Auf den Spuren der Schaffhauser Uhrmacherdynastie Habrecht

Ernst Hunkeler | 
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Die astronomische Uhr im Schaffhauser Fronwagturm, vom Dynastiebegründer Joachim Habrecht in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geschaffen. Bilder: Ernst Hunkeler

Wer sich in der relativ kleinen, aber umso wertvolleren Welt der historischen Uhren umsieht, kommt am Namen Habrecht nicht vorbei. Der Stammvater der berühmten Uhrmacherdynastie wirkte auch in Schaffhausen – fast 500 Jahre vor der Einführung der Sommerzeit.

Ob man es mag oder nicht: Morgen früh um zwei Uhr werden die Uhren in Europa wieder um eine Stunde vorgestellt – die Sommerzeit kann beginnen. Damit rücken auch die Zeiger der wohl berühmtesten historischen Uhren um eine Stunde vor: jene der Uhrmacherdynastie Habrecht. Begründet wurde sie von Joachim Habrecht, der um 1500 in Diessenhofen geboren wurde, später das Steiner Bürgerrecht erwarb, 1537 Magdalena Kauf aus dem benachbarten Gaienhofen heiratete und mit ihr schliesslich 13 Kinder hatte.

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Nach 1579 fertigte Isaak Habrecht die Uhr am Rathaus Heilbronn. Die Heilbronner Kunstuhr befindet sich am alten, historischen Teil des Rathauses.

Schon als Jugendlicher muss er sich mit Uhren beschäftigt haben, denn bereits 1519 taucht sein Name im Zusammenhang mit der Reparatur einer Turmuhr in Bern auf. 1540 war Habrecht in der Schaffhauser Neustadt ansässig und betrieb eine Uhrmacherwerkstatt, in der er 1561 als gewählter Stadtuhrmacher auch die astronomische Uhr im Fronwagturm schuf. Das Originalwerk befindet sich zwar im Museum zu Allerheiligen, doch dank eines Ersatzwerkes zeigt es auch heute noch Stunden, Tage, Mondphasen und das aktuelle Tierkreiszeichen an. Über dem Zifferblatt dreht sich die zur Hälfte goldene, zur anderen Hälfte schwarze Mondkugel und zeigt so die aktuelle Mondphase an.

Talentierte Habrecht-Kinder

Drei der 13 Habrecht-Kinder scheinen ihrem Vater bei seiner handwerklich wie mathematisch anspruchsvollen Tätigkeit besonders aufmerksam über die Schulter geschaut zu haben: Isaak (geb. 1544), Josias und Hans erlernten auf diese Weise das Uhrmacherhandwerk, wobei Ersterer später europäische Berühmtheit erlangte. An der zweiten astronomischen Uhr des Strassburger Münsters, die als eines der Habrecht’schen Prunkstücke gilt, arbeiteten die Brüder zusammen und mit ihnen der Schaffhauser Maler Tobias Stimmer, der zwischen 1568 und 1570 die Fassadenmalereien am Haus zum Ritter schuf.

Die astronomische Uhr im Schaffhauser Fronwagturm.

Stimmer und die Gebrüder Habrecht finden wir kurz darauf in Strassburg, wo sie 1574 die alte Uhr aus dem 14. Jahrhundert ersetzten. Es ist ein gut zwölf Meter hohes Kunstwerk, das auf mehreren Etagen bewegte Figurengruppen und auf einem grossen Zifferblatt unter anderem astronomische Daten und Abläufe zeigt. Während über allem jeweils um 12.30 Uhr ein Blechhahn mit den Flügeln schlägt und kräht, umkreisen auf der obersten Ebene die Apostel Jesus, während eine Etage tiefer Menschen aller Altersgruppen um ein Skelett defilieren, das die (letzte) Stunde schlägt. Ganz unten, direkt über dem Absperrgitter, erscheint für jeden Wochentag die zugeordnete Gottheit als Skulptur mit den für sie typischen Requisiten oder Tätigkeiten, wie beispielsweise Saturn, der am ihm gewidmeten Samstag eines seiner Kinder verspeist.

Die Basis der eindrucksvollen Konstruktion bildet eine Darstellung der Himmelskugel mit den Sternenbahnen am Firmament, die auf einer Kugel abgebildet ist. Neben dem Monumentalwerk in Strassburg baute Isaak Habrecht zahlreiche Tischuhren für gehobene Kreise, astronomische Uhren im Britischen Museum in London, im Schloss Rosenberg in Kopenhagen sowie in den Rathäusern von Ulm und Heilbronn. Letztere ist bis heute eine Art Wahrzeichen der Neckarstadt und wurde 1579 auf Empfehlung aus Strassburg errichtet. Auch sie zeigt Jahr, Monate, Tierkreiszeichen, Mondphasen, Datum, Wochentage, Stunden und Minuten.

Gruss des Meisters an Schaffhausen?

Auch hier kräht ein Blechhahn, und zur vollen Stunde stossen sich zwei Schafböcke. Vielleicht ein humorvoller Gruss des Meisters an seine Heimatstadt Schaffhausen? Habrechts Heilbronner Kunstwerk wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch Bomben zerstört, konnte aber anhand der Originalpläne und -berechnungen originalgetreu rekonstruiert werden.

Auch im Strassburger Münster findet man eine Uhr von Habrecht.

Apropos Berechnungen: Es ist schon bewundernswert, was für Universalgenies Leute wie Habrecht gewesen sein müssen, die sich in der Mathematik ebenso gut auskannten wie in Physik, Mechanik, Astronomie und Astrologie – und das ganz ohne elektronische (Rechen-)Hilfsmittel. Hinter jedem Blick auf unsere quarzgenauen, batterie- oder solarbetriebenen Armbanduhren verbergen sich ganze Zeitreisen.

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