Aromat: Gutschweizerischer Geschmack oder Gewürz des Grauens?

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Ist Aromat lecker - oder nicht? Bilder: Selwyn Hoffmann/Zeno Geisseler

In der Schweiz gibt es zahlreiche Würzmittel, die den Geschmacksverstärker Natriumglutamat enthalten und den Speisen ein deftiges Aroma verleihen. Zugreifen oder stehen lassen?

Pro

von Sebastian Babic, Geschäftsführer Schaffhauser Fernsehen

Es war einer dieser Apriltage, die man schnell vergisst. Knapp ein Vierteljahrhundert muss es her sein. Die Verkaufsregale, penibel drapiert und ins beste Licht gerückt, quollen über vor süssen Osterhasen und bunt-­bemalten Hühnereiern. Es war eine einfachere Zeit. Damals, als Zwiebelschalen noch nicht in Plastik ­abgepackt für 35 Franken pro Kilo feilgeboten wurden.

Ich hatte mich mit einem Nachbarsjungen zum Spielen verabredet, und weil uns nach einer Weile der kleine Hunger packte, schlichen wir alsbald in seine Küche auf der Suche nach Zwischenverpflegung. Auf dem Küchentisch, penibel drapiert und ins beste Licht gerückt, präsentierte sich uns ein Osternest in all seiner leckeren Perfektion. Zwischen den bunten Eiern allerdings lagen einige aufdringlich um Aufmerksamkeit haschende Döschen. Dieselben gelb-grünen Döschen, die auf den Tischen der Beizen in Ménagen nebst Salz, Pfeffer, «Matschi» und Zahnstochern ihr trauriges Dasein fristeten. Nachdem mein Ei beim anschliessenden «Tütschen» den respektablen zweiten Platz belegt hatte und ich es von seinem Kalkkleid befreien konnte, bat ich den Nachbarsjungen um Salz. Irritiert reichte er mir eines der Miniaturdöschen. «Probier mol!», legte er mir wissenden Lächelns nahe. Ich probierte, streute nur wenige Gramm des grellgelben Etwas’ auf die Spitze meines Eis und musterte es, indem ich es gegen das Licht der Esstischlampe hielt. ­Vorsichtig biss ich zu.

Es war einer dieser Apriltage, die für immer in Erinnerung bleiben sollten. Nie mehr ass ich Frühstückseier mit Salz. Nie mehr fehlte im Gewürzschrank das gelb-grüne Döschen mit dem Konterfei des roten Suppenkaspers. Ich kann nicht mehr zählen, wie viele Male mir Komplimente für meine Kochkünste gemacht wurden, die eigentlich der gelben Streuwürze gegolten hätten. Aromat ist quasi der Lift unter den Gewürzen: Zwar wäre es in der Regel gesünder und vernünftiger, die Treppe zu nehmen, manchmal – lassen Sie uns ehrlich sein – nehme ich aber lieber den Aufzug.

Das Letzte, was mir der Nachbarsjunge auf den Weg gab, bevor ich nach Hause aufbrach, war: «Probiers mol mit ere Gurke!» In diesem Sinne: En Guete und frohe Ostern.

Contra

von Sonja Werni, Praktikantin Region

Würzen Sie Ihr Ei gerne mit Salz, Geschmacksverstärker und Milchzucker? Wenn Sie es mit Aromat würzen, dann schon. Diese drei Zutaten sind mengenmässig die Wichtigsten in dieser Würzmischung. Ich mag das gestreute Gelbe auf dem Ei nicht. Am besten schmeckt mir das Osterei immer noch auf einer Vollkornbrotscheibe mit Butter und Salz. Salz und Butter ergänzen den Geschmack des Eis wunderbar und werden zu ganz natürlichen Geschmacksverstärkern. ­

Sicherlich kennen Sie die Regeln der Zutatenangaben der Lebensmittelindustrie. Von der erstgenannten Zutat ist mengenmässig am meisten enthalten, danach geht es Zutat für Zutat der Reihenfolge nach weiter. Bei der Traditionswürze steht erst an sechster Stelle der Sammelbegriff Gewürze. Und das bei einer Würz­mischung... Dabei sind es erst die Gewürze und Kräuter, die einem Gericht das gewisse Etwas geben. Jedes Lebensmittel harmoniert mit einem anderen Gewürz besser als das andere. Der Kreativität sind beim Kochen und insbesondere beim Würzen keine Grenzen gesetzt. Doch oftmals wird dieser kulinarischen Kreativität erst gar kein Raum gewährt, wenn wie automatisch der Griff zur Aromatdose führt. Alt­bewährtes mag zwar Sicherheit verleihen und beim einen oder anderen Kindheitserinnerungen wecken, doch zu neuen Geschmackserlebnissen führt das nicht. Faulheit gefährdet die Geschmacksnerven.

Während viele Gewürze auch als Hausmittel verwendet werden und in der homöopathischen und chinesischen Medizin ein fester Bestandteil sind, werden den industriell hergestellten Glutamaten gesundheitsschädigende Wirkungen nachgesagt. So ist die Rede von Diabetes, Herzkrankheiten und Übergewicht. Es gibt noch zu wenig Studien dazu, die das widerlegen oder bestätigen können. Fakt ist, dass Glutamat unseren fünften Geschmackssinn, der Umami genannt wird, anspricht. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und kann mit «wohlschmeckend» übersetzt werden. Manche Leute werden süchtig danach und essen mehr glutama­t­haltige Speisen als nötig. Auf Zunehmen, Künstlichkeit und Einheitsbrei habe ich aber keine Lust.

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