Keine Burger, keine Pommes – wie der Darm unsere Gefühle und unser Denken beeinflusst

Damiana Mariani | 
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«Die Ernährung hat einen Einfluss auf die Psyche, der lange Zeit unterschätzt wurde», sagt Prof. Dr. Wolfgang Langhans. Bild: zVg

Mit dem, was wir essen, können wir unser Wohlbefinden massgeblich beeinflussen, sagt der Physiologe Wolfgang Langhans. Wer lange gesund leben möchte, solle möglichst auf ungesundes Fett und Zucker verzichten.

Burger und Pommes machen nicht glücklich und drei Portionen Eis ebenso wenig, auch wenn es einem im Moment so scheinen mag. Ende März hält der Physiologe Wolfgang Langhans in Henggart einen Vortrag darüber, wie das Essen unser Gehirn und unsere Gefühle beeinflusst.

Herr Langhans, unterschätzen wir den Darm?

Wolfgang Langhans: Absolut. Wir denken beim Darm in erster Linie an die Verdauung und die Absorption von Nährstoffen. Aber der Darm hat so viel mehr zu bieten. Seine Oberfläche ist hundertmal grösser als jene der Haut. 65 Prozent aller Immunzellen des Körpers sind mit dem Darm assoziiert, um uns zu schützen, weil der Darm eine wichtige Eintrittspforte für Krankheitserreger ist. Eine weitere wichtige Darmfunktion ist die Kommunikation mit dem gesamten Körper, insbesondere mit dem Gehirn – über Hormone auf dem Blutweg und über Nerven.

Weswegen Sie den Darm auch als «little brain» bezeichnen?

Nicht den Darm an sich, sondern die Nervengeflechte im Darm. Es sind etliche Hundert Millionen Nervenzellen. Das sind zwar weniger als im Gehirn, aber doch beachtlich viele. Und sie kommunizieren mit dem Gehirn, dem «big brain». Die beiden haben denselben embryonalen Ursprung, und darum herrscht zwischen ihnen zeitlebens eine enge Verbindung. Ihre Kommunikation wird durch die Ernährung beeinflusst. Fettreiches Essen kann sie zum Beispiel beeinträchtigen.

Sie sagen, der Darm ist wichtig für unsere Gesundheit, aber auch für unser Glück …

Das kann man so sagen, ja: 90 Prozent des «Glückshormons» Serotonin im Körper befindet sich im Darm. Wir kennen das; wenn wir gestresst sind oder psychische Probleme haben, schlägt das auf den Darm. Untersuchungen zeigen: Überträgt man Darmbakterien von Menschen mit Depressionen auf Ratten, löst das bei den Tieren Angstverhalten aus.

«90 Prozent des Glückshormons Serotonin im Körper befindet sich im Darm.»

Prof. Dr. Wolfgang Langhans

Das bedeutet wiederum, dass wir mit der Ernährung unser Wohlbefinden auch positiv beeinflussen können?

Genau, rein auf der physischen Ebene, indem wir uns vernünftig ernähren und genügend essenzielle Nährstoffe im richtigen Verhältnis aufnehmen, aber auch auf der psychischen. Durch die Ernährung nehmen wir mitunter Einfluss auf bestimmte Prozesse im Gehirn. Die Zusammensetzung unserer Nahrung beeinflusst die Substanzen, die im Blut zirkulieren und damit auch das, was das Gehirn aufnimmt. Zudem können Nahrungsbausteine wie auch Darmbakterien auf das Gehirn über Nerven einwirken.

Die Ernährung hat einen Einfluss auf die Psyche, der lange Zeit unterschätzt wurde. Die Ernährung beeinflusst unsere Emotionen, unsere kognitive Leistung, unser Verhalten und zum Teil sogar unsere Persönlichkeitsmerkmale.

Können Sie das ausführen?

Wenn Sie sich gesund und ausgewogen ernähren, also beispielsweise einer mediterranen Diät folgen, dann sind Ihre Mikroorganismen im Darm ausbalanciert und «glücklich», Ihre Darmbarriere ist in Ordnung und die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn ist positiv. Wenn Sie durch Ihre Ernährung die Darmbakterien aus dem Gleichgewicht bringen und die Darmbarriere stören, dann ist auch die Kommunikation mit dem Gehirn beeinträchtigt, was unterschiedliche Auswirkungen auf das physische und psychische Wohlbefinden haben kann, etwa Bauchschmerzen, Unwohlsein, Angstzustände, emotionaler Stress oder Müdigkeit, um nur ein paar zu nennen.

Die Mittelmeerdiät – reich an Gemüse, Obst, Olivenöl, magerem Fisch und Fleisch – eignet sich als Richtschnur für eine vollwertige Ernährungsweise, die für die Bedürfnisse des Gehirns und die Regulierung des Gefühlshaushaltes sorgt. Bild: Key

Wie ernähre ich mich idealerweise?

Indem Sie mehrheitlich auf eine westliche Ernährung – reich an leicht verdaulichen Kohlenhydraten und Zucker sowie auf Fastfood wie Burgers, Pommes oder Pizzen – verzichten, denn diese Ernährung schadet uns. Empfehlenswert ist die mediterrane Küche mit viel Gemüse, Obst, Olivenöl, magerem Fisch und Fleisch. Wegen der vielen Polyphenole in Oliven und Olivenöl, aber auch wegen der Omega-3-Fettsäuren in der mediterranen Diät. Diese sind für vielerlei Organe, nicht zuletzt unser Herz und Gehirn, wichtig, und helfen möglicherweise auch gegen Depressionen.

Gleichzeitig ist unser Körper ja eine Wundermaschine und verträgt sehr viel. Da können Pommes doch nicht so schlimm sein?

Einmal gegessen sind Pommes tatsächlich nicht schlimm, regelmässig verzehrt schon eher. Sie haben von vielem, auf das wir verzichten sollten, zu viel: insbesondere Fett und Salz. Hinzu kommt, dass Pommes frittiert werden, das Frittierfett besteht aus allen möglichen gehärteten Fetten, inklusive Transfettsäuren, die zahlreiche negative Effekte haben. Das heisst, sie fördern schädliche Entzündungsprozesse. Letztlich aber geht es bei der Ernährung immer um die Menge und die Häufigkeit, auch bei Pommes.

Sündigen ist also erlaubt …

Durchaus. Wenn man sich nur kasteit und das Essen keinen Spass mehr macht, schlägt das auf das Gemüt, und das ist auch nicht gut. Wir sprechen von Orthorexie, wenn sich jemand übermässig mit der Qualität der aufgenommenen Nahrung beschäftigt. Die Betroffenen fragen sich bei jedem Bissen, ist das jetzt gesund oder nicht?

Dr. prof. Wolfgang Langhans

Prof. Dr. Wolfgang Langhans (*1952), aufgewachsen in Nürnberg, studierte in München Veterinärmedizin. Er war von 1988 bis 2018 Professor für Physiologie an der ETH Zürich. Schwerpunkte seiner Forschung sind die physiologische Steuerung von Hunger und Sättigung sowie die Regulation der Energiehomöostase einschliesslich deren Störungen. Seit 2018 ist er im Ruhestand, unterrichtet aber nach wie vor und ist auch in der Forschung noch aktiv. Er lebt im Zürcher Oberland.

Heute hält sich jeder für einen Ernährungsexperten …

Ja, nur ist es nicht so. Der Einfluss der Ernährung wird zudem oftmals unterschätzt, weil sich negative Auswirkungen von schlechten Diäten nicht unmittelbar zeigen, sie sind also nicht so greifbar. Letztlich möchten wir alle möglichst lange gesund leben, dafür braucht es eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Bewegung sowie den Verzicht auf Tabak- und übermässigen Alkoholgenuss. Den Rest bestimmen die Gene und das Glück, sie beide können wir jedoch nicht kontrollieren.

Fasten wird als besonders gesund angepriesen – Fakt oder Mythos?

Das Fasten ist Bestandteil vieler religiöser Riten und steht für Reinigung in einer fast schon mystischen Konnotation. Tatsache ist, in der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Hungerzeiten. Das heisst, wir sind von Natur aus daran angepasst, temporär auch mal nichts zu essen. Die Ernährungswissenschaft hat lange Zeit gepredigt, dass man drei Mahlzeiten am Tag essen sollte, und dazwischen vielleicht noch einen Znüni oder einen Zvieri, das ist Unsinn. Unser Körper ist dafür nicht gemacht. Kürzere Fastenzeiten können sogar sehr gesund sein, irgendwann kommt jedoch der Punkt, an dem die positive Wirkung ins Negative kippt.

Wann wird dieser Kipppunkt erreicht?

Das ist individuell verschieden. Für Kinder ist das Fasten nichts, junge Erwachsene vertragen es besser als ältere. Ich beispielsweise bin 72 Jahre alt, in meinem Alter würde ich mich mit längerem Fasten vermutlich schnell ins Grab bringen.

Die moderne, industriell produzierte Nahrung unterscheidet sich fundamental von der evolutionär auf die menschlichen Bedürfnisse abgestimmten Ernährung und begünstigt darum Krankheiten. Bild: Key

Warum?

Einige Gewebe in unserem Körper sind auf Glukose angewiesen, die wir mit den Kohlenhydraten in der Nahrung aufnehmen. Essen wir nichts, muss der Körper die Glukose selbst produzieren. Das macht er, indem er im wesentlichen Muskelprotein abbaut, um aus den resultierenden Aminosäuren Glukose zu produzieren. Wenn Sie mit 40 Jahren eine Woche fasten, ist Ihr Körper prima in der Lage, das Muskelprotein wiederaufzubauen. Ich mit meinen 72 Jahren könnte das verlorene Protein hingegen nur viel schwerer oder gar nicht wieder aufbauen. Wenn wir es schaffen, Herzkreislaufkrankheiten und Krebs zu überleben, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass wir irgendwann an Gebrechlichkeit sterben. Und Gebrechlichkeit ist nichts anderes als Muskelschwäche. Der alte Opa rutscht im Winter auf dem Glatteis aus, bricht sich den Oberschenkelhals, wird bettlägerig, kriegt eine Lungenentzündung, und das wars dann.

«In der Schweiz sind etwa 40 Prozent der Bevölkerung übergewichtig.»

Prof. Dr. Wolfgang Langhans

Heisst das, Männer können länger fasten als Frauen, weil sie weniger Mühe haben, Protein wiederaufzubauen?

Jein. Unsere Sexualhormone sind auch dazu da, Muskeln aufzubauen, das Testosteron mehr als das Östrogen. Solange wir genügend Sexualhormone haben und uns bewegen, funktioniert das mit dem Muskelaufbau mehr oder weniger gut. Aber ja, Männer haben mehr Muskelmasse. Und Frauen haben einen höheren Fettgehalt. Sie benötigen mehr Energiespeicher im Körper, weil die Reproduktion bei ihnen einen grösseren Energieaufwand erfordert, neun Monate plus Stillzeit, bei einem Mann sind es im Extremfall nur fünf Minuten.

Nun ist es heute so, dass wir eher zu viel als zu wenig essen …

Das ist richtig, auch in der Schweiz sind etwa 40 Prozent der Bevölkerung übergewichtig. Das begünstigt Herzkreislauf- und Gelenkerkrankungen, Diabetes und manche Krebsformen. Die Situation hat sich verlagert, heute sterben mehr Menschen auf der Welt an den Folgen von Adipositas als an Hunger. Mit den ganzen derzeitigen Krisen und Kriegen kann sich das allerdings auch leider wieder verschieben. 

Referat zum Thema am 27. März in Henggart

Prof. Dr. Wolfgang Langhans hält am 27. März um 19 Uhr in der Wylandhalle in Henggart ein Referat zum Thema «Bauchgefühle: Wie das Essen unser Gehirn und unsere Gefühle beeinflusst».

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