Das Schweigen der Männer nützt niemandem

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«Männer müssen immer alles im Griff, alles unter Kontrolle haben. Wer das nicht schafft, wird als Weichei, als Softie denunziert. » Symbolbild: Pixabay

Diskriminierung trifft nicht nur Frauen, Männer erleiden oft ein ähnliches Schicksal. Das hat ein Vortrag im Rahmen der «Sexismusdebatte» an der Akademie Berlingen deutlich gemacht.

«Alles Übel der Welt kommt von Männern.» – Markus Theunert, Fachmann für Männer- und Geschlechter­fragen, meinte am Mittwochnachmittag vor gut zwei Dutzend Hörer­innen und Hörern der Akademie Berlingen, dass dieser Befund kaum Widerspruch erfahre. Es scheint allgemein klar zu sein: «Das Böse ist männlich.»

Nun gab Theunert zu bedenken, dass selbst engagierte Feministinnen sich so nicht ausdrücken würden. Der Kampf der Feministinnen richte sich nicht gegen Männer an sich. Das haben die Hörerinnen und Hörer des Akademie-Zyklus «Sexismusdebatte» bereits an zwei früheren Vorträgen vernommen. Dann, so denkt mancher, ist ja alles in Ordnung. Warum engagieren sich Männer überhaupt noch in Organisationen und streben Gleichberechtigung an? Theunert konnte diese Frage beantworten. Er war von 2005 bis 2015 Gründungspräsident von männer.ch und ist seit 2016 als Generalsekretär und Programmleiter des nationalen Programms MenCare Schweiz für die operative Leitung der Geschäftsstelle zuständig.

«Indianer kennen keinen Schmerz»

Theunert erinnerte an den Spruch: «Indianer kennen keinen Schmerz.» Buben werden damit gewarnt. Sie sollen kein Schmerzempfinden zeigen. Den jungen Männern werden Empfindungen ganz generell verboten. Männlichkeit muss inszeniert werden. Männer müssen immer alles im Griff, alles unter Kontrolle haben. Wer das nicht schafft, wird als Weichei, als Softie denunziert. Doch das hat oft, nicht immer, böse Folgen: Dieser kollektive Selbstbetrug kann zur Selbstausbeutung, ja bis zur Selbstzerstörung führen. Deshalb, so Theunert, muss agiert werden.

Das Schweigen der Männer nützt niemandem, weder den Frauen noch den Männern. Die Männerorganisation hält es für wichtig zu verstehen, dass Männer ebenso unter den Auswirkungen des patriarchalen Systems von Selbst- und Fremdausbeutung leiden – auch wenn sie in den Zentren der Macht noch immer übervertreten sind. Theunert führte das Bild vom Gefängnis an. Männer sind sowohl Insassen des Gefängnisses als auch dessen beste Wächter. Weder Männer noch Männlichkeit sind per se das Problem. Das Problem ist, dass ausbeuterische Männlichkeiten zur Normalität gemacht und positive, sorgende Männlichkeiten abgewertet werden.

Deshalb ist es nicht nur die individuelle Aufgabe jedes einzelnen Mannes, sich zu hinterfragen. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, einen Wertewandel zu vollziehen. Theunert erinnerte daran, dass die Bundesverfassung genau dies verlange: «Mann und Frau sind gleichberechtigt», heisst es dort. «Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.»

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