Krampf um Kampfjets

Anna Kappeler | 
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Symbolbild

Schon in einem halben Jahr hätten die neuen Gripen-Kampfjets über den Schweizer Himmel donnern sollen. Eigentlich.

Schon in einem halben Jahr hätten die neuen Gripen-Kampfjets über den Schweizer Himmel donnern sollen. Eigentlich. Doch im Mai 2014 lehnte das Stimmvolk den Kauf dieser schwedischen Flugzeuge bekanntlich mit 53,4 Prozent der Stimmen ab. 22 Kampfjets für 3,1 Milliarden Franken hätten gekauft werden sollen.

Jetzt könnten bis zu 70 neue Kampfflugzeuge für bis zu 18 Milliarden beschafft werden. Was ist passiert? Hat sich die Bedrohungslage in der Schweiz in den letzten drei Jahren grundlegend verändert, oder ist hierzulande der Wohlstand ausgebrochen? Weder noch. Am Dienstag haben zwei von Bundesrat Guy Parmelin ins Leben gerufene Gremien ihre Überlegungen zum Kauf eines neuen Jets präsentiert. Dabei handelt es sich um eine Experten- und um eine Begleitgruppe mit Vertretern aus Verteidigungsdepartement (VBS), Armee, Wirtschaft und Politik. Für sie ist klar, dass die Schweiz neue Kampfjets braucht. Heute verfügt die Schweiz über total 56 F/A-18 und Tiger, die bis 2030 ausgemustert sein sollen. Doch wie viele neue Jets braucht es?

Experten wollen Kampfjets ohne Abstimmung beschaffen

Präsentiert wurden vier Optionen: Option 1 will 55 bis 70 neue Kampfjets plus eine umfassende Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung für 15 bis 18 Milliarden. Bei Option 2 würden 40 Flieger für 9 Milliarden angeschafft, die bodengestützte Luftverteidigung könnte dabei aber lediglich die Fläche des Schweizer Mittellandes abdecken. Option 3 sieht 30 neue Jets und eine erhebliche Leistungssteigerung der Boden-Luft-Abwehr für 8 bis 8,5 Milliarden vor. Option 4 schliesslich beinhaltet 20 neue Jets und die Erneuerung der Mittel der bodengestützten Luftverteidigung für 5 Milliarden. Gleichzeitig würde bei dieser Minimalvariante die F/A-18-Flotte weiterbetrieben.

Entschieden sei noch nichts, betonten die Experten vor den Medien. Voraussichtlich nach den Sommerferien wird VBS-Chef Parmelin das Geschäft in den Bundesrat bringen. 2022 soll die Typenwahl getroffen sein, und 2030 sollen die ersten neuen Jets operabel sein. Die Emotionen gehen gleichwohl schon jetzt hoch: Denn eine Mehrheit der Experten will die neuen Kampfjets ohne Volksabstimmung beschaffen. Funktionieren soll das mit einem – man kann es kaum anders nennen – Bubentrick: Statt wie beim Gripen über einen Fonds sollen die Flieger dieses Mal über das ordentliche Armeebudget finanziert werden. Somit fiele das Referendum weg.

Die Reaktionen der Parteien erinnern an eine verkehrte Welt. SVP-Politiker, sonst allgemein und insbesondere bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) dafür bekannt, den Willen des Volkes hochzuhalten, wollen nun plötzlich nichts mehr wissen von einem Urnengang. Die Kampfjetfrage sei militärisch-technischer, nicht politischer Natur – da müssten die Experten entscheiden. Es gehe hier lediglich um eine Frage der Materialbeschaffung. Haben sie Angst vor einem erneuten Volksnein zu neuen Jets? Doch auch die Linken agieren ungewohnt. Obwohl sie gerade bei der MEI-Umsetzung den Willen des Volkes nicht über alles stellten, werden sie nun zum Teil zu wackeren Demokratieverteidigern. Oder wittern sie einfach eine Chance auf einen weiteren Versuch der Armeeabschaffung? Denn um nichts anderes geht es jetzt: Im Gegensatz zur Gripen-Abstimmung muss nun entschieden werden, ob die Schweiz künftig überhaupt noch Kampfjets haben wird oder nicht. Schliesslich ist eine Armee ohne Luftwaffe keine Armee.

Mit aktuellem Armeebudget sind die Investitionen nicht zu stemmen

Davon unabhängig drängt sich eine weitere Frage auf: Woher soll die Armee das Geld für die neuen Jets nehmen? Stand heute belaufen sich die Beschaffungskosten auf 5 bis 18 Milliarden, wobei sich eine Expertenmehrheit für Option 3 und also Ausgaben von 8 bis 8,5 Milliarden ausgesprochen hat. Demnächst stehen zudem Erweiterungen bei Teilen der Artillerie, der Führungsinfrastruktur und der Panzersysteme an. Mit dem aktuellen Armee­budget von 5 Milliarden jährlich ist das nicht zu stemmen – dieses zu erhöhen, ist bei unveränderter Bedrohungslage jedoch zu Recht kaum mehrheitsfähig.

Nüchtern betrachtet, bleibt festzuhalten: Bei der sehr teuren und hochkomplexen Beschaffung neuer Kampfjets wäre beim Volk viel Vertrauen gewonnen, wenn die Politik früh signalisieren würde, dass diese Frage an die Urne kommt. Alles andere ist nach dem Gripen-Nein demokratiepolitisch gesehen fragwürdig.

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