Vorstoss ins All – Pioniergeist oder Gier?

Von Hanspeter Walder
Schon seit undenklichen Zeiten zeigt der Mensch sich als Entdecker und Pionier und stösst in immer abgelegenere Sphären vor; erst sachte, in seinen Möglichkeiten noch eingeschränkt, richtet er sein Augenmerk auf immer entferntere Ziele, schafft Werkzeuge und Mobilität, um seine ursprüngliche Heimat verlassen zu können. Ist es Bevölkerungsdruck, Hunger und Durst oder schlummert da noch etwas anderes in uns drin: eine Sehnsucht nach Ferne und Aufbruch? Der aktuelle Wettlauf um Entdeckungen und Erforschung unseres Sonnensystems und des gesamten Universums mit den modernsten Instrumenten spricht da eine deutliche Sprache.
Entdeckungen
Erst waren es entferntere Gebiete, Kontinente und Inseln, später die Tiefsee und die höchsten Gebirge, und es gipfelte schliesslich in der Mondlandung der Eagle-Landefähre, die die Apollo-11-Crew unter der Leitung von Neil Armstrong am 21. Juli 1969 realisierte. Tatsächlich, für ihn ein kleiner Schritt, für die Menschheit ein grosser.

Was bewegt Menschen, trotz des hohen Risikos und unter unbekannten Gefahren ihre Wohlfühlzone zu verlassen und ferne Welten anzusteuern? Man stelle sich einmal vor, dass es in der Vergangenheit einzelne Menschen gab, die eine Küste verliessen, ohne zu wissen, wo und ob überhaupt sie landen würden. War es nur Verzweiflung, oder schwang da nicht noch eine gewisse Abenteuersehnsucht mit, die dem Menschen seit seiner Entstehung den nötigen Wandertrieb generierte? Eines ist sicher: Es lohnte sich für diese Pioniere oft, das Risiko eingegangen zu sein, und es war damals in Nomadenzeiten kaum die Gier nach Reichtum und Macht.
Unglaubliche Bildqualität
Nach grossen Teleskopen auf der Erdoberfläche entwickelte die Nasa später das Hubble-Weltraumteleskop, mit dem wir bis beinahe an den Rand von Raum und Zeit blicken können, in gestochen scharfen und farbenprächtigen Bildern festgehalten. Hier gibts wohl kaum noch etwas Besseres, so dachte man jedenfalls, aber das kürzlich im Raum installierte James-Webb-Weltraumteleskop liefert Bilder in noch besserer Auflösung, die uns das All in seinen feinsten Nuancen offenbaren, mit einer Technik, die stets weiterentwickelt wurde. Der Glaube an die Wissenschaft, der Pioniergeist, der unbeugsame Wille, es trotz aller widrigen Umstände zu schaffen, hat den Menschen schon in frühesten Zeiten weitergebracht. So nun auch in der heutigen Welt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Mensch auf der Marsoberfläche landet und sich der dortigen Wüste bemächtigt. Den Drang zu Reichtum und Macht entwickelt der Mensch meist erst später, wenn Wirtschaft und Politik das neu entdeckte Terrain betreten und es für sich zu nutzen wissen.
Eine Art Prophezeiung
Als Jules Verne 1864 bis 1873 sein Werk schuf, heute weltberühmte Romane wie zum Beispiel «Die Reise zum Mittelpunkt der Erde», «20 000 Meilen unter dem Meeresspiegel» und «Reise um die Erde in 80 Tagen», glaubte auch niemand daran, dass ein Jahrhundert später Auguste Piccard mit seiner «Trieste» den 10,9 Kilometer tiefen Marianengraben erreichen sollte oder Menschen auf dem Mond landen würden. Das Unmögliche war möglich geworden. Die technische Entwicklung ist seit damals nicht stehen geblieben; heute verfügen wir über wissenschaftliche Kenntnisse, Materialien und Energiebereitstellungen, von denen die Menschen im 19. Jahrhundert nicht einmal zu träumen wagten. Fasziniert schauen wir uns perfekt dargestellte Fantasiewelten in Science-Fiction-Filmen an und glauben kaum, dass wir mit unseren beschränkten Mitteln jemals in solch ferne Welten vorstossen werden. Aber wer weiss, die Vergangenheit zeichnet uns eine andere Wahrheit auf. Letztlich bleibt nur noch die Frage: Wie viel Entwicklung ist noch möglich? Unsere Welt wird zunehmend eng und verletzlich: Wie viel Zeit bleibt uns noch, um Technologien zu entwickeln, die es uns ermöglichen, eine überbevölkerte und übernutze Erde zu verlassen? Sollte die Entwicklung moderner und nachhaltiger Technologien nicht eher dem Erhalt unserer Mutter Erde dienen? Leider lehrt uns die Geschichte auch da anderes. Entweder versuchten in der Vergangenheit Menschen in entfernte Gebiete auszuwandern, weil Nahrung und Land knapp geworden waren, oder sie blieben sesshaft und gingen kontinuierlich oder abrupt unter. Uns eine Lehre sein könnte das Schicksal der weit vom Festland entfernt gelegenen Osterinsel. Durch grenzenloses Übernutzen der lokalen Ressourcen verloren die Menschen ihre Lebensgrundlage und wohl auch ihre Kultur; überlebt haben nur wenige Inselbewohner. Könnte die Geschichte der kleinen Insel im Stillen Ozean stellvertretend stehen für das Schicksal der ganzen Erde? In diesem Sinne versteht man die Entwicklung der kostspieligen Raumfahrt und den neu entbrannten Kampf um den Mond. Unser Trabant gilt heute als Sprungbrett für die zukünftige Raumfahrt, da ein Start von unserem Nachtgestirn aus infolge der sechsmal geringeren Schwerkraft wesentlich weniger Energie benötigt und er praktisch keinen gefährlichen Weltraumschrott um sich herum vereinigt.
Am Sonntag, 17. September: Sonnenbeobachtung mit dem Teleskop von 13.30 bis 16.00 Uhr, inkl. unserem SHnat – Kaffee zum gemütlichen Verbleib.