Flurlingen plant seine Zukunft neu

Der Flurlinger Gemeinderat und ein Planungsbüro luden zum ersten von zwei Workshops zur «Raumanalyse». Dahinter steckt der Versuch einer Vision für die Siedlungsentwicklung. Es zeigt sich: Auf dem Gemeindegebiet wird man noch näher zusammenrücken (müssen).
Gerne hätten sich die Verantwortlichen, die Gemeinde sowie die Raumplaner mehr Zuspruch gewünscht, doch «Raumanalyse» tönt für Flurlingerinnen und Flurlinger irgendwie nicht so interessant wie «Verkehrsstrategie» oder «Eiserner Steg». So kamen dann noch gegen 40 Personen zum ersten von zwei gemeinsamen öffentlichen Workshops. Der zweite folgt am 28. Mai, drei Wochen vor der Rechnungsgemeindeversammlung.
Selbst die Gemeinde hatte im Vorfeld Mühe, nach dem Gemeinderatsbeschluss vom Februar 2023 geeignete Planungsbüros für die Mitwirkung zu begeistern, wie Gemeindepräsident Gilbert Bernath festhielt: «Es haben nicht alle auf uns gewartet.» Im vergangenen Juni folgte der Miteinbezug der kommunalen Begleitgruppe, die als Schnittstelle die Informationen an die breitere Bevölkerung vermitteln soll. Involviert sind hier die Primarschule, die Rechnungsprüfungskommission, der Fussball- sowie der Hilariverein, zwei Vertreter des Vereins «Attraktives Flurlingen» sowie ein Vertreter der Schweizerischen Gesellschaft für Immobilien AG als Eigentümerin des Arova-Areals.
Grundlage für Nutzungsplanung
Dabei geht es im Grunde um etwas viel Essenzielleres: die weitere Entwicklung der Gemeinde generell. Wo soll Flurlingen zukünftig wie aussehen? Welche Angebote fehlen heute? Wo kann und darf noch gebaut werden? Und welche Bereiche sind noch verbesserungswürdig, Schwachstellen? Das als Grundlage für eine allfällige (Teil-)Revision der kommunalen Nutzungsplanung. Nein, es gehe noch nicht um konkrete Lösungen, so Beat Lattmann vom Zürcher Raumplanungsbüro sa partners; man bewege sich vorerst auf einer strategischen Ebene.
Am Ende dieses einjährigen Findungsprozesses steht ein Dossier zuhanden der Gemeinde, die im Anschluss selber entscheidet, wie weiterverfahren werden soll, ob das Dokument rechtlich verbindlich gilt; auch eine «Verheiratung» mit der Verkehrsstrategie ist nicht auszuschliessen. Möglicherweise wird das Thema noch ein Traktandum an einer der kommenden Gemeindeversammlungen.
Themen, die Flurlingen bewegen, gibt es zur Genüge. An diesem Dienstagabend sollten einige davon, wie zu erwarten war, gleich mehrfach genannt werden.
Das Rheinufer ist, so scheint es, für Flurlingen Fluch und Segen zugleich. Kritisiert wird die Parkplatzsituation, der Badetourismus, das Fehlen eines attraktiven Rheinuferwegs für Spaziergänger. Auch das Rheintalareal, hier waren sich alle sechs Gruppen mehr oder weniger einig, bedarf einer Aufwertung. Restaurants seien unbedingt zu erhalten, vor allem der «Frohsinn» erscheint sehr wichtig. Bemängelt wird das Fehlen einer Busverbindung, entweder über die Zürcher oder über die Schaffhauser Verkehrsbetriebe, Haltestelle im Dorf inklusive. Mehrfach gewünscht wird zudem eine engere Zusammenarbeit der Politischen Gemeinde mit der Schulgemeinde.
Ausserdem fehlten angemessene «Eingangstore» als Symbol für die Gemeinde – Flurlingen sei nicht als Flurlingen zu erkennen. Dabei ist die geografische Abgrenzung und die Suche nach der Identifikation anspruchsvoller: Eingebettet zwischen Rhein und Cholfirst, ist Flurlingen in den vergangenen knapp 175 Jahren stark gewachsen, vom Rebbaudorf weg über die Industrialisierung sehr nahe an Schaffhausen und Neuhausen gerückt; Zürich und Winterthur interessieren hier gänzlich weniger, was sich auch an den Pendlerströmen ablesen lässt. Und vom Rebbau ist praktisch nichts mehr übrig geblieben.
Mangel an öffentlichen Freiräumen
Schlüsselthemen sind aus Sicht der Gemeinde und des Planungsbüros einerseits die Suche nach Orten für zentrale Einrichtungen wie auch die Zukunft der beiden Gewerbegebiete – das bekannte grosse Arova-Areal auf der Kuppe, angrenzend an Feuerthalen, das einer Mischnutzung zugeführt werden und stärker mit der Gemeinde zusammenwachsen soll, sowie das kleinere «Gries» im Norden der Gemeinde, an der Gründenstrasse.
«Wir müssen darauf achten, dass die Kosten nicht sprunghaft steigen.»
Dominic Meister Gemeinderat
Es fehle des Weiteren an öffentlichen Freiräumen, darunter Spielplätze – und die Schulraumplanung müsse angegangen werden, eine Frage des Timings. Gemeinderat Dominic Meister: «Wir müssen darauf achten, dass die Kosten nicht sprunghaft steigen. Nicht, dass wir dann, wie in Dachsen, zu schnell wachsen und neue Schulhäuser und Kindergärten gebaut werden müssen.»
Ein Dorf voller Einfamilienhäuser
«Wir haben wenige Wohnungen in Flurlingen» lautete eins der Voten; und Raumplaner Joel Bernet belegte dies mit Statistiken: Hier im Ausseramt finden sich im kantonsinternen Vergleich sehr viele Fünf- und Sechszimmerwohnungen – kein Wunder, bei einem Einfamilienhausanteil von 41,3 Prozent, knapp 26 Prozent mehr als im ganzen Kanton Zürich. 40 Prozent der Flurlinger Haushalte bestehen aus zwei Personen, ebenfalls ein Wert über dem Kantonsdurchschnitt; knapp 29 Prozent sind Ein-Personen-Haushalte.
Der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum wurde laut, die Begriffe «innere Verdichtung» und «verdichtetes Bauen» tauchten gleich mehrfach auf. Die bestehenden Flurlinger Bauzonen sind jedoch bereits zu rund 96 Prozent ausgelastet, knapp 3,5 Prozent mehr als im Kantonsschnitt. Grössere Raum- respektive Entwicklungsreserven sind nur noch wenige vorhanden: Da wären wiederum das «Gries», der «Ochsen» im Süden, angrenzend an das bestehende Siedlungsgebiet, sowie das «Brunnengässli», an der Neuhauserstrasse, die grösste offene Fläche im Dorfzentrum.
Auch wird sich Flurlingen in naher Zukunft vermehrt mit altersdurchmischtem Wohnen und dem Bau von Alterswohnungen beschäftigen müssen: Andelfingen ist schon heute der im Schnitt «älteste» Bezirk im Kanton Zürich. Prioritär aufzuwerten sind gemäss ersten Untersuchungen das Rheinufer in Richtung Schaffhausen sowie der alte Ortskern rund um den Eisernen Steg. Was sich mit dem geschützten Ortsbild mehr oder weniger überschneidet. Auf der Suche nach dem «qualitativen Wachstum» muss sich Flurlingen zudem mit dem Steuersubstrat befassen. Auch wenn es vorerst eine Vision bleibt: Bernath spricht – nicht ganz unernst – von einem zweiten Herrliberg; potente Steuerzahler helfen, die anstehenden Bauvorhaben mitzutragen, ohne den Steuerfuss nach oben anpassen zu müssen.