Warum immer mehr Köche die Schürze schmeissen – und wie sich noch gute «Chefs» finden lassen

Louise Østergaard | 
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In der Sommerlust wird das Gourmetfestival 2025 erᅢᄊffnet, gute Stimmung bei den Gᅢᄂsten schon zum Apero,  in der Kᅢᄐche bereitet Koch Dan Rodriguez - Zaugg das Menu vor, am Montag, 14. April 2025. (Melanie Duchene / Schaffha
In der Küche geht es oft heiss zu und her. Diesem Druck können oder wollen nicht alle langfristig standhalten. Bild: Melanie Duchene

Viel Arbeit, wenig Dank: Immer mehr Köchinnen und Köche verlassen die Branche. Ein ehemaliger Koch erzählt, was ihn zum Aufhören brachte. Und eine Branchenexpertin erklärt, was heute zählt, um Personal zu gewinnen.

In Schweizer Restaurants fehlt das Personal. Besonders Köchinnen und Köche sind in der Branche Mangelware. Laut einer aktuellen Umfrage von GastroSuisse kann über die Hälfte der Betriebe nicht genügend Mitarbeitende rekrutieren. Trotz grosser Nachfrage nach kulinarischem Genuss scheitern viele Gastgeber an einem simplen, aber schwerwiegenden Problem: Es findet sich niemand mehr, der kochen will – oder kann. Woran liegt das?

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Andreas Alder, gebürtiger Feuerthaler und selbst einmal Koch, sagt: «Ich kenne fast keinen einzigen ausgebildeten Koch , der noch auf seinem Beruf arbeitet.» Er hat sich zum Lebensmitteltechnologen weitergebildet und arbeitete noch bis vor Kurzem beim Schokoladenhersteller Oro de Cacao. Die Leidenschaft für Lebensmittel ist geblieben, der Wunsch, beruflich in der Küche zu stehen, jedoch nicht.

Stress und Belastung in der Küche

«Als Jugendlicher reizte mich die Action in der Restaurantküche», sagt Alder. Kochen sei etwas Kreatives und essen müssten schliesslich alle. «Mit der Ausbildung zum Koch eröffnete sich mir die faszinierende Welt der Kulinarik.» In einem Gastrobetrieb zu arbeiten bedeute aber auch, dann zu arbeiten, wenn andere frei haben: «Oft dauern die Arbeitstage zehn bis zwölf Stunden und in manchen Küchen herrscht enormer Stress», sagt er. Der ehemalige Koch spricht aus eigener Erfahrung, trifft aber den Kern eines strukturellen Problems. Laut verschiedener Umfragen gelten die Arbeitsbedingungen der Köchinnen und Köche als besonders belastend und es fehlt an Wertschätzung. Gleichzeitig sind die Löhne vergleichsweise tief, was viele Fachkräfte in besser bezahlte Branchen abwandern lässt.

Andreas Alder
«Irgendwann kam der Zeitpunkt, mir über meine Zukunft Gedanken zu machen: Ich sah mich nicht als Restaurantbesitzer, wollte auch nicht bis zur Pensionierung in der Küche stehen.»
Andreas Alder, Betriebsplaner IE Group

Als junger Mann machte es Alder Spass, in der Küche zu arbeiten: «Auf harte Arbeit folgte dann oft ein lustiger Ausgang mit dem Team, besonders, als ich noch Saisonarbeit in den Bergen machte.» Irgendwann kam aber der Zeitpunkt, sich über die Zukunft Gedanken zu machen: Er sah sich nicht als Restaurantbesitzer, wollte auch nicht bis zur Pensionierung in der Küche stehen. «Der zweite Bildungsweg ergab für mich mehr Sinn.» Heute arbeitet er als Betriebsplaner, zwar noch immer in der Lebensmittelbranche, jedoch weit entfernt von einem Restaurantherd.

Solide Ausbildung – schlechtes Image?

Die Ausbildung zum Koch hat Alder aber nie bereut. Es sei eine solide Grundausbildung, die eine gute Basis liefert, um sich weiterzubilden. «Und die Arbeit in einer Restaurantküche ist eine echte Lebensschule!», betont er. Trotzdem hat der Beruf bei jungen Menschen ein schlechtes Image, denn die Zahl der Auszubildenden sinkt deutlich. Gemäss dem Bundesamt für Statistik ist die Zahl der Koch-Lernenden in der Schweiz seit 2016 von über 4000 auf heute rund 1000 stark zurückgegangen. Auch demografische Veränderungen und der Rückzug vieler ausländischer Arbeitskräfte verschärfen die Situation zusätzlich.

Und was hätte Alder in der Küche gehalten? «Eine bessere Work-Life-Balance, vielleicht. Und genügend Leute im Team, damit weniger Druck auf dem Einzelnen lastet. Dafür müssten aber mehr Löhne bezahlt werden, was in vielen Betrieben kaum machbar ist.»

Neue Wege: Flexibilität, Ausbildung, Sichtbarkeit

Sandra Tappolet vom Vorstand des Gastroverbands Schaffhausen und Präsidentin der Hotel- und Gastroformation (HGF) ist Geschäftsinhaberin des Siblinger Randenhauses. Sie kennt die Herausforderungen aus erster Hand: «Auch im Raum Schaffhausen herrscht ein Rekrutierungsproblem.» Gleichzeitig nehme bei vielen Arbeitnehmenden der Wunsch nach einer festen Anstellung über Jahrzehnte hinweg ab. Betriebe müssten sich deshalb vermehrt über ihre Werte, Teamkultur und flexible Arbeitsmodelle positionieren, sagt sie.

Tappolet
«Auch in den Restaurants im Raum Schaffhausen herrscht ein Rekrutierungsproblem. Betriebe müssten sich deshalb vermehrt über ihre Werte, Teamkultur und flexible Arbeitsmodelle positionieren.»
Sandra Tappolet, Präsidentin der Hotel- und Gastroformation (HGF) und Geschäftsinhaberin des Siblinger Randenhauses

Einige Gasthäuser reagieren bereits: Sie bieten mehr Mitsprache, gestalten die Arbeitszeiten familienfreundlicher und setzen verstärkt auf eigene Ausbildung. Auch im Siblinger Randenhaus wird diese Strategie gelebt: «Wir bilden aktuell fünf Lernende aus. Das garantiert gut qualifizierte Fachkräfte und sichert uns langfristig das nötige Personal.»

Persönliche und soziale Netzwerke statt Stellenanzeigen

Tappolet weiss jedoch, dass nicht alle Betriebe über die gleichen Ressourcen verfügen. Umso wichtiger sei es, neue Wege bei der Personalsuche zu gehen. «Stellenanzeigen finden eher bei älteren Zielgruppen Beachtung, wer Junge ansprechen will, erreicht sie eher über die sozialen Netzwerke.» Entsprechend spiele Sichtbarkeit eine zentrale Rolle: «Durch Plattformen wie Instagram erhält der Kochberuf wieder mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung. Köchinnen und Köche zeigen ihren Betrieb, kochen Rezepte vor und steigern dadurch das Interesse am Beruf.»

Zudem funktioniere in der Region vieles über persönliche Beziehungen. Die Gastrobranche in Schaffhausen sei gut vernetzt: «Man kennt sich – viele Stellen werden über Empfehlungen und direkte Kontakte besetzt.»

Tipps von der Expertin: So finden Restaurants trotz Fachkräftemangel Küchenpersonal

  1. Nachwuchs selbst ausbilden
    Durch Kooperation mit Berufsschulen oder eigene Lehrstellen können junge Talente früh gebunden und gezielt ausgebildet werden.
  2. Arbeitgeberprofil schärfen
    Ein klares Profil mit Vorteilen wie Teamkultur, Weiterbildungen oder flexiblen Arbeitszeiten hilft, sich positiv abzuheben – etwa durch Sichtbarmachung auf Social Media.
  3. Regionale Netzwerke nutzen
    Plattformen wie die Wirtschaftsförderung, Fachmessen oder Gastro-Jobgruppen bringen Betriebe mit potenziellen Kandidaten in Kontakt.
  4. Rahmenbedingungen verbessern
    Höhere Löhne, Verpflegung, Mobilitätszuschüsse oder innovative Arbeitszeitmodelle steigern die Attraktivität der Stelle.
  5. International rekrutieren
    Auf Plattformen kann gezielt im Ausland gesucht werden – die hohe Lebensqualität der Region ist dabei ein starkes Argument. Die Chancen erhöhen sich, wenn der Betrieb Arbeitnehmenden eine Unterkunft anbieten kann.

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