Veränderungen bei Bestattungsritualen: Der Diessenhofer Pfarrer erzählt



Immer öfter heisst es in Todesanzeigen, dass im engsten Familienkreis Abschied genommen wird. Was sind die Ursachen dafür und was bedeutet das für traditionelle christliche Rituale in unserer säkularisierten Gesellschaft?
Der evangelische Pfarrer Gottfried Spieth aus Diessenhofen stellt unterschiedliche Haltungen der Betroffenen in der Stunde des Abschieds fest. Während die einen ihren Lebenslauf selbst verfassen, mit viel Herzblut das Drehbuch für die eigene Beerdigung schreiben – hätten andere Angehörige kein Bedürfnis oder keine Energie, Adressen herauszusuchen, Trauerkarten zu schreiben, Hände zu schütteln und ein Trauermahl zu organisieren.
Vielleicht wünsche auch die eine oder der andere Verstorbene selbst, dass kein Aufwand um sie oder ihn betrieben werden solle. So findet der letzte Abschied eben im kleinsten privaten Kreis statt. Die Trauerfeierlichkeiten hängen auch mit dem Alter, der Stellung und der Art des Ablebens des Verstorbenen zusammen. Gerade bei Suizid stellt Spieth eine besonders grosse Anteilnahme fest.
Die Römisch-katholische Kirche ist mit über 36 Prozent der Bevölkerung am stärksten vertreten, gefolgt von der Evangelisch-reformierten Kirche mit 24 Prozent. Menschen ohne Religionszugehörigkeit machen heute 25 Prozent der Bevölkerung aus, Tendenz steigend. Ein Grossteil der 5 Prozent Muslime in der Schweiz stammt aus dem Balkan und der Türkei.
Der katholische Pastoralraumleiter Untersee und Rhein, Robert Weinbuch, stellt fest, dass viele Menschen in der säkularisierten Gesellschaft den Bezug zur Kirche verloren haben und auch keine liturgische Gestaltung eines Begräbnisses wünschen. So wünschen sich manche ein «volles» oder gar kein Programm, wenige nur ein reduziertes, bei dem der Glaube an die Auferstehung der kleinste gemeinsame Nenner ist.
Der Glaube kann eine Hilfe sein
Bei Familien mit Migrationshintergrund aus katholischen Ländern des Südens beobachtet Weinbuch dagegen ein stärkeres Festhalten an traditionellen Riten. Dennoch glaubt er, dass sich der Säkularisierungsprozess in der modernen Gesellschaft weiter verstärken wird. «Christliche Grundbegriffe wie Gnade oder Frömmigkeit sind für viele unverständlich, religiöses Grundwissen über den christlichen Glauben fehlt weitgehend», stellt Weinbuch fest. Zudem nehmen die Kirchenaustritte zu.
Pfarrer Spieth hält dem entgegen, dass auch der westliche Mensch nach wie vor eine religiöse Sehnsucht in sich spüre, die sich beispielsweise in einer erstarkenden evangelikalen Frömmigkeit ausdrücke. Musik und Bilder sprechen die Menschen emotional an. Gerade in der heutigen Zeit mit ihren Krisen und Kriegen suche der Mensch Trost und Halt im Glauben an eine jenseitige Macht.
«Der Trend zur Feuerbestattung sowie zur individuellen Gestaltung des Abschieds ist unübersehbar.»
Werner Schellenberg, Leiter Werkhof Diessenhofen
Diese kann helfen, das Unberechenbare, das Schwere, das Unbegreifliche des Lebens in ein milderes Licht zu rücken und Trost zu spenden. Eine Trauerfeier oder ein Trauergottesdienst ist in erster Linie für die trauernden Hinterbliebenen wichtig, denn es ist die Art und Weise, sich ein letztes Mal zu verabschieden und dem Verstorbenen einen würdigen Abschied zu bereiten.
Man begleitet ihn auf seinem letzten Weg und erweist ihm damit die letzte Ehre. Laut Ruth Knuchel, Leiterin des Bestattungswesens der Gemeinde Diessenhofen, sind im vergangenen Jahr 38 Personen auf dem Gemeindegebiet verstorben. Davon wurden neun privat und drei auswärts bestattet. Hinzu kamen zwei Erdbestattungen.
Erweiterung der Urnenwand geplant
Werner Schellenberg vom Bauamt, zuständig für den Aussenfriedhof, weist darauf hin, dass die Grabstellen in der Urnenwand knapp werden und deshalb in diesem Frühjahr eine Erweiterung der Urnenwand geplant ist. Für Erdbestattungen stehe hingegen immer mehr Platz zur Verfügung. «Der Trend zur Feuerbestattung sowie zur individuellen Gestaltung des Abschieds ist unübersehbar», sagt Schellenberg.
Franco Fregona, Steinbildhauer aus Willisdorf, stellt immer mehr stille Bestattungen fest. «Ich finde Abschiedsrituale und Erinnerungszeichen an ein vergangenes Leben gerade für die Hinterbliebenen wichtig», sagt der Steinmetz. Für ihn soll der Charakter des Friedhofs als würdiger Ort des Gedenkens an die Verstorbenen erhalten bleiben – auch wenn sich dieser wichtige Ort aufgrund veränderter Bedürfnisse in Zukunft anders gestalten wird.