Als lebensfroher Pilger auf dem Jakobsweg

Ernst Hunkeler | 
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Mit Pilgermütze und Pilgermuschel ausgerüstet: Otti Schmid vor einer Karte des Jakobswegs in der Hemishofer Mehrzweckhalle. Bild: Ernst Hunkeler

Im Laufe von acht Jahren war der Hemishofer Otti Schmid in Etappen Richtung Santiago de Compostela unterwegs. Fröhliche Runden hat er dabei selten ausgelassen.

Wenn der einstige Swissair-Kapitän und Weltumsegler Otti Schmid etwas Währschaftes unternimmt – was im Verlauf seines bewegten Lebens oft der Fall war –, dann tut er es kaum still und leise. Am liebsten lässt der gesellige 78-Jährige, der als Bauernsohn auf dem Steiner Bleichi-Hof aufgewachsen ist, auch andere Leute an seinen Abenteuern, Erfahrungen und Eskapaden teilhaben. Nach seinen Segeltörns in die Südsee tat er dies mit den Büchern «Hasta Bananas» und «Hasta Luego», von seinen Pilgerabenteuern berichtete er in zahlreichen Vorträgen – wie am Samstagabend in der Hemishofer Mehrzweckhalle im Rahmen der Generalversammlung der Heimatvereinigung Buch, Hemishofen, Ramsen.

Mit Rucksack, Pilgermütze, Pilgermuschel und Pilgerstab ausgerüstet, wanderte Schmid in die Halle, wo Vereinspräsident Arthur Meister die rund 80 Anwesenden begrüsst hatte. Stock und Rucksack legte der Referent ab, Mütze und Jakobsmuschel behielt er an – dann legte er los mit seinen speziellen Erinnerungen an seine erste Pilgerfahrt. Wie er in Saint-Jean-Pied-de-Port in den Pyrenäen ankam und erst mal erschrak, als sich die vermuteten 600 Kilometer bis Santiago de Compostela auf einem Wegweiser als 790 entpuppten. 790 Kilometer, die Schmid während der kommenden 35 Tage als Jakobspilger auf Schusters Rappen zurücklegte, den Rucksack auf dem Buckel und einen Stock in der Hand – einerseits als Stütze, andrerseits um die allgegenwärtigen Hunde abzuwehren und überdies als persönlichen Wanderkalender, der mit dem Sackmesser jeden Tag eine Kerbe erhielt.

Offene Hintertüren

Otti Schmid war kein mit Sorgen oder Schuld beladener Pilger, der zu büssen hatte. Er genoss das Schreiten auf dem geschichtsträchtigen Weg, die unzähligen Bekanntschaften und fröhlichen Runden – und die Nächte in den Herbergen. Wobei er auch damit klarkam, als sich ein angebotenes «Einzelzimmer» als Einmannzelt auf der benachbarten Wiese entpuppte.

Weniger erfreulich fand der trotz Tagesleistungen von 15 bis 25 Fusskilometern immer noch erstaunlich nachtaktive Pilger die Tatsache, dass die meisten Herbergen um zehn Uhr abends schlossen. Aber wie nicht anders zu erwarten, wusste Schmid bei einer Herberge schnell, welche Hintertür offen blieb, und auf einem der zahlreichen Bilder war der hohe Eisenzaun zu sehen, den er nach einem überzogenen Festbesuch überklettern musste. Als «Spätpubertierenden» habe ihn deswegen eine in derselben Herberge abgestiegene Pilgerin bezeichnet ...

Nach 35 Tagen hatte der lebensfrohe Hemishofer die 790 Kilometer zurückgelegt, war ohne Blasen oder sonstige Beschwerden zugange und hatte die Strecke in seinem Pilgerpass lückenlos mit den offiziellen Stempeln dokumentiert. Und was hat der Pilger bei seiner Ankunft vor der Kathedrale in Santiago empfunden? «Emotionen pur!», geweint habe er. Am kommenden Tag wurde in der Kirche auch noch sein Name verlesen: «Otti Schmid from Switzerland».

Nochmals 1600 Kilometer

Doch der Weg endete auch für ihn erst am Kap Finisterre, wo er zum ersten Mal auf seiner Pilgerfahrt den mitgenommenen Regenschirm brauchte. Und wo Schmid der Tradition gemäss seine Pilgerkleider verbrannte. Vielleicht ein wenig zu früh, denn während der folgenden sieben Jahre erwanderte er auch noch alle anderen Etappen des Jakobsweges von Kon­stanz aus bis Saint-Jean-Pied-de-Port und damit insgesamt nochmals rund 1600 Kilometer.

Damit hat er jene Strecke erneut zurückgelegt, die er in den 70er-Jahren als Pilot einer DC-9 oft geflogen war, um von Santiago de Compostela portugiesische Gastarbeiter in die Schweiz zu holen. Damals in einigen Kilometern Höhe, 2010 bis 2016 mit beiden Füssen auf der Erde. Und, so meinte er: «Jetz chan i da au abhöögle.»

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