Airbnb: Zugang zu authentischen Unterkünften oder Bedrohung für touristische Attraktionen?

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Über Airbnb können sowohl private wie auch gewerbliche ­Anbieter Zimmer an Touristen vermieten. Ist die Plattform ein Segen für Reiselustige, oder bedroht sie ganze Branchen und Innenstädte?

Pro

Von Isabel Heusser, Redaktorin

Das erste Mal übernachtete ich im Kajütenbett eines Kinderzimmers, das Bad wurde mit dem Vermieter geteilt, und abends berichtete er von den Sorgen, die ihm seine Teenagertochter bereite. Damals steckte Airbnb in den Kinderschuhen, der Komfort war bescheiden. Heute kann man Unterkünfte buchen, die den Standard vieler Hotels übertreffen. Doch nicht nur deshalb schätze ich Airbnb. Die Plattform ermöglicht es, ein Land und seine Bewohner auf eine Weise kennenzulernen, wie es mit einer Hotelübernachtung nicht möglich wäre. Während meines letzten Urlaubs auf der einsamen schottischen Insel Mull buchten mein Mann und ich ein paar Übernachtungen bei einer Lehrerin: Beccy hat eine alte Mühle zu einem Wohnhaus umgebaut und vermietet darin ein grosses Zimmer mit privatem Bad. Vom Balkon blickten wir ins Grüne, neben dem Haus plätscherte ein Bach, im angrenzenden Wald fanden wir Eierschwämmli. Eine Märchenlandschaft. Das Beste aber war Beccys Gastfreundschaft. Sie empfing uns mit Tee und Gebäck, buchte Restaurants und bereitete ein Frühstück nach unseren Wünschen zu. Beccy liebte es, Gäste zu bewirten. So willkommen fühlt man sich in Hotels selten. Und sie sind erst noch teurer.

Airbnb hat den Tourismus revolutioniert – und das ist gut so. Klar gibt es sie, die Horrorgeschichten. Von Anbietern, die ihre Mieter mittels versteckter Kamera ausspionieren, überteuerte, aber schmuddelige Zimmer vermieten oder weiblichen Gästen zu nahe kommen. Es ist allerdings ziemlich einfach, unredliche Angebote zu erkennen. Wenn eine Unterkunft fantastisch aussieht, aber spottbillig ist, ist die ­Gefahr ziemlich gross, dass etwas nicht stimmt. Ein guter Indikator sind auch die Bewertungen. Diese können nur von Leuten abgegeben werden, welche eine Unterkunft ­tatsächlich gebucht haben. Je mehr ­Bewertungen, desto besser.

Dass Inseln wie Mallorca Sturm laufen gegen Airbnb, weil zunehmend Wohnungen an Touristen vermietet werden und dadurch der Wohnungsmarkt verknappt wird, ist verständlich. Airbnb deswegen verbieten zu wollen, ist aber die falsche Antwort. Vielmehr sollten Städte einen Weg finden, zeitgemässe Richtlinien für private Anbieter von Unterkünften festzulegen – etwa, indem Ferienwohnungen registriert werden müssen. Denn Airbnb bringt Touristen nicht nur in die grossen Metropolen, sondern trägt dazu bei, dass der Tourismus in Randregionen angekurbelt wird. Davon profitiert indirekt auch die lokale Bevölkerung.

Contra

Von Zeno Geisseler, Redaktor

Parkett, Ledersofas, moderner Bau: Die Wohnung, die Dougie Hamilton und seine Freundin über Airbnb in Toronto ausgesucht hatten, sieht cool aus. Doch als Hamilton in der Wohnung ankam, fiel sein Blick auf eine Digitaluhr neben dem Bett. Sie kam ihm irgendwie verdächtig vor. Schliesslich entdeckte er im Gehäuse etwas – eine kleine, unauf­fällige Kamera. Der Vermieter hatte offenbar vorgehabt, das junge Paar heimlich zu filmen. Ein Einzelfall? Nein: Immer wieder gibt es Berichte über Airbnb-Vermieter, welche ­Spionagekameras installiert hatten.

Ist das schon Grund genug, niemals in einem Airbnb abzusteigen? Nein? Dann vielleicht dieser: Beim Brandschutz sieht es in vielen Air­bnbs übel aus. Während Hotels und Pensionen regelmässig feuerpolizeilich überprüft werden, es Notausgänge gibt, Hydranten und Schläuche, an jeder Zimmertür ein Evakuationsplan klebt und an jeder Ecke ein Feuerlöscher steht, geht man in ­einem Airbnb höhere Risiken ein.

Natürlich, hört man Befürworter sagen, es handelt sich ja um Privatwohnungen, und in denen gelten ­laxere Vorschriften. Nur: Gemäss dem britischen «Guardian» steigt die Zahl jener an, die auf der Plattform nicht einfach ein Extrazimmer in ihrer Wohnung für ein paar Tage ­vermieten, sondern in einem Vollzeitjob gleich mehrere Wohnungen anbieten. Dank Airbnb können sie wie Hostels auftreten, aber ohne die entsprechenden Vorschriften und Regulierungen beachten zu müssen. Mit dem Geld, das offizielle Gastgewerbebetriebe in die Sicherheit inves­tieren, können diese Anbieter ihre Marge verbessern. Das heisst, sofern es die angebotene Wohnung tatsächlich gibt. Denn auch das gibt es auf Airbnb zuhauf: Abzocker, die mit ­falschen Angeboten arbeiten. Es gibt sogar ganze gefälschte ­Airbnb-Seiten – so gut gemacht, dass selbst Reiseprofis darauf hereinfallen.

Airbnb sollte man aber auch noch aus einem anderen Grund meiden: Es zerstört Städte. In Amsterdam etwa wurden ganze Strassenzüge zu Airbnb-Unterkünften umfunktioniert. Einheimische, die dort noch lebten, berichteten davon, wie der soziale Zusammenhalt im Quartier verloren ging und wie ­Lebensmittelläden durch Fahrradvermietungen für Touristen ersetzt wurden. Zudem verteuerten die Airbnb den Wohnungsmarkt für Leute, die in Amsterdam nicht nur Ferien machen, sondern auch dort arbeiten und wohnen möchten.

Dann doch lieber in ein etabliertes Hotel – auch wenn dies etwas unpersönlicher sein mag als ein Air­bnb-Apartment.

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