Eine Salzburger Sicht auf Paris – und Frauen

Sonja Riemer präsentiert in der Weinlandgalerie eine Auswahl ihrer Bilderserien. Unter dem Motto «Einblicke und Aussichten» sind Frauenskulpturen und detailreiche Bilder zu sehen.
Sonja Riemer – «Einblicke und Aussichten»: Weinlandgalerie Kleinandelfingen im alten Gemeindehaus. Schaffhauserstrasse 11. Vernissage: FR, 02.02., 19–21 Uhr. Finissage: SO, 25.02., 11–15 Uhr (beide Male mit Sonja Riemer). Öffnungszeiten: DO, 16–20 Uhr, SA, 14–18 Uhr, SO, 11–15 Uhr – oder auf Anfrage.
«Eine tiefgründige Faszination für Vergänglichkeit/Verwandlung ist in allen Werken der Künstlerin sichtbar», so das Verdikt eines Museumskurators zur Wettswiler Malerin Sonja Riemer, die nun in der Weinlandgalerie ausstellt. Der Querschnitt ist von Frauenfiguren geprägt: Auf Skulpturen und Bildern sind die Figuren oft deformiert oder eingebettet in poetisch anmutende Natursujets.
Emotionales Bild von Montmartre
Ganz am Rand der Ausstellung: ein Bild einer menschenverlassenen Stadt, «Paris (Vieux Ville)» in Acryl. Der Betrachtende schaut von oben herab in die leere Quartierstrasse, bei dem in einem quaderähnlichen Häuschen aus geschachtelten Fenstern des Mansardenstübchens schwaches Licht brennt. «Ich war mit meinem Mann in Paris und von der leeren Quartierstrasse sofort angetan», so Riemer beim Mediengespräch gegenüber den SN. Dieses Bild ist, wie viele andere Bilder, bei Riemer aus der Emotion heraus entstanden. «Anders als der umtriebige Alltag war das Quartier am Abend ganz ausgestorben», so die Malerin, die auf dem Land, in der Nähe von Salzburg, aufgewachsen ist. «Die Atmosphäre erinnerte mich an ein Dorf, wo sich vor 150 Jahren noch Fuhrwerke mit Tieren aufhielten. Das musste raus. Ich musste das einfach malen.»
Die Künstlerin hält Eindrücke aus ihrem Alltag oder auf Reisen immer mit ihrer Smartphone-Kamera fest. «Dieses ist schneller bei der Hand», so Riemer. Danach ordnet sie die aufgenommenen Bilder in ihrem Atelier in der Nähe ihres Wohnorts. Viele der Werke Riemers sind durch einen besonderen Schwung geprägt. So zum Beispiel die Kopfskulptur «Leaves», bei der ein Frauenkopf von hinten durch eine Blätterknospe umhüllt wird. «Das Herausbrechen hat mich hier besonders interessiert», so Riemer.
Die gebürtige Österreicherin behandelt Frauenfiguren sorgsam. Bei «Her Way» überragt mit Öl auf der Leinwand (100 mal 160 Zentimeter) eine schlanke Frau mit kecker gelbbrauner Handtasche vor einem abstrakten Hintergrund. Dunkelblau und Weiss lassen die Figur lässig in der Gegend herumstehen, als ob sie auf den Betrachtenden zu warten scheint. Dies wird bei «Lea» anders gelöst. Ähnlich wie bei den alten Griechen und Römern hat dieser kopf- und handlose Frauenkörper das Auftreten eines Überrests, bei dem nur noch das türkise Ballkleid (aus oxidiertem Kupfer) konsistent ist. Das Ballkleid bleibt zurück, während der Figur Körperteile fehlen.
Interessant ist, wie Riemer mit Stimmungen umgeht. «‹Baum› heisst für mich ‹Leben›», bestätigt die Malerin im Interview. Bei einem Bild steht zum Beispiel eine grosse und schlanke Frau abseits von einer weissen Birke, als würde sie sich von ihr abwenden. Während bei «Leaves» die Blätter knospengleich für die Bejahung des Lebens stehen könnten, überwiegt hier Distanz. Einen perfekten Kontrast stellt hier das Einstiegsbild «Don’t stay» dar: Es zeigt eine schwarzhaarige Frau, die einen Sakura-Baumblütenwald erkundet und fast darin aufgeht, wären da nicht die scharfen, trennenden und schützenden Konturen des Pinselstriches, mit denen der Menschenkörper gemalt wurde.