Verscheunte Scheibe! Warum tun wir uns so schwer vor Kindern nicht zu fluchen?

Ralph Denzel | 
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Psychologen der britischen Universität Keele haben etwas Interessantes herausgefunden: Fluchen lindert Schmerzen. Probanden mussten dort ihre Hände in Eiswasser tauchen. Die, die fluchen durften, und davon auch reichlich Gebrauch machten, hielten dabei fast doppelt so lange durch wie die Versuchskaninchen, die die Schmerzen einfach still ertrugen. Von daher scheint Fluchen ja etwas Gutes zu haben, oder? Naja, nicht, wenn man ein kleines Wesen mit Fledermausohren neben sich hat, welches sofort darauf reagiert, wenn Papa ein «böses Wort» sagt.

Junior sang die gesamte Zeit «Alle meine Entchen» - nur mit «F..k» anstatt des Textes…

Als mein Sohn ungefähr zwei Jahre alt war, rutschte mir vor ihm mal das englische Wort «F..k» heraus. Ratet mal, was danach für drei Wochen sein liebstes Wort war, welches er überall und zu jeder Gelegenheit benutzte? Richtig. Der Kinderarztbesuch, der kurze Zeit später anstand, war dann auch nicht gerade angenehmen. Junior sang die gesamte Zeit «Alle meine Entchen» - nur mit «F..k» anstatt des Textes…

Ich habe mir früh versucht anzugewöhnen die «schlimmen» Worte in meinem Vokabular auszublenden. Aus einem kraftvollen Ausdruck für menschliche Exkremente wurde «scheibe». Aus «verdammt» wurde «Scheune» bzw. «verscheunt» – fragt mich bitte nicht, warum, ich weiss es selbst nicht mehr.

Fluchen kann befreiend sein, oft genug erlebt man auch mit Kindern oder in der eigenen Lebenswirklichkeit Momente, in denen es einfach guttut, wenn man mal laut fluchen kann.

Fluchen kann befreiend sein, oft genug erlebt man auch mit Kindern oder in der eigenen Lebenswirklichkeit Momente, in denen es einfach guttut, wenn man mal laut fluchen kann. Gleichzeitig will man aus irgendwelchen Gründen seine Kinder aber auch davor schützen, dass sie diese «bösen» Wörter zu früh hören.

So fuhren wir ganz gut, bis ich eines Tages eben nicht «verscheunte Scheibe» sagte, sondern – ja, ihr wisst schon. Natürlich passierte mir das, als mein Sohn neben mir sass und er mich mit grossen Augen anschaute, als hätte ich gerade ein Tor zu einer anderen Welt aufgestossen – eine Welt, voller neuer Worte, die so mysteriös wie Zauberformeln und so kraftvoll wie Glockenschläge klingen.

Zurücknehmen konnte ich es nicht mehr, die Worte waren draussen, jetzt in seinem Hirn, wo sie sich sofort festsetzten. Mein Kind kann sich nicht merken, dass man den Klodeckel wieder runterklappen muss, aber diese Worte waren sofort wie eintätowiert in seinem Gehirn.

Wie reagierte ich jetzt? Ich schaute ihn an, sagte «Entschuldigung» und machte weiter wie bisher, sicher, dass er gleich losfluchen würde wie ein Matrose auf Landgang. Aber nichts geschah, denn auch hier war wieder das «Mysterium» und das «Verbotene» das, was es so spannend machte.

Die Worte waren draussen, in seinem Kopf jetzt eingespeichert, dort ruhen sie auch noch und kommen ab und an wieder hervor, wenn er sich aufregt. Dann höre ich von ihm ein «Sche..e», ein «verdammt» und ja, sogar ab und an ein «F..k», was er sich immer noch gemerkt hat. Aber ich reagiere dabei nicht panisch, oder erkläre ihm, was das für ein schreckliches, schlimmes Wort ist, was er da gesagt hat. Meistens gibt es da ein kurzes «fluch nicht» und die Sache ist erledigt. Ich will es einfach nicht grösser machen, als es ist.

Denn: Spätestens, als er in die Grundschule kam, lernte er noch ganz andere Worte kennen. Seine Klassenkameradinnen und –kameraden haben dabei Wörter in ihrem Repertoire, die sogar mir gänzlich unbekannt waren.

Daher kommt es sogar manchmal vor, dass mein Sohn, wenn ich heute fluche und wieder «scheibe» brülle anstatt – ihr wisst schon -, mich anschaut und sagt: «Das heisst aber eigentlich…»

Hier schreibt Ralph:

 

38 | Alleinerziehender Papi | schreibt über die Alltagstücken als Alleinerziehender

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