Leben auf knapp 18 Quadratmetern

Saskia Baumgartner | 
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Minihäuser sind ein Wohntrend für Menschen, die wenig Platz zum Leben brauchen und mobil bleiben wollen. So wie Kevin Rechsteiner, der sich gerade in Buchberg ein Häuschen baut.

Das schmale Holzscheit landet in der orangenen Glut des Cheminées. Doch das Feuer will einfach nicht so richtig brennen. Kevin Rechsteiner hat jedoch vorgesorgt. Ein kleiner elektrischer Heizlüfter, der in einer Ecke steht, sorgt für warme Temperaturen in dem ehemaligen Zirkuswagen – dem zukünftigen Zuhause von Rechsteiner.

Seit fast einem Jahr baut der 35-Jährige in Buchberg den Wagen zu einem «Tiny House» (siehe Box) um. Derzeit sieht es im Inneren bis auf den Ofen, einige Werkzeuge und ein paar Wasserflaschen noch recht leer aus. Doch noch diesen Frühling, glaubt Rechsteiner, wird sich dies ändern. In den kommenden Wochen sollte die Küche eingebaut, das Trocken-WC installiert und der Wagen vollständig möbliert sein. Dann will Rechsteiner einziehen. Sein künftiges Eigenheim misst dabei nur 2,25 mal 7,80 Meter. Das entspricht einer Wohnfläche von knapp 18 Quadratmetern.

Loftwohnung war zu gross

Bis letztes Jahr noch lebte Rechsteiner im benachbarten Freienstein im Kanton Zürich in einer Wohnung, die das gegenteilige Extrem seines künftigen Zuhauses darstellt: In einem Loft von 180 Quadratmetern. «Irgendwann merkte ich, dass ich mich darin nicht mehr wohlfühle», sagt er, auf dem Boden in seinem Wagen sitzend, den Blick aus dem grossen Fenster in Richtung Wald gerichtet. Seine Frau lebt die meiste Zeit in Norwegen, weshalb er die Loftwohnung für sich alleine hatte. Doch wofür so viel Platz? Viele Dinge, die Rechsteiner aufbewahrte, waren ihm nicht mehr wichtig. «Und die meiste Zeit war ich ohnehin nur zum Schlafen zu Hause.»

Rechsteiner suchte nach einer kleineren Wohnung, nur um festzustellen, dass zwei Zimmer kaum weniger Miete kosten als ein Loft. Er überlegte, auf wie viel Raum er verzichten könne. Dass er mit nur wenigen Quadratmetern gut zurechtkommen würde, hatte er bereits einige Jahre zuvor gelernt. 2013 war er mit seiner Frau im VW-Bus durch die USA gereist.

Ein Tiny House schien die Lösung für Rechsteiners Wohnsituation, auch finanziell. Wenn er drei Jahre darin wohnen wird, sei dies kostengünstiger als eine Wohnungsmiete im selben Zeitraum. Rechsteiner schätzt die Kosten für ein Minihaus – je nach Material – auf 30 000 bis 50 000 Franken.

Zwar gibt es auch in der Schweiz erste Firmen, welche solche Häuser schlüsselfertig bauen, viele Anhänger der Minihaus-Bewegung wollen aber selbst tätig werden. So auch Kevin Rechsteiner. Als er sein Projekt startete, wollte er sein Haus zunächst von Grund auf neu bauen. Zufällig stiess er jedoch auf einen alten Zirkuswagen und beschloss, diesen stattdessen umzubauen. Binnen der letzten zwölf Monate isolierte er den Wagen, brachte Täfer an, setzte neue Fenster ein, verlegte Parkett, baute den Ofen ein. Wenn er einmal nicht weiterwusste, fragte er Experten.

Gleichzeitig begann Rechsteiner, sich von Besitztümern zu trennen. Vieles gab er Freunden. «Man sammelt so viel an, das man nicht braucht», sagt er. Einzig nicht verzichten könne er auf seine technischen Geräte wie Fotoapparat, Laptop und Handy – die er auch aufgrund seines Jobs als Mitinhaber einer IT-Support-Firma benötigt. Dies und ein paar Bücher seien derzeit in einem Schrank in seinem Büro verstaut. Aktuell lebt Rechsteiner bei einem Kollegen.

Gesetzlicher Graubereich

Wie in der Tiny-House-Bewegung üblich, steht auch Rechsteiners Heim auf einem Anhänger. Die Idee dahinter ist, nicht an einen Ort gebunden zu sein und im Grünen leben zu können. Auch würde ein feststehendes Haus eine Baugenehmigung benötigen, und das Baugrundstück müsste erschlossen sein. Das gilt auch für sehr kleine Häuser. «Wir befinden uns in einem gesetzlichen Graubereich», sagt Rechsteiner. Viele Gleichgesinnte würden aufgrund der unklaren Rechtslage die Öffentlichkeit scheuen. Nicht so der 35-Jährige. Er dokumentiert den Umbau seines Zirkuswagens auf einem Blog und dreht regelmässig Videos über seinen Baufortschritt. «Dabei geht es nicht um mich – ich bin nicht spannend», sagt Kevin Rechsteiner. Er wolle aber die Leute unterstützen, welche ebenfalls auf der Suche nach neuen Wohnformen sind. Und davon gebe es viele: «Es gibt eine richtige Alternativbewegung», sagt Rechsteiner. Manche Menschen wohnen zum Beispiel in Schiffscontainern, andere in Bauwagen oder in Baumhäusern. «Leider köchelt jeder für sich, statt dass sich die Leute zusammentun.»

Viele Anfragen von Gleichgesinnten

Weil Rechsteiner im Internet schnell zu finden ist, ist er inzwischen in der Schweiz eine Anlaufstelle für Menschen, die sich ebenfalls ein Leben in einem Minihaus vorstellen können. «Ich bekomme zwei bis drei Anfragen pro Woche.» Bei den meisten, so Rechsteiner, bleibe es jedoch bei der Idee.

Manchmal, so Rechsteiner, hätten die Leute eine zu romantische Vorstellung von einem Leben im Minihaus in der Natur. Sie würden glauben, dass ständig Rehe am Häuschen vorbeilaufen, alles sehr idyllisch sei. Viele müssten jedoch einsehen, dass ein kleines Haus auch Nachteile habe. «Im Winter ist es zum Beispiel nicht so toll, nachts aufzustehen, um nachzuheizen», nennt Rechsteiner ein Beispiel. Oft scheitere die Idee auch daran, dass man keinen Ort finde, um das Haus zu bauen, beziehungsweise ein Grundstück, auf dem es später stehen kann. Rechsteiner hatte das Glück, einen Bauern zu kennen, der ihn auf seinem Land bauen und später leben lässt. Das sei eine ideale Lösung.

Tiny Houses: Eine Bewegung aus den USA

Die Vorreiter Bereits 1987 veröffentlichte Lester Walker das Buch «Tiny Houses: Or How to Get Away From It All». Populär wurde der Trend in die USA durch den Architekten Jay Shafer, der vor 18 Jahren in sein Tiny House zog. Mit der Finanzkrise 2008 bekam die Bewegung verstärkt Zulauf.

Definition: Es gibt keine offizielle Definition von Tiny Houses. Meist werden damit Kleinsthäuser auf Rädern bezeichnet. Die Masse orientiert sich oft an den jeweiligen Strassenverkehrsordnungen.

Idee: Minihäuser sind kostengünstig und bieten persönliche Unabhängigkeit. Im Vordergrund stehen zudem die Konzentration auf das Wesentliche sowie der Beitrag zur Nachhaltigkeit und Umwelt.

Rechtliches: Auch kleinste Gebäude sind grundsätzlich genehmigungspflichtig. Eine Möglichkeit, ohne Baugenehmigung zu leben, ist etwa auf einem Campingplatz, der Dauerstellplätze anbietet.

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