Mädels, Muskeln und Moneten: Ist das klassische Bild der Männlichkeit in einer Krise?

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Zwei Autoren, zwei Meinungen.

Heutzutage wird heftig über das Patriarchat, die #MeToo-Bewegung und «toxische Masku­linität» ­diskutiert. Braucht es eine neue Definition der Männlichkeit? Zwei Männer, zwei Meinungen.

 

von Daniel Jung, Redaktor Stadt Schaffhausen

Ja, es gibt eine Krise der klassischen Bilder von Männlichkeit. Das ist keine Katastrophe, aber ein Umstand, der als Denkanstoss und Diskussionsgrundlage ­genutzt werden sollte.

So wie die Krise der klassischen ­Familie nicht bedeutet, dass es heute keine guten Familien mehr gibt, so bedeutet die Krise der Männlichkeitsbilder auch nicht, dass alle guten Männer verschwunden sind. Es heisst aber, dass junge Männer neue Vorbilder brauchen und neue Grundlagen für ihr Selbstverständnis.

Dass sich männliche Verhaltens­normen ändern, ist keineswegs neu. Vor 200 Jahren war es für Herren der Oberschicht noch selbstverständlich, dass sie ihre Ehre im Notfall mit ihrem Leben verteidigen. So starb etwa Alexander Hamilton, einer der klügsten Köpfe der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung, 1804 in einem Duell mit seinem Rivalen Aaron Burr, damals ­Vizepräsident der USA. Zuvor hatte Hamilton schon seinen ältesten Sohn in einem Duell verloren. Das Pistolenduell wurde in dieser Zeit als «natürliches Verhalten» von Männern gesehen. Dass dies heute nicht mehr der Fall ist, begrüssen wohl alle – ausser die Hersteller von kunstvoll verzierten Pistolensets.

Später avancierte der Cowboy – ­dargestellt von John Wayne oder Clint Eastwood – zum Männlichkeitsideal: Der Cowboy kennt keinen Schmerz, redet kaum, trinkt ausschliesslich Whiskey und regelt Konflikte im Zweifelsfall mit dem Colt. Dieses Rollenbild hat weiterhin eine starke Wirkung – gleichzeitig wird es von vielen Seiten zu Recht kritisiert. Während der schlagkräftige Mann im Hip-Hop und in Hollywood weiterhin idealisiert wird, zeigt die Diskussion über Belästigungen von Frauen und aggressive Fussballfans, dass dieser Teil des Mannes im Zaum gehalten werden muss.

Und obwohl es weiterhin viele gute Männer gibt, haben neben dem Cowboy auch andere Vorbilder aufgrund der heute höheren Transparenz an Glanz eingebüsst: Kein aktueller Politiker wird vorbehaltlos geliebt, wie das etwa beim verklärten John F. Kennedy der Fall war, kaum ein modernes Fussballidol ist vor ­öffentlich sichtbaren Fehlentscheidungen gefeit.

Doch junge Männer brauchen auch keine Lichtgestalten, sondern Bezugspersonen, die ihnen vorleben, wie man modern und männlich sein kann. Ein erster Schritt dahin ist es, sich einzugestehen, dass nicht alles toll war, was in der Vergangenheit als besonders maskulin galt.

 

von Mark Liebenberg, Redaktor Kanton Schaffhausen

Not cool, man!», sagt ein junger Mann zu einem ­Kollegen, der gerade einer hübschen Lady auf der Strasse hinterherhechten will, um sie – wie fürchterlich! – anzuquatschen. Soweit ein Ausschnitt aus einer Rasierklingen-Werbung, die gerade die westliche Hemisphäre in Aufregung versetzt. Die einen sehen darin einen Angriff auf ihre Männlichkeit, während die Macher einen neuen «Anti-Mann» zelebrieren, der den #MeToo-Mahnfinger streberhaft in die Höhe reckt. Was ist denn da los?

Erleben wir eine Krise der Männlichkeit? Nein, Männer, lassen wir uns nicht irremachen! Männlichkeitsideale ändern sich spätestens alle paar Generationen von selbst. Was wäre denn aktuell die kriselnde «klassische Männlichkeit»? Umfasst sie etwa auch den Gentleman, den Kavalier, Ehrgeiz im Beruf, Risiko­bereitschaft, Sportsgeist? Alles überholt und «gefährlich»? Und ernsthaft: Welche Frau findet, ein Mann sollte finanziell nicht unabhängig sein («Moneten») oder keinen ansehnlichen Body («Muskeln») haben?

Je unschärfer bleibt, welche Männlichkeitsmuster genau störend sein sollen, desto einfacher haben es Vereinfachung, Pauschalisierung und kruder Gender-Theoriemüll.

Eine Männlichkeitskrise herbeizureden, ist einfach. In der Tat ist die Identifikation mit männlichen Vorbildern, Rollenbildern und kulturellen Stereotypen für heutige Männer komplizierter, pluralistischer und individueller als für die Generationen davor. Jungen Frauen stehen heute alle Türen gleich weit offen wie ­ihren männlichen Altersgenossen, und das ist gut so. Vergessen wir aber darob die jungen Männer nicht! Die jetzt um sich greifende Pathologisierung von Männlichkeit, die zusehends entgleisende Geschlechterdebatte sowie pauschale und kollektive Verhaltenskritik verunsichern junge Männer massiv.

Etwas Ermutigung wäre richtiger: Im Normalfall wollen junge Männer nämlich nichts anderes, als verantwortungsvolle Partner, Väter, Mitbürger, Mitmenschen zu werden. ­Sozial erwünschtes Verhalten im Dialog mit emanzipierten Frauen ­lernen sie heute ganz von selbst in Familie, Schule, Beruf, Gesellschaft.

Wer den Geschlechterdiskurs mit Kampfbegriffen vergiftet, wer leichtfertig von «toxischer Männlichkeit», von «Rape Culture» oder einem omnipräsenten Patriarchat schwafelt, das es zu «smashen» gelte, der ist ­offenkundig nicht in der alltäglichen gesellschaftlichen Realität angelangt, in der Frauen und Männer respektvoll, selbstsicher und auf Augenhöhe miteinander umgehen können.

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