Vogelgrippe macht Kühe krank

Noch wird gerätselt, wie sich die Variante H5N1 der Vogelgrippe unter Milchkühen verbreiten konnte. Verschiedene Studien bieten Lösungen und erklären, wie gefährdet der Mensch ist.
In mehreren Staaten der USA haben sich Milchkühe mit dem Vogelgrippevirus H5N1 angesteckt. Diese Untervariante ist die weltweit am meisten verbreitete unter den Vogelgrippeviren (HPAI) und hat am meisten Todesfälle bei Menschen bewirkt. Seit 2003 kam es mit H5N1 weltweit zu 891 Fällen bei Menschen, wovon 463 tödlich endeten.
H5N1 ist in Vögeln inzwischen endemisch. Doch es sprang auch auf 26 Säugetierarten über, was zu Ausbrüchen auf der ganzen Welt führte. Bisher konnte sich das Virus nicht effektiv zwischen Menschen verbreiten, weshalb keine Pandemiegefahr drohte. Doch die wiederholte Übertragung des Virus von Vögeln auf Säugetiere und Hinweise auf eine Übertragung unter Säugetieren, wie zum Beispiel unter Robben, Füchsen und Seeelefanten, haben Forscher alarmiert. Sie warnen, dass das Virus immer mehr Möglichkeiten entwickelt, dass es sich leichter von Mensch zu Mensch verbreiten könnte.
Ausbruch zuerst in Texas
Erstmals in Rindern wurde H5N1 im März dieses Jahres in Texas nachgewiesen. Seitdem wurde diese Variante in 157 Rinderherden und bei vier Menschen, die mit Rindern in Kontakt standen, in 13 US-Bundesstaaten gefunden.
In einer Infektionsstudie zur Empfänglichkeit von Milchkühen zeigt sich nun, dass sich H5N1 von Wildvögeln aus den USA und aus Deutschland im Kuheuter sehr gut vermehren konnte. Im Euter wurde es mit hoher Konzentration nachgewiesen, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schreibt, das die Infektionen beobachtet.
Doch wie genau findet die Übertragung statt? Via Aerosole wie bei Sars-Cov-2? Soeben wurde in der Fachzeitschrift «Nature» eine Studie publiziert, bei der die Tiere experimentell mit H5N1 infiziert wurden: Einjährige Kälber wurden virenhaltigem Nebel ausgesetzt. Alle infizierten Tiere produzierten darauf neutralisierende Antikörper. Das deutet darauf hin, dass sich das Virus in einer Umgebung, in der Hunderte von Tieren auf engem Raum gehalten werden, mit Aerosolen über die Atemwege verbreiten könnte. Die Tiere hatten allerdings keine grosse Virenlast, was wohl bedeutet, dass die Aerosol-Ansteckung nicht der Treiber des Ausbruchs ist. Die Studie bestätigt somit frühere Arbeiten, die darauf hindeuten, dass sich das Virus hauptsächlich über infizierte Milch verbreitet. Der wahrscheinlichste Übertragungsweg scheine der von Euter zu Euter zu sein, sagt der Virologe Thomas Peacock vom Imperial College London in «Nature», beziehungsweise via der Milch.
Doch das Virus kann sich weiter verändern. In den USA hatten auf den verschiedenen Farmen viele Menschen Kontakt mit infizierten Rindern. Die Zahl der bekannten Infektionen ist mit vier Fällen bei Menschen aber trotzdem gering. Möglicherweise hatten Farmer und Angestellte trotz Infektion keine Symptome. Ob es zu asymptomatischen Infektionen gekommen ist, wird an der University of Minnesota untersucht.
Entwarnung vom BAG
Eine weitere, in «Nature» publizierte Studie hat untersucht, wie sich eine H5N1-Pandemie auf die Menschen auswirken könnte. Zwar ist das menschliche Immunsystem durch die sich oft wiederholenden Influenza-Ansteckungen auf Grippe vorbereitet. Aber H5N1 unterscheidet sich genetisch von den saisonalen Viren, was bedeutet, dass sie beim Menschen auf eine geringere Immunität treffen und daher gefährlicher sein können.
Allerdings sind die Immunsysteme nicht völlig schutzlos, weil viele Menschen in den letzten Jahrzehnten schon mit Vogelgrippe in Kontakt gekommen sind. Das trifft besonders auf Menschen zu, die vor 1968 geboren sind, wie die Wissenschafter erklären. Dies, weil sie ihre erste Grippeinfektion wahrscheinlich zu einer Zeit hatten, als das dominante zirkulierende Grippevirus mit H5N1 übereinstimmte. Sollte es zu einem Ausbruch des H5N1-Virus kommen, könnten ältere Menschen somit weitgehend verschont bleiben, während jüngere anfälliger sein könnten.
Entwarnung gibt momentan Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Vogelgrippevirus der Variante H5N1 sei für die Bevölkerung in der Schweiz im Allgemeinen sehr gering. «Beim Menschen gab es bis heute in der Schweiz keinen laborbestätigten Fall von H5N1.» Seit Dezember 2023 seien auch keine bestätigten Fälle von H5N1 bei Vögeln mehr aufgetreten. Sollte es bei Wild- oder Nutztieren erneut zu Infektionen kommen, stehen nach Ming Massnahmen zur Verfügung, um weitere Übertragungen zu verhindern und exponierte Berufsgruppen zu schützen.