Hilfe, mein Sohn ist mehr Schweizer als Deutscher!
In der Mami-Post resp. Papi-Post schreiben Sibylle, Mia, Ralph und Gastautoren über ihre Alltagsthemen, die sie beschäftigen, seit sie Kinder haben. Alle Artikel der Mami-Post sind hier zu finden. Alle weiteren Familien-Artikel findest du im Familien-Dossier.
Seit einigen Jahren verdiene ich meine Brötchen in der Schweiz und mein ganzes Leben habe ich an der Grenze zur Schweiz gelebt – ohne Unterbrechung, nur der Kanton änderte sich ab und an. Während der Kindheit und Schulzeit war es Schaffhausen, während des Studiums einige Jahre Thurgau, jetzt wieder Schaffhausen. In dieser Zeit habe ich, das darf ich wohl sagen, die Schweiz kennen und lieben gelernt - auch die Macken und Eigenheiten, die die Eidgenossen so haben.
Mein Sohn kennt die Schweiz mittlerweile auch sehr gut, ebenso ihre «Spezialitäten», haben wir doch schon den einen oder anderen Urlaub hier verbracht, hatten und haben viel Kontakt mit Personen von «ennet» der Grenze – vielleicht auch deshalb erwische ich ihn immer wieder dabei, dass er viele Eigenschaften übernommen hat, die man wohl als «typisch schweizerisch» bezeichnen kann.
Beispiele? Mein Sohn und die Schweizer sind nicht die direktesten Menschen auf diesem Planeten und kommen, das ist meine Erkenntnis nach fast sieben Jahren als Angestellter in der Schweiz und als Vater meines achtjährigen Sohnes, mit der Direktheit, wie wir sie in Deutschland haben, nicht so gut klar. Beispiel Kritik: Während Schweizer eher subtil, wie mit einem Uhrmacherhämmerchen, vorgehen, sind wir Deutschen eher das Prinzip Vorschlaghammer. Kritik-Sandwiches, also ein Lob, etwas Kritik und wieder Lob, gibt es bei uns nicht. Ohne Rücksicht auf Verluste sagen wir in der Regel direkt, was wir denken - und wenn sich der andere dadurch vor den Kopf gestoßen fühlt, ist das nicht unser Problem. Wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts verloren, ist ein typisches deutsches Sprichwort, das dieses Verhalten sehr gut illustriert. Bei meinem Sohn würde ich damit nicht weit kommen und er würde sich das auch viel zu sehr zu Herzen nehmen – was allerdings wohl auch auf alle Kinder zutrifft, die manchmal die Kritik der Erwachsenen nicht verstehen können.
Weitere Beispiele? Die Höflichkeit. Ja, das ist wahrscheinlich ein direkter Punkt der mangelnden Direktheit, aber sowohl die Schweizer als auch mein Sohn sind so höflich - was zur Folge hat: Während mein Sohn in Deutschland immer wieder überrascht gelobt wird, was für ein «höflicher junger Mann» er doch sei, ist es in der Schweiz zum Teil eher so, dass man es einfach erwartet - oder nicht anders gewohnt ist. Wer hier nicht mindestens 50 Mal am Tag «Merci» oder «Danke» sagt, hat wohl einfach noch keinen menschlichen Kontakt gehabt. Mein Junior hat sich dieses Verhalten wohl auch durch seine vielen Bundeskontakte total angeeignet - sehr zu meiner Freude, denn auch ich bin stolz, wenn man ihn lobt.
Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen. Käse und Schokolade gehen bei den Schweizern immer, die Berge sind ein Heiligtum und müssen bestiegen werden...
Aber was bedeutet das alles? Ist mein Sohn mehr Schweizer als Deutscher? Er hat einige Eigenschaften, die man in der Schweiz nicht gerne sieht: Mein Junior ist ein Trödler wie er im Buche steht. Manchmal bewundere ich ihn für seine Engelsgeduld, wenn wir irgendwo hin müssen, er aber in aller Ruhe erst seine Schuhe sucht, dann gemütlich die Jacke anzieht, dann noch mal aufs Klo geht, dann die Schuhe zubindet, weil er es beim Abholen nicht gemacht hat - Pünktlichkeit ist also eher selten im Hause Denzel. Gleichzeitig macht ihn diese Eigenschaft auch nicht gerade zu einem Deutschen. Wie beschreibt es ein bei uns beliebter Witz treffend? Wie viele Deutsche braucht man, um eine Glühbirne einzuschrauben? - Einen, wir sind tüchtig und haben keinen Humor und jetzt hör auf mit den blöden Fragen!
Mein Sohn hat wahrscheinlich viele Eigenschaften von den Schweizern übernommen, genau wie sein Vater. Aber das ist nicht schlimm. Und natürlich ist es mir völlig egal, ob er mehr «schweizerische» oder «deutsche» Eigenschaften hat - am Ende ist er einfach mein Sohn und perfekt, so wie er ist - auch wenn er endlich mal Gas geben könnte, wenn wir irgendwo hin müssen...
Hier schreibt Ralph:
39 | Alleinerziehender Papi | schreibt über die Alltagstücken als Alleinerziehender