S-Bahn-Serviceanlage gegen Güterbahnhof-Entwicklung: So kommen die Pläne in der Stadt Schaffhausen an

Mark Liebenberg | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Gᅢᄐterbahnhof Areal, fotografiert am Dienstag, 04. Mᅢᄂrz 2025, in Schaffhausen. (Roberta Fele / Schaffhauser Nachr
Mit gut 2,4 Hektaren zwei Drittel so gross wie die ganze Stahlgiesserei: Der Schaffhauser Güterbahnhof. Bild: Roberta Fele

Die SBB prüfen, ob eine S-Bahn-Serviceanlage nördlich der Stadt entstehen kann und dafür das Güterbahnhof-Areal aufgewertet wird. Noch sind viele Fragen offen – aber einen ersten Stimmungstest besteht der mögliche Deal.

Grosse Infrastrukturprojekte stossen bei der lokalen Bevölkerung meist auch auf grosse Vorbehalte. Einen grossen Bahnhof gab es von den Verantwortlichen von SBB, Zürcher S-Bahn und der Stadt Schaffhausen Ende Februar wohl auch deshalb, als sie ihre Pläne vorstellten: Auf dem Areal des Schaffhauser Güterbahnhofs soll künftig eine Serviceanlage für die Zürcher S-Bahn entstehen und es sollen vermutlich auch mehr Züge über Nacht abgestellt werden. Im Gegenzug wollen die SBB ihr zentral gelegenes, aber heute stark untergenutztes Güterbahnhof-Areal umnutzen. Wohnungen, Büro- und Gewerberäume sollen entlang der Fulachstrasse entstehen. Eine Machbarkeitsstudie dazu soll​ noch dieses Jahr vorliegen.

Standort der Anlage noch unklar

Offen ist, ob die dreigleisige Anlage – in welcher Zugskompositionen über Nacht gewartet und gereinigt werden – im Kopfbau des heutigen Längsbaus untergebracht wird oder weiter nördlich, auf der Höhe ABB oder sogar weiter in Richtung Brauerei Falken. Die Stadt jedenfalls hat ein Interesse, möglichst das ganze Grundstück zu entwickeln – es misst 2,4 ​Hektaren, was zwei Dritteln der Grösse der gesamten Stahlgiesserei entspricht.

Obwohl also noch einige Fragen offen sind, scheint sich der Stadt erstmals seit Jahrzehnten eine realistische Chance zu bieten, einen signifikanten Teil des in den Sechzigerjahren von den Bundesbahnen erworbenen und zugebauten Geländes wieder städtebaulich zu nutzen.

Jahrzehntelang herrschte Stillstand

Für ein so grosses Infrastrukturprojekt ist wohl auch deshalb das erste Echo aus der Stadtpolitik durchwegs positiv. Diese Entwicklung könnte für die Stadt prägend sein, sagt die Co-Parteipräsidentin Livia Munz: «Wir begrüssen es, dass die SBB den Standort prüfen. Eine effizientere Nutzung der bereits versiegelten Flächen ist sicherlich sinnvoll.» Bei der Umnutzung des Areals müsse die Stadt allerdings eine hohe Mitsprache haben. «Die Stadt sollte das Areal selber entwickeln oder gemeinnützige Wohnbauträger sollten den Zuschlag erhalten. Es darf nicht an Spekulanten oder gewinnorientierte Wohnbauträger abgegeben werden.»

«Das Areal darf nicht an Spekulanten oder gewinnorientierte Wohnbauträger abgegeben werden.» 

Livia Munz (SP)

Die SVP spricht von einem «geschickt eingefädelten Deal». Seit Jahrzehnten herrsche ein Stillstand, nun würden Nägel mit Köpfen gemacht, sagt Parteipräsident Hermann Schlatter: «Wir wünschen uns moderne, zentrumsnahe Wohnungen. Büros und Gewerberäume sind wichtig für die Ansiedlung neuer Unternehmen.» Ausserdem sei ein unterirdisches Parkhaus wünschenswert – und die seit den Sechzigerjahren fehlende Verbindung von Hochstrassequartier und Fulachstrasse.

Kostspielige Ideen landeten in der Schublade

Auch die Freisinnigen sind angetan. «Im Moment sieht das Areal hässlich aus und die riesige Fläche wird kaum genutzt. Es kann fast nur besser werden», sagt FPD-Präsident Stephan Schlatter. «Ideal wäre, wenn man die Gleise überdecken könnte, aber ich weiss, dass man das heute aus Sicherheitsgründen nicht mehr macht.» In der Tat hatte es Pläne zu einer grosszügigen Überdeckung Mitte der Siebzigerjahre gegeben – mitsamt einer Terrassensiedelung zur Hochstrasse hin. Das wurde nie ernsthaft geprüft, auch weil SBB (und die DB) als Grundeigentümer im Gleisfeld kein wirtschaftliches Interesse an solch kostspieligen Ideen hatten.

«Es kann fast nur besser werden.» 

Stephan Schlatter (FDP)

Jetzt, da die SBB als Betreiber der Zürcher S-Bahn etwas von der Stadt Schafhausen möchten, sieht es anders aus. Einer Entwicklung des Güterbahnhofs stehen auch die Grünliberalen positiv gegenüber. Entscheidend aber sei, so Fraktionschef Lukas Ottiger, «dass die raum- und stadtplanerische Hoheit bei der Stadt liegt. Die Nähe zum Bahnhof ist für Pendler als Wohnraum besonders attraktiv und sollte deshalb nicht durch die Serviceanlage blockiert werden.» Diese sieht Ottiger eher stadtauswärts.

Flächen sind bereits versiegelt

Eine gute Verkehrserschliessung des Güterbahnhofs für Velo, Fussgänger und den ÖV machen die Grünen zur Gelingensbedingung. «Es macht auf jeden Fall Sinn, auf bereits versiegelten, bahnbetrieblich genutzten Flächen eine Serviceanlage zu planen. Wichtig ist aber, die Umweltauswirkungen im Auge zu behalten, insbesondere die Lärmentwicklung», sagt Stadtparlamentarierin Daniela Furter.

«Wir könnten mal mutig in die Höhe bauen, mit richtigen Hochhäusern.»

Urs Tanner, Grossstadtrat (parteilos)

Von einer «Triple-win-Situation» spricht der parteilose Grossstadtrat Urs Tanner. «Es muss woanders kein Landwirtschaftsland für eine Serviceanlage verbaut werden, es entstehen in Schaffhausen 60 Arbeitsplätze und wir könnten mal mutig und verdichtet in die Höhe bauen, mit richtigen Hochhäusern!» 

Echo aus den Quartieren: Skeptisch bis offen

Für die genauen Dimensionen und die Art des Betriebs in einer Serviceanlage interessieren sich auch die direktesten Anwohner, sagt Dora Dickenmann vom Quartierverein Hochstrasse. «Wir warten ab, welche Grösse, welches Aussehen und welche Lärmimmissionen zu welchen Uhrzeiten entstehen könnten. Unser Quartier trägt mit den Abgasen und dem Lärm der A4 schon genug Lasten und leidet zudem unter der unschönen optischen Landschaft des Fulachtals.»Das 2,4 ​Hektaren grosse Güterbahnhofareal ist reif für eine Entwicklung mit Wohnungen, Büros und Gewerberäumen.

«Unser Quartier trägt mit Lärm und Abgasen schon genug Lasten.» 

Dora Dickenmann, Quartierverein Hochstrasse

Der Quartierverein Altstadt interessiert sich sehr für die neuen Pläne au diesem mehr oder weniger angrenzenden Areal, wie Präsident Bruno Müller sagt. Als im Jahr 1974 der Güterbahnhof in Betrieb genommen wurde, sei bereits absehbar gewesen, dass «sein Betriebskonzept bereits überholt war und er nie die ihm zugedachte Rolle beim Güterverkehr haben wird. Der städtebauliche Schaden war aber angerichtet und die SBB verweigerten bisher, die Hand für eine ‹Stadtreparatur› in diesem Gebiet», sagt Müller. Wenn der Bau der Serviceanlage den städtebaulichen Schaden wenigstens zum Teil beheben kann, sei das eine grosse Chance.

«Mehrere Verbindungen zwischen den Quartieren sind beim Bau des Güterbahnhofs zerstört worden.» 

Bruno Müller, Quartierverein Altstadt

«Positiv ist, dass sich die SBB auf die Stadt Schaffhausen zubewegen. Und man muss auch darüber nachdenken, wie die Verbindungen zwischen den Quartieren wiederhergestellt werden können, denn diese wurden mit dem Bau des Güterbahnhofs zerstört.» So etwa die ehemalige Schönenbergbrücke, welche die Krebsbachstrasse mit der Fulachstrasse verband oder der Heuweg das Sennereiquartier mit dem Ebnat.

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren