Als Schaffhausen einen Hafen bauen wollte

Daniel Zinser | 
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So sehen die Pläne zum Schaffhauser Hafen aus dem Jahr 1914 aus, die im Stadtarchiv zu sehen sind. Bild: Stadtarchiv Schaffhausen

Grosse Lastschiffe findet man auf dem Schaffhauser Rheinabschnitt keine. Pläne im Stadtarchiv zeigen, dass der Rhein heute aber auch ganz anders aussehen könnte.

Ihr Rhein ist den Schaffhausern heilig. Das haben sie nicht zuletzt im Jahr 2014 bewiesen, als sie die geplante Höherstauung des Rheins an der Urne bachab geschickt haben. Seit Jahren gibt es Bemühungen, den Rhein und sein Ufer für die Schaffhauser noch attraktiver zu machen. Es finden Renaturierungen statt und Tiere und Pflanzen an und im Rhein werden behütet und gepflegt. Vor etwas mehr als 100 Jahren war der Rhein aber aus einem ganz anderen Grund ein Thema. Es entstanden Ideen mit einschneidenden Auswirkungen. Hätte man damals in Schaffhausen über mehr Geld verfügt, würde es den Rhein, so wie wir ihn heute kennen, nicht mehr geben. Doch alles der Reihe nach.

Ambitionierte Pläne mit grosser Wirkung 

Wir schreiben das Jahr 1908. Entlang dem Rhein werden ambitionierte Pläne geschmiedet. Das grosse Ziel: Die Schiffbarmachung des Rhein von Basel bis zum Bodensee. Mit riesigen Schleusen-, und Kanalbauten sollten natürliche Hindernisse wie zum Beispiel der Rheinfall umgangen werden. Grosse Hafenanlagen in den Städten sollen den Rhein als wirtschaftlichen Handelsweg nutzbar machen. Auch in Schaffhausen will man sich die grosse Chance nicht entgehen lassen und bereit sein, wenn die Kuchenstücke verteilt werden. So liest es sich zumindest bei einer Recherche in verschiedenen Ausgaben der Schaffhauser Nachrichten von damals. Die Stadt Schaffhausen tritt mit grossen Erwartungen dem Nordostschweizerischen Schifffahrtsverband bei.

Wie es im Buch «Schaffhausen, wie es nie gebaut wurde» von Bernhard Ott und Hans Bölsterli nachzulesen ist, nehmen die Pläne zur Schiffbarmachung des Rheins im Jahr 1914 weiter Fahrt auf. Der Nordostschweizerische Schifffahrtsverband will die Landesausstellung in Bern dazu nutzen, um Werbung für sein grosses Projekt zu machen. Aus diesem Grund wird auch die Stadt Schaffhausen angefragt. Man solle doch für die grosse Ausstellung in Bern Pläne für einen Schaffhauser Hafen beisteuern.

Die Stadt lässt sich nicht lumpen und beauftragt das Ingenieurbüro Th. Bertschinger Söhne ein Projekt zu entwerfen. Die Pläne dazu treffen im Februar 1914 ein. Neben vier verschiedenen Varianten für einen Schaffhauser Hafen beinhalten die Pläne auch Ideen für einen möglichen internationalen Freihafen in Büsingen und einem Hafen mit Anschluss an den SBB-Bahnhof in Neuhausen.

Teure Maximalvariante 

Die günstigste Variante für einen Hafen in Schaffhausen sollte damals knapp eine, die teuerste Variante fast zwei Millionen Franken kosten. Eine beachtliche Summe für die damalige Zeit.

Während bei der Minimalvariante ein rund 200 Meter langer Anlegequai aus Eisenbeton verbaut worden wäre, hätte die Maximalvariante die Gegend um den Moserdamm noch wesentlich stärker verändert. So finden sich im Schaffhauser Stadtarchiv die Pläne des Büros Th. Bertschinger Söhne. Parallel zur Grabenstrasse – dort wo seit vielen Jahrzehnten die Blockflötenmanufaktur Küng ihren Sitz hat – wäre ein 90 Meter langes und 30 Meter tiefes Hafenbecken eingeplant gewesen, dessen Bau einen gewaltigen Aushub notwendig gemacht hätte. Eine fahrbare Verladebrücke, ein Getreidespeicher, ein Güterschuppen und ein Kohlendepot sind auf den Plänen ebenfalls eingezeichnet, wie auch direkte Anschlüsse an das Schienennetz der SBB.

So stellte sich das Büro Th. Bertschinger Söhne den Schaffhauser Hafen vor. Bild: Stadtarchiv

Doch der Widerstand gegen das Grossprojekt war von Anfang an gross, wie in den Schaffhauser Nachrichten vom 28. April 1918 nachzulesen ist:

Wir können nicht hoffen, daß Schaffhausen ein großer internationaler Umschlagsplatz für Zürich, Winterthur oder Singen wird. Weil Eglisau näher an Zürich liegt als Schaffhausen, wird der Umschlagsplatz für Zürich wohl in Eglisau erstellt werden. Der Umschlagsverkehr von Singen wird wohl von Radolfzell aus besorgt werden.

Diese Zeilen stammen aus einem Artikel aus einer Infoveranstaltung der städtischen FDP. Der damalige Parteipräsident Eugen Müller stand in der Diskussion dem Projekt ebenfalls sehr kritisch gegenüber. Er konnte nicht verstehen, wieso mitten in der Stadt ein Umschlagshafen erstellt werden soll. Er sah das Projekt eines kleineren Hafens in Neuhausen als zweckmässiger an.

Auch in Neuhausen war man sehr bestrebt den Hafen ins Dorf zu holen, wie es wiederum im Werk von Bernhard Ott und Hans Bölsterli nachzulesen ist. So sei die Initiative für gemeinsame Besprechungen mit der Stadt jeweils von der Rheinfallgemeinde ausgegangen. Doch die Vertreter der Stadt hatten von Anfang an nur eine Meinung: Auf keinen Fall wollten Sie den Hafen den Neuhausern überlassen. Mit einer einzigen Ausnahme: Neuhausen könne den Hafen haben, wenn die Gemeinde den eigenen Bahnhof aufgebe und sich zu Eingemeindung in die Stadt Schaffhausen bereit erkläre. Es kam zu keiner Einigung.

Der Weltkrieg lässt Pläne im Sand verlaufen

Der erste Weltkrieg, der kurz darauf ausbrach, brachte die Verhandlungen und die Pläne zur Schiffbarmachung des Rheins dann für 20 Jahre zum Erliegen. Erneut tauchten dann aber wieder Pläne für einen Neuhauser Hafen auf. Das Eidgenössische Wasserwirtschaftsamt hatte die Gemeinde Neuhausen im Jahre 1941 zur Stellungsnahme zu diversen Schiffbarmachungs-Projekten aufgefordert. Der Neuhauser Gemeinderat wollte erneut mit den Schaffhausern zusammenarbeiten, deren Interesse war aber deutlich abgestumpft. Auch nachdem die Neuhauser eine weitere Projektierung eines Rheinhafens beim Schaffhauser Ingenieur Erwin Maier in Auftrag gaben, konnten sie die Schaffhauser nicht mehr dazu bewegen, dass Projekt gemeinsam zu diskutieren.

Mit den Folgejahren schwächte sich das Schaffhauser Interesse an einem schiffbaren Rhein noch stärker ab. 1962 trat die Stadt Schaffhausen als Folge einer Motion von Hans Blum aus dem Nordostschweizerischen Schifffahrtsverband aus. Der Rhein war als Naherholungsgebiet wichtig geworden.

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