Schaffhausen erhält einen neuen LGBT-Jugendtreff

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Tobias Urech und Anna Rosenwasser gründeten zusammen in Schaffhausen den LGBT-Jugendtreff Andersh. Bild: Selwyn Hoffmann

In Schaffhausen werden Begegnungen unter jungen Anderssexuellen dem Zufall oder dem Internet über- lassen. Zwei junge Menschen wollen das jetzt ändern.

VON DANIEL FAULHABER

Erst vor Kurzem hat es Tobias Urech wieder zu spüren bekommen, dieses Gefühl gezielter Feindseligkeit. «Schwuchtel», zischte ihm einer aus der Gruppe Halbstarker hinterher, kurz zuckte Urech zusammen. Dann ging er weiter, Schaffhausen im Dezember 2016, die Absätze seiner neuen Schuhe klackerten etwas lauter als bei Männersohlen üblich auf dem Asphalt. Das reichte.

Urech lässt sich nichts anmerken, wenn er auf diese Anekdote zu sprechen kommt, fügt aber an: «In Zürich wäre mir das nicht passiert.» Der 22-jährige Student ist vor drei Jahren aus Schaffhausen weggezogen, jetzt kehrt er zumindest zeitweise zurück. Im Gepäck: ein neuer Farbtupfer für Schaffhausen. Zusammen mit Anna Rosenwasser (26) gründete Urech den LGBT-Jugendtreff Andersh, einen Begegnungsort für junge Lesben, Schwule, Bi-, Asexuelle und Transgendermenschen.

Der Name ist Programm: Andersh richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die mit ihrer sexuellen Identität nicht der Konvention entsprechen. Die anders ticken. Dabei ist dieser Begriff absolut wertfrei gemeint, nur mit dem «sh» am Ende erlauben sich die Initianten ein ironisches Augenzwinkern. So war es vor ein paar Jahren unter Jugendlichen in, Schweizer Begriffe in englischer Manier mit «sh» abzukürzen, wenn ein «sch» drin vorkam, «Weish no?». Und «sh» steht eben auch für Schaffhausen. Die Verquickung von Jugendslang und Ortsbezug ist ein Wink an die Zielgruppe: Wir kommunizieren auf derselben Frequenz.

Punktuelle Zusammenarbeit

In Schaffhausen gibt es mit Queerdom bereits einen Verein, der sich an ein schwul-lesbisches Publikum, allerdings nicht exklusiv an Jugendliche richtet. Dort freut man sich über das neue Engagement für die LGBT-Community, sieht die Entwicklung aber auch kritisch: «So splitten sich die Kräfte im LGBT-Bereich auf, und es existieren plötzlich mehrere Ansprechpersonen. In einem kleinen Ort wie Schaffhausen macht dies die Arbeit nicht einfacher», sagt Daniel Flachsmann, Co-Präsident von Queerdom. Man stehe aber mit den Machern von Andersh in Kontakt und strebe eine punktuelle Zusammenarbeit an, «weil wir der Überzeugung sind, dass wir uns füreinander anstatt gegeneinander einsetzen sollten», so Flachsmann.

Urech und Rosenwasser sind beide in Schaffhausen aufgewachsen, haben sich aber erst in Zürich kennengelernt. Bezeichnend, findet Rosenwasser, denn in Schaffhausen werden Begegnungen unter jungen Anderssexuellen dem Zufall oder dem Internet überlassen. Bis jetzt. «Die Idee, einen LGBT-Jugendtreff zu gründen, entstand schon vor zwei Jahren», erinnert sich Rosenwasser, im Herbst 2016 machten sie ernst. Urech erarbeitete ein Konzept und ersuchte die Stadt um finanzielle Unterstützung, mit dem Jugendzentrum B45 war man sich schnell einig: Hier darf sich Andersh einmal im Monat mietfrei einquartieren, sehr zur Freude der beiden Macher. «Das B45 an der Bachstrasse ist sehr zentral gelegen und von überall gut zu erreichen, wir sind also nicht irgendwo versteckt, wo uns niemand findet», sagt Urech.

Sichtbarkeit nach aussen ist eines der Anliegen von Urech und Rosenwasser, ein anderes zielt auf Solidarität, Vernetzung und das Erlebnis, sich unter Gleichgesinnten aufgehoben zu fühlen. Darum verfolgt Andersh zumindest in der Anfangsphase keine explizit politische Agenda, Demonstrationen oder «Kiss-ins», wie sie in Zürich oder Basel stattfinden, sind nicht Teil des Konzepts. «Wir wollen in erster Linie einen Raum schaffen, der ohne Vorurteile und schräge Blicke auskommt», sagt Rosenwasser. «Bei uns kann durchaus über Themen wie sexuelle Orientierung oder Gender gequatscht werden, man kann aber auch einfach die Füsse hochlegen und abhängen.» Snacks und Getränke gehen aufs Haus.

Eine Gegenbewegung

Bislang sei schwer abzuschätzen, wie viele Junge an den Andersh-Treffen teilnehmen werden. Fünf? Fünfzehn? Und findet Vernetzung im Jahr 2017 nicht ohnehin vor allem im Internet statt? Urech widerspricht: «Wir beobachten in der Schweiz seit einigen Jahren eine Gegenbewegung.» So seien in den frühen Nullerjahren viele queere Jugendtreffs eingegangen, als das Internet gross geworden sei. Jetzt aber würden in vielen Schweizer Städten neue Jugendgruppen entstehen. «Für Dates mag das Netz praktische Kuppelkanäle bereitstellen» sagt Urech, «aber der Austausch in einer Gruppe ist virtuell eben doch nicht zu haben.»

Dafür analog. Das erste Treffen findet morgen Donnerstag, 26. Januar, statt (und ab dann jeden letzten Donnerstag im Monat), die Türen stehen ab 19 Uhr offen. Wer nicht allein kommen möchte oder den Weg nicht findet, wird von Urech oder Rosenwasser am Bahnhof abgeholt. Ein kleiner Vermerk auf der Homepage (unter Kontakt) reicht.

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