Hilfe! Weshalb ich als Vater plötzlich wieder Mathe büffeln muss

Ralph Denzel | 
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Mein Sohnemann geht mittlerweile in die zweite Klasse. Eine aufregende Zeit, in der er viel Neues lernt, viele Eindrücke sammelt und auch sich selbst und die Welt besser verstehen lernt. Das Problem: Ich muss das alles auch wieder mitlernen. Wer dachte, dass man, nachdem man sein Abschlusszeugnis in den Händen hielt, mit der Schulkarriere auf ewig abgeschlossen hat, hat nicht daran gedacht, was es bedeutet, wenn der eigene Nachwuchs die Schulbank anfängt zu drücken.

Auf einmal bin ich wieder mittendrin. Ich muss Diktate mitschreiben, Kopfrechnen lernen, Dinge besorgen, die er für den Unterricht braucht – es scheint, als drückte ich selbst wieder die Schulbank.

Das Schlimmste daran: Ich muss teils vieles wieder lernen. Natürlich kann ich lesen, schreiben, rechnen und auf Grundschulniveau sind es keine Raketenwissenschaften, aber doch habe ich bisher mehr als einen Stolperstein gefunden, der mir Kopfzerbrechen bereitet hat.

Meine Handschrift würde jedem Mediziner zur Ehre reichen, Ägyptologen könnten darin neue, bisher unbekannte Hieroglyphen entdecken

Beispiel: Schreibschrift. Meine Handschrift würde jedem Mediziner zur Ehre reichen, Ägyptologen könnten darin neue, bisher unbekannte Hieroglyphen entdecken und ich kann mir sicher sein, dass wenn ich mal einen geheimen Brief irgendwohin schicken werde, niemand diesen wird lesen können – Empfänger inklusive. Jetzt sitze ich aber regelmässig mit meinem Sohn an seinem «Schreibheft» und muss zuschauen, wie er mühsam die Buchstaben unseres Alphabets abschreibt. Umgedrehter Spazierstock, grosser Bogen bis zur Mittellinie, dann eine Klammer. Fertig ist das grosse «R».

Ich will Vorbild sein und kann schlecht Verbesserungsvorschläge anbringen, wenn bei mir dieser Buchstabe aussieht wie ein «K», welcher jemand gezeichnet hat, als er sturzbetrunken war. Also muss ich mich immer auch hinsetzen und zusammen mit ihm die «Schreibschrift» erneut lernen. Es ist anstrengend, mühsam und auch frustrierend, denn ein alter Hund lernt keine neuen Tricks und eine Hand, die sich über Jahrzehnte eine Sauklaue angelernt hat, kann man nur schwer wieder in die «schöne» Richtung schubsen.

«Was um Himmels Willen will diese Aufgabe von mir?!»

Aber nicht nur dort lauern Fallstricke. 1 + 4 = 5. Kein Problem, locker, schnell gemacht. 27 + 29 = ? Na, da wird es bei manchen sicher schon schwieriger. Aber auch die Art und Weise, wie mein Sohn das lernen muss, ist teils eine Herausforderung. Ich gebe zu, Mathe war nie meine Stärke, mein Mathelehrer bei meinem Abitur sagte damals zu mir: «Ralph, ein schlechtes Abi ist besser als gar kein Abi». Aber ich sass jetzt schon mehr als einmal über den Aufgaben meines Sohnes und habe mich nur gefragt: «Was um Himmels Willen will diese Aufgabe von mir?!» Kinder lernen nicht mehr nur stur das 1 Mal 1, sondern müssen das Wissen teils auch transferieren. Etwas, womit mein mathephobes Gehirn massive Probleme hat. Und das Schlimmste: Die dicken Brummer wie Bruchrechnungen und Ähnliches kommen erst noch.

Gehen wir zur Sachkunde – ich bin sicher, nur wenige Erwachsene können aus dem Stand Bäume nur anhand ihrer Blätter identifizieren, oder die Früchte des Waldes einwandfrei zuordnen. Während ich jahrelang glücklich durchs Leben ging mit der universalen Aussage «das ist ein Baum – welcher, interessiert mich nicht», muss ich jetzt auf einmal den Unterschied zwischen Ahorn, Eiche, Buche, Speierling, Robinie, Ulme, Elsbeere und wie sie alle heissen kennen. Warum? Weil mein Sohn das lernen muss und ich folglich auch, ob ich will oder nicht.

So sitze ich jetzt oft am Mittag mit meinem Sohn am Esstisch, die Hausaufgaben vor mir aufgeschlagen und quäle mich durch Dinge, von denen ich eigentlich dachte, ich hätte sie schon längst hinter mir lassen können. Es war wohl doch ein bisschen vorschnell, als ich direkt nach meinem Abitur all meine Bücher verbrannt habe.

Hier schreibt Ralph:

 

38 | Alleinerziehender Papi | schreibt über die Alltagstücken als Alleinerziehender

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Kommentare (1)

Helga Gramlich Do 18.01.2024 - 21:41

Als Lehrersohn passt das schon

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