Es braucht mehr Anreize für Erwerbsarbeit im Rentenalter

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Taxichauffeur im Rentenalter aufgenommen am Bahnhof Luzern am 8.Juni 2018.
Arbeitnehmende wünschen sich immer häufiger, über die Pensionierung hinaus zu arbeiten. Bild: Key

Immer mehr Menschen arbeiten freiwillig länger. Neben der Möglichkeit der Frühpensionierung müssen Unternehmen künftig auch Konzepte zur «Spätpensionierung» in ihre Personalpolitik integrieren. Dies erfordert nicht nur unternehmerische, sondern auch politische Initiativen.

von Alexander Widmer*

Seit einigen Jahren beobachten wir das zunehmende Bedürfnis von Arbeitnehmenden, länger im Arbeitsleben verbleiben zu wollen. Lange Zeit hatten ältere Arbeitnehmende bei den Arbeitgebenden ein schlechtes Image: Sie galten als unflexibel, zu wenig technikaffin und nicht mehr belastbar – zudem waren hohe Lohnnebenkosten für sie fällig. Diese Haltung ändert sich nun allmählich, da sich mit der Pensionierung der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge der Arbeitskräftemangel verschärft. 2029 wird mit rund 125’000 Pensionierungen der Höhepunkt erreicht sein. Dieser Trend wird jedoch bis 2040 anhalten.

Finanzielle Sorgen und der Wunsch nach Weiterbeschäftigung

Nach wie vor gehören finanzielle Überlegungen zu den Gründen, länger zu arbeiten. Gleichzeitig möchten und können immer mehr Menschen über das Pensionsalter hinaus arbeiten oder sich ehrenamtlich engagieren. Eine Auswertung des Bundesamts für Statistik zeigt, dass die Erwerbstätigkeit – vor allem in kleinen Pensen – über das ordentliche Rentenalter hinaus zugenommen hat. Doch dafür müssen viele Faktoren zusammenpassen. Eine gute gesundheitliche Situation und ein angenehmes Arbeitsklima sind zentrale Voraussetzungen für den Wunsch nach einer Fortsetzung der Erwerbstätigkeit über das Pensionsalter hinaus.

Politischer Handlungsbedarf

Die Politik hat es bisher aber versäumt, substanzielle Anreize für einen Verbleib im Arbeitsleben zu schaffen. Zwar ermöglicht die Reform AHV21 eine Flexibilisierung in der Form einer Teilpensionierung und Beiträge nach dem Referenzalter können Lücken schliessen sowie die Rente verbessern. Der tiefe Freibetrag und die nur geringfügigen Möglichkeiten, mit einer späteren Pensionierung die Rente aufzubessern, sowie weitere sozialversicherungsrechtliche Hürden machen ein Weiterarbeiten jedoch nur eingeschränkt attraktiv.

Die sogenannte Bogenkarriere bietet eine moderne, zeitgemässe Alternative.

Alexander Widmer, Leiter Innovation & Politik bei Pro Senectute

Auch müssen die Invalidenversicherung und Krankentaggeldversicherungen umdenken oder – falls dies nicht geschieht – stärker in die Pflicht genommen werden. Denn sowohl Umschulungen für ältere Arbeitnehmende ab 55 als auch die Absicherung von Menschen über 70 bei Krankheit werden erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht.

Unternehmen haben es in der Hand

Eine Umfrage aus dem Jahr 2021 zeigt auf, dass nicht einmal jedes zehnte Unternehmen eine Erwerbstätigkeit im Rentenalter aktiv fördert. Eine Rückbesinnung auf die Werte und die Kompetenzen der älteren, oft langjährigen Mitarbeitenden ist essenziell. Sie tun gut daran, ältere Mitarbeitende mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihren Fertigkeiten in ihren Reihen zu halten. Unternehmen, die auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen das Bild der älteren Arbeitnehmenden und die klassische Vorstellung einer Karriere überdenken.

Die sogenannte Bogenkarriere bietet eine moderne, zeitgemässe Alternative. Sie ermöglicht es älteren Mitarbeitenden, ihren Beschäftigungsgrad zu reduzieren und teilweise Führungsverantwortung abzugeben, während sie ihre berufliche Tätigkeit, im besten Fall über das Referenzalter hinaus, fortsetzen. Dazu gehört aber auch, älteren Arbeitnehmenden Standortbestimmungen anzubieten und Weiterbildungen im Sinne des lebenslangen Lernens zu ermöglichen.

Denn: Alle, die weiterarbeiten möchten, sollen dies gesund und selbstbestimmt tun können. Wer dies jedoch nicht möchte, darf nicht benachteiligt werden.

*Alexander Widmer ist Leiter Innovation & Politik bei Pro Senectute Schweiz

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