617. Die Zahlen ab 2020 seien jedoch mit Vorsicht zu geniessen, sagt Eggenberger gegenüber den SN: Die Coronakrise habe noch bis ins Jahr 2023 nachgewirkt. 2021 hatte zudem kurzzeitig Rechtsstillstand geherrscht.
«Der stetige Anstieg der Prämien birgt Zündstoff.»
Besondere Sorge bereitet Eggenberger die steigende Zahl an Betreibungen wegen ausstehender Krankenkassenprämien, das heisst insbesondere für die obligatorische Krankenversicherung (KVG). Die durch Steuerämter eingeleiteten Betreibungen mit 1136 Verfahren sowie die 1168 Betreibungen für ausstehende Krankenkassenforderungen hielten sich, wie man es aus anderen Jahren kenne, in etwa die Waage. 2023 wurden 1071 KVG-Betreibungen beziehungsweise 1199 Steuerbetreibungen gezählt.
Prämienverbilligungsprogramme greifen nicht
«Der stetige Anstieg der Prämien birgt Zündstoff», sagt Eggenberger; die erzwungene Versicherungssolidarität stelle den Gesellschaftsvertrag auf eine harte Probe. Denn auch gesunde Menschen müssten jährlich steigende Prämien mittragen.
Die bestehenden Prämienverbilligungsprogramme, wie jene für junge Familien oder Personen mit niedrigem Einkommen, schaffen es laut Eggenberger nicht, die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Er plädiert für «unpopuläre Massnahmen».
Im Zusammenhang mit ausstehenden Krankenkassenprämien habe man jedoch eine neue Massnahme bereits umsetzen können. Seit Jahresbeginn dürfen Krankenkassen gegen ein und denselben Schuldner nur noch zwei Betreibungen pro Jahr einleiten; dies verhindere zusätzliche Kosten für die Krankenkassen und die Betreibungsämter. Es sei jedoch fraglich, so Eggenberger, ob durch die Umstellung mehr Geld an die Krankenkassen fliesse und ob dies die Prämien positiv beeinflussen könne.
Das Betreibungsamt Rafzerfeld mit Sitz in Eglisau wiederum verzeichnete 2024 mit 4598 Zahlungsbefehlen (1106 Betreibungen davon in Sachen Krankenversicherungsgesetz, plus 721 Steuerbetreibungen) ein Minus von knapp 60 Zahlungsbefehlen im Vergleich zum Vorjahr (4655 Betreibungen; 1136 in KVG-, 848 in Steuerangelegenheiten).