Künstlerin schafft 16 Tiere aus Holz im Auenwaldreservat

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Seit kurzem säumen Tiere aus Holz den Weg durch den Auenwald in Schleitheim. Die Künstlerin Claudia Kündig aus Bichelsee-Balterswil hauchte alten Bäumen neues Leben ein.

Von einer Künstlerin aus dem Holz befreit, leben jetzt im Auenwaldreservat 16 handzahme Tiere. Man kann sie streicheln, mit ihnen reden und sie mit Nüssen füttern.

Text und Bilder Beatrix Bächtold

Baumriesen ragen in den Himmel. Die Wutach rauscht. Vögel zwitschern. Irgendwo hämmert ein Specht. Scheint es nur, oder sonnt sich da inmitten dieser mystisch, friedlichen Waldlandschaft tatsächlich ein Fuchs auf dem Baumstrunk? Rötlich schimmert sein Pelz. So richtig wohl scheint es ihm zu sein. Keck hält er sein Näschen in den Bärlauchduft. Nähert man sich dem Reinecke, bleibt er liegen. Der Fuchs ist aus Holz.

Rötlich schimmert der Pelz in der Sonne.

Ein paar Meter entfernt auf einem Baumstrunk hockt ein Biber. Etwas weiter am Wegrand hat ein hölzerner Greifvogel gerade ein Mäuschen im Visier. Es folgen Hase, Frosch und Eule.

Der Fischotter scheint sich an der Wutach wohl zu fühlen.

Dem Fischotter am Ufer des renaturierten Flusses hat jemand ein Schneckenhaus als Hütchen auf den Kopf gesetzt. Entlang des Wegs entdeckt man immer wieder etwas Neues. Es gibt viel zu staunen und so verrückt es klingen mag, es gibt Spaziergänger, die mit den Holztieren reden.

Viele Eindrücke auf kurzem Weg

Zum Teil sind die Skulpturen leicht zu übersehen. Wie zum Beispiel der Molch oder der Sommervogel, der seine Flügel ziemlich platt auf dem Baumstamm gelegt hat. Dieser «Tierliweg» ist nicht beschildert, aber leicht zu finden. Er startet einige hundert Meter vom Parkplatz beim Gipsmuseum flussaufwärts und wäre im Prinzip in zehn Minuten abgewandert. Aber wer macht das schon? Überall blühen Schlüsselblumen, und Buschwindröschen. Veilchen duften. Umgekippte Bäume stapeln sich kreuz und quer. Efeu wuchert. Diese Eindrücke bremsen das Tempo, da schaltet selbst die Seniorenwandergruppe einen Gang zurück. Der Spaziergänger, der jeden Tag über die Wutach kommt, hat eine Baumnuss dabei, die er dem hölzernen Eichhörnchen in die Pfoten drückt. «Ich mach’ das immer so», sagt er. Ein Mädchen führt sein Pony spazieren, Radfahrer ziehen vorbei, alle grüssen. Der Weg ist auch für Kinderwagen und Gehhilfen geeignet. Ungefähr an der Waldhütte ist die hölzerne «Viecherei» zu Ende. Hier informieren dann Tafeln über den Auenwald. Bei Regen oder Hitze bietet der alte Holzbau Unterschlupf. Ungefähr 50 Meter entfernt kann man rechts abbiegen und durch den Wald zurücklaufen, oder man dreht einfach um und schaut sich den speziellen Zoo noch einmal von der anderen Seite an.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Der Auenwald an der Wutach ist ein beliebtes Naherholungsgebiet von Schleitheim. Hier in diesem Naturwaldreservat stehen Eschen. Viele davon leiden an der Eschenwelke in Kombination mit dem Halimasch. Das heisst, die Wurzeln der geschwächten Bäume werden zusätzlich noch vom Pilz befallen und der Baum wird dadurch instabil und kippt um. Dieses Phänomen ist nicht auf Schleitheim begrenzt. In der ganzen Schweiz sind viele Eschen krank. Um die Menschen auf diesem frequentierten Wanderweg vor herabfallendem Holz zu schützen, führte man hier im Auenwald vor ungefähr einem Monat einen Sicherheitsholzschlag durch. Somit war zwar die Gefahr gebannt, die gefällten Bäume blieben aber liegen. Für den Förster Christoph Gasser ein himmeltrauriger Anblick. Jedenfalls kam ihm die Idee, die Künstlerin Claudia Kündig aus Bichelsee-Balterswil im Kanton Thurgau zu fragen, ob sie aus den Baumstrünken etwas Schönes machen würde.

«Ich kann mit der Motorsäge umgehen, aber was die Künstlerin Claudia Kündig da geleistet hat, ist der Wahnsinn.»

Christoph Gasser, Förster

Den Kontakt knüpfte er bereits vor zwei Jahren, als Claudia Kündig im Rahmen des Dorffests während eines Gottesdienstes eine Kostprobe ihrer bildhauerischen Fähigkeiten gab. Und so rückte die freischaffende Künstlerin an, um innerhalb von wenigen Tagen im Wald aus der Not eine Tugend zu machen. «Ich kann mit der Motorsäge umgehen, aber was die Künstlerin Claudia Kündig da geleistet hat, ist der Wahnsinn», sagt Christoph Gasser. Bei der Umsetzung hatte sie freie Hand. Obwohl er selbst ein Fan von den entstandenen Skulpturen ist, will er als Förster den «Tierliweg» nicht an die grosse Glocke hängen. «Völkerwanderungen mit all ihren Nebenwirkungen können wohl kaum das Ziel einer solchen Aktion im Naturschutzgebiet sein», erklärt er.

Regelmässige Pflege mit Leinöl

Claudia Kündig genoss ihre Arbeit im Auenwald. «Alles lief gut und schritt zügig voran. Nicht zuletzt dank meines Mannes Ruedi, der den technischen Teil betreute und mir die Motorsägen fit machte», sagt sie. Bevor sie allerdings Hand anlegte, begutachtete Claudia Kündig die Baumstrünke von allen Seiten. Schliesslich sollten die Skulpturen ja in einem Stück entstehen. Da wurde nichts geleimt oder nachträglich geschraubt.

Der Greifvogel schaut sich nach Mäusen um.

Und so platzierte sie das grösste Tier, einen Greifvogel mit ausgebreiteten Flügeln, in einen Zwillingsbaum. Den Fischotter setzte sie auf einen Baumstrunk an der Wutach, der durchgefault war. Und die Künstlerin musste auch schon mal umdisponieren. So sollte der Kauz ursprünglich in die andere Richtung blicken. Weil das vom Holz her nicht ging, drehte sie einfach sein Köpfchen. Für ein langes Leben der «Tierli» ist bereits vorgesorgt. Regelmässig mit Leinöl gepflegt, werden sie wohl noch viele Menschen erfreuen.

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