Theater 88 bereitet sich für zweite Runde vor

Jean-Marc Rossi | 
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Regisseur Walter Millns gibt der Theatergruppe letzte Anweisungen vor einer der letzten Proben vor der Premiere. Bild: Jean-Marc Rossi

Intrigen, Heuchelei und eine unerwartete Wendung: Zum zweiten Mal nimmt sich die Mundart-Laiengruppe Theater 88 Nikolai Gogols schonungslose Komödie «Der Revisor» vor. Besuch bei einer der letzten Proben vor der Premiere am Freitag.

Die Panik in der Chilbistadt ist förmlich mit Händen zu greifen: Die Betreiberinnen der Spielbuden werden in einem Brief aus der Hauptstadt vor der Ankunft einer Revisorin gewarnt. Weil sie es alle mit den Vorschriften nicht immer allzu genau nehmen, fürchten sie um die Zukunft ihrer Geschäfte. Aber woran sollen sie bloss die Revisorin erkennen? Ist es etwa die elegant gekleidete, aus Bern angereiste Dame, die am Sandwichstand sämtliche Brötchen durchprobiert? Gemeinsam wollen die Budenbetreiberinnen der Bedrohung begegnen, doch dann brechen innerhalb des Zweckbündnisses Intrigen auf, jede versucht nur noch ihre eigene Haut zu retten.

Mit dieser Ausgangslage und der grotesken Überzeichnung der Machtverhältnisse in einer russischen Provinzstadt wusste bereits 1836 der Dichter Nikolai Gogol seine Zeitgenossen zu begeistern. «Der Revisor» gehört im deutschsprachigen Raum zu den meistgespielten Komödien. In Ramsen wird das Stück bereits zum zweiten Mal aufgeführt. Im Unterschied zu 2009 nimmt Theater 88 dieses Jahr die von Paul Steinmann verfasste Mundart-Fassung «Die Revisorin» von 2010 als Vorlage.

Moderne Version des Klassikers

«Im Vorstand waren wir der Meinung, es sei vertretbar, nach 14 Jahren die moderne Version dieses Klassikers noch einmal aufzuführen, zumal bei dieser Fassung unser tolles Ensemble voll zur Geltung kommt», so Matthias Brütsch, Präsident des Vereins Theater 88. «Wir suchen Stücke, die von der Anzahl her zu den Schauspielerinnen und Schauspielern unserer Truppe passen.» Ist der Titel erst einmal ausgewählt, werden die Rollen zugeteilt.

«Tendenziell interessieren sich mehr Frauen für das Schauspiel als Männer.» Gerade jüngere Männer für das Theater zu begeistern, sei besonders schwierig, diese hätten in diesem Alter einfach anderes im Kopf. «Der Revisor ist ein gutes Stück mit herrlichem Humor und mit schrägen Figuren.»

Abwechslung in der Themenwahl

Es gelte auch eine Abwechslung in der Themenwahl zu finden: «Seit 35 Jahren besteht das Theater 88. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Den Gründerinnen und Gründern war es ein Anliegen, auch Literatur zu spielen. Dazu gehören ein durchdachtes Bühnenbild, moderne Lichttechnik und die passend zum Stück dekorierte Gastwirtschaft. Diesen Qualitätsanspruch wollen wir weiterhin halten und einen Abend im Theater 88 zu einem besonderen Erlebnis machen.»

«Die Produktionen mit dem Ensemble bereiten mir jedes Mal viel Freude», sagt Walter Millns, der in Ramsen zum achten Mal Regie führt. Der Regisseur, der neben Drehbüchern und Theaterstücken auch Kurzgeschichten und Kriminalromane schreibt, arbeitet eigentlich immer mit Laien zusammen: «Je nachdem wie lange jemand schon beim Theater ist, bringt jede und jeder ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit. Genau das finde ich aber interessant. Es braucht für jedes neue Projekt eine gewisse Offenheit und eine andere Herangehensweise.»

Eine intensive Zeit mit 40 Proben

Über die Jahre hinweg stellt Millns bei den Schauspielerinnen und Schauspielern von Theater 88 eine Entwicklung und zunehmende Erfahrung fest.

«Mit 40 Proben und drei Wochenenden zwischen März und September ist Vorbereitung auf eine neue Produktion für alle Beteiligten aber auch eine intensive und sehr fordernde Zeit.» Vor dem ersten Probedurchlauf am Dienstag mit Kostümen, Bühnenbild, Beleuchtung und Musik, gibt Millns noch einmal letzte Anweisungen und betont, dass Theater kein «sicherer Ort» ist. Jede Aufführung ist anders.

«Nehmt es, wie es kommt»

«Es passieren Fehler, manchmal hat man einfach einen schlechten Tag. Nehmt es, wie es kommt, reagiert darauf und spielt so, dass die anderen gut aussehen.» So würden sich die Darstellenden nicht zu stark auf ihre Rolle fixieren, erklärt Millns im Gespräch: «Sie lenken ihre Gedanken von sich selbst ab und entwickeln ein natürlich wirkendes Rollenspiel.» Wesentlich sei, wie die Gruppe untereinander funktioniert, nicht der Einzelne.

Theater 88: «Die Revisorin», Premiere am Freitag, 15. September, 20 Uhr, in der Aula Ramsen. Theaterbeiz und Abendkasse ab 18.30 Uhr. Reservationen und Programm der Aufführungen bis zum 30. September auf www.theater88.ch.

Was ist bei der «Revisorin» anders als bei der Inszenierung von «Revisor» im Jahr 2009?

 

Stephan Hugentobler

«Dieses Mal spiele ich einen Mandelverkäufer. 2009 war ich der Kurator. In der Neufassung erhalten die Frauenrollen mehr Gewicht. Insgesamt wirkt die Komödie humorvoller, was sicher auch an der Umgebung, einem Rummelplatz, liegt.»

 

Melinda Wunderli

«2009 hatte ich zwei Nebenrollen und machte damals mit 21 Jahren zum ersten Mal mit. Diesmal spiele ich die Karussell-Betreiberin, also eine wichtigere Rolle. Bei der neuen Fassung finde ich die Charakterzeichnungen witziger.»

 

Hanspeter Hotz

«Abgesehen vom ähnlichen Inhalt wirkt die neue Aufführung heiterer. Wahrscheinlich, weil sie in der heutigen Zeit und in der Schweiz angesiedelt ist. 2009 spielte ich den Stadthauptmann, jetzt den leicht verwirrten Vater der Marktchefin.»

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