Die Reiseleiter der Realitätsflucht

Janosch Tröhler | 
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Am vergangenen Sonntag präsentieren The Legendary Lightness ihr neustes Werk «April Hearts» im TapTab. Es war ein Trip durch fantastische Klangkathedralen.

«April Hearts» heisst das dritte und neuste Album der Zürcher Band The Legendary Lightness. Das dritte Album – so sagt man – sei essentiell; wesentlich für die weitere Entwicklung der Musik. «Ich glaube, die Kompositionen sind sehr reif», sagt Daniel Hobi, der kreative Kopf hinter der Band.

Tatsächlich haben sich The Legendary Lightness auf «April Hearts» geöffnet. Es ist ein vielschichtiges Sammelsurium. Die Spannweite ist immens: Da hört man Folk, Rock, Blues und Jazz. Ein Sound, der Bilder malt von staubigen Steppen, saftigen Wiesen und der kühlen Tundra.

Dabei sind The Legendary Lightness keine Band, die mit einer effekthaschenden Show zu begeistern versucht. Im Gegenteil. Stoisch stehen Daniel Hobi und seine Mitmusiker auf der Bühne im Schaffhauser TapTab, versinken in der Bedeutungslosigkeit ihrer Existenz. Ihre Musik hingegen wird überlebensgross. Denn erst auf der Bühne offenbart sich das wirklich Bemerkenswerte: Trotz der überwältigen Komplexität der Songs berühren sie die Seele. Die Dichte der Arrangements sorgt nicht für Distanz, sondern zieht einen hinein in diese Klangkathedralen.

Psychedelisches Kaleidoskop

Die Band spielt sich in den Rausch aus sanfter Schwermut und flüchtigem Optimismus – hin- und hergerissen zwischen Fragilität und Wärme. The Legendary Lightness stürzen sich furchtlos in diesen Strudel, während ihnen aus dem Publikum die Aprilherzen zufliegen. Mit einer Gelassenheit steuern sie auf die Ekstase hin. Denn ihre Songs gipfeln in instrumentaler Freiheit: Da mäandriert das Saxophon, fliesst in die wehklagenden Gitarren, unterfüttert mit einem satten Bass-Spiel. Es ist, als blicke man durch ein Kaleidoskop auf psychedelische Traumtänze. Jazz auf LSD. Musik als bewusstseinserweiternde Droge. Die Nebenwirkung: Die Absenz von Sorgen und das Aufgehen im Moment.

Rund 40 Besucherinnen und Besucher lassen sich auf das Abenteuer ein. Sie werden von der Band mit einem Ausklang des Wochenendes belohnt – voller Gemütlichkeit, Raffinesse und Exzellenz. So werden The Legendary Lightness plötzlich mehr als Musiker: Hobi und seine Komparsen sind die Reiseleiter einer Realitätsflucht. Diese Flucht mag nur einen kurzen Augenblick andauern, doch nichts könnte an einem verschlafenen Sonntagabend besser passen. Genau so feinfühlig, wie sie das Publikum entführten, so behutsam finden The Legendary Lightness den Weg zurück in die Wirklichkeit. Mit «Come Away», einem ihrer letzten Songs, geben sie ihrem Publikum noch einen zärtlichen Liebesbeweis mit auf den Weg:

Put your hands around my neck
I will gently tap your back
Before I faint

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