Netto-Null: Der Druck steigt
Die hoch gesteckten, politischen Klimaziele bereiten manchem Unternehmer schlaflose Nächte. Die Treibhausgasemissionen müssen runter – doch das kostet Geld und viel Arbeit. Ein globales Unternehmen mit Sitz in Neuhausen am Rheinfall verspricht Lösungen. Der Ansatzpunkt: Intelligente Gebäude. Wir gehen der Sache in einem Gespräch mit Svenja Schulz auf den Grund. Sie leitet den zuletzt erheblich gewachsenen Standort Neuhausen der Firma Johnson Controls.
Wie hat es Sie als Norddeutsche nach Neuhausen verschlagen?
Svenja Schulz: Eine berufliche Weltreise: Während meiner Zeit in Südafrika nahm ich einen Job bei Tyco an, einer Firma, die 2016 mit Johnson Controls zusammengeführt wurde. Von Südafrika aus wurde ich in die USA versetzt, später nach Asien, Australien und wieder in die USA. Und von da aus in die Schweiz nach Neuhausen, einem Standort, den Johnson Controls schon lange betreibt.
Ein Kulturschock?
Schulz: Nein. Ich war schon während meiner Zeit bei Tyco mehrmals in Neuhausen gewesen. Bereits damals fanden hier viele wichtige Meetings statt und so kam es, dass ich als weltweite Marketingverantwortliche und Leiterin des Standorts in die Schweiz wechselte. Dies ergab Sinn, da bereits zu Tyco-Zeiten alle unsere wichtigen Unternehmensmarken hier registriert waren.
Und wie läuft es in Neuhausen?
Schulz: Sehr gut. Der Standort entwickelte sich derart positiv, dass in den vergangenen Jahren einige weitere Bereiche hier angesiedelt wurden. So ist mittlerweile ein Teil des Führungsteams der EMEALA-Märkte (Europa, Mittlerer Osten, Afrika und Lateinamerika) hier beheimatet, die Abteilungen Finanzen, Personal, Services und strategische Planung, aber auch internationale Kompetenzzentren mit Teams aus verschiedenen Fachrichtungen im Bereich Marketing, IT, Digital und Engineering. Wir beschäftigen am Standort Neuhausen mittlerweile rund 90 Mitarbeitende aus 23 Ländern.
Das Erreichen der Klimaziele steht weit oben auf der weltweiten Themenagenda. Sie versprechen, dass mit Ihrer digitalen Plattform «OpenBlue» die Gebäudeleistung gesteigert, die Kosten gesenkt und gleichzeitig die Netto-Null Ziele erreicht werden können. Das hört sich fast zu schön an, um wahr zu sein …
Schulz: Ja, es gibt diese Lösung und es gibt sie heute. Johnson Controls ist der grösste Anbieter mit dem breitesten Portfolio im Gebiet der Gebäudetechnik und vor allem stark im Bereich «Intelligente Gebäude». Nicht umsonst waren unser CEO und unser CSO gerade in Davos am WEF und davor am COP28 in Dubai, und leiteten die Diskussionsforen im Bereich Gebäudetechnik zum Thema «Wie erreiche ich Netto-Null?» Es herrscht viel Unsicherheit, viele Unternehmen wissen nicht, wie sie die vorgegebenen Emissionsziele erreichen sollen. Dazu können wir viel beitragen. Es fehlt allgemein das Wissen, welche Optionen und Lösungen heute zur Verfügung stehen und wie Unternehmen ihre «Netto-Null Reise» beschleunigen können.
Wie gross ist der Einfluss der Gebäudetechnik auf das Netto-Null Ziel?
Schulz: Laut dem World Green Building Council sind Gebäude für 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses und nach Angaben des «International Energy Agency» für 30 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Um Netto-Null-Ziele erreichen zu können, ist die Reduktion von Emissionen im Bereich von Gebäuden also matchentscheidend und einer der schnellsten Wege, Netto-Null zu erreichen.
Laut einer vor kurzem publizierten, ersten weltweiten Studie dieser Art von Johnson Controls und dem Forschungs- und Beratungsunternehmen Forrester nehmen intelligente Gebäude bei den Nachhaltigkeitsbemühungen einen wichtigen Stellenwert ein. Was ist für Sie ein intelligentes Gebäude?
Schulz: Intelligente Gebäude werden sich mit dem technologischen Fortschritt und den gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickeln. Das intelligente Gebäude der Zukunft ist nicht nur integriert und vernetzt, sondern verfügt auch über immer mehr Fähigkeiten, die es ermöglichen, dass sich das Gebäude an die Menschen und Unternehmensziele anpasst. Dazu sammelt es grosse Datenmengen von innerhalb und ausserhalb des Gebäudes und nutzt Künstliche Intelligenz, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Von Energieeffizienz über Kostensenkungen, hin zu Gesundheitsaspekten von Angestellten und mehr.
Die Digitalisierung eines Gebäudes ist also entscheidend?
Schulz: Genau. Nur mit Hilfe der Digitalisierung ist es überhaupt möglich, die Netto-Null Ziele zu erreichen. Mit unserer digitalen Plattform können wir heute in Echtzeit messen, wo wie viel CO2-Emissionen anfallen. Das ist die Grundlage, um umfangreich sowohl CO2 als auch den Energieverbrauch zu reduzieren und die Systemleistung zu optimieren.
Wie unterstützen Sie Unternehmen und Organisationen bei der Errichtung solcher Gebäude?
Schulz: Für uns ist es sehr wichtig, Unternehmen in einem schrittweisen Prozess zu helfen, ihre Ziele umzusetzen und Einsparungen zu erreichen. Zuerst agieren wir als Berater und legen zusammen mit dem Kunden die Ziele fest. Dann fungieren wir als Partner beim gesamten Umsetzungsprozess – vom Design bis hin zur Entwicklung, Installation und Service.
Und danach wird digitalisiert?
Schulz: Die Digitalisierung ist derjenige Schritt, bei dem alle Systeme miteinander in Kontakt treten und Daten austauschen. Ist dieser Schritt erreicht, werden die Daten auf einer Plattform zusammengeführt. Nun können Analysen vorgenommen und Optimierungen geplant werden. Dann kommen unsere Ingenieure und Techniker zum Zug, die die eruierten Optimierungen technisch im Gebäude umsetzen. Wir benutzen dazu unsere eigenen, selbst hergestellten Produkte und eigenen Klima-, Brand-, Sicherheits-, Gebäudeautomations- und Digitalisierungssysteme. Unser Fachpersonal steht dabei in engem Austausch mit den Behörden und kennt die landesspezifischen Gesetzesbestimmungen und Subventionsmöglichkeiten. Nach der Installation stellen wir auch den Service und die Instandhaltung sicher.
Wie erreicht man dann Netto Null?
Schulz: Um Energie zu sparen und Emissionen zu reduzieren, verwenden wir branchenführende digitale Lösungen, Gebäudeautomation und hocheffiziente Heiz- und Kühlsysteme. Hinzu kommt der konsequente Einsatz von erneuerbaren Energien. So erreichen wir Schritt für Schritt das Ziel, wobei wir alle Arbeiten, von Anfang bis zum Schluss übernehmen können.
Als Hindernis, gerade für kleinere Unternehmen, werden die Kosten für ein solches System angesehen. Wie gross ist der Kostenfaktor im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden?
Schulz: Das Hauptproblem vieler Firmen ist tatsächlich, wie sie das Netto-Null-Ziel bis 2030 mit beschränktem Kapitaleinsatz erreichen können. So verzeichnen wir momentan eine sehr grosse Nachfrage nach unserem Angebot – wir spüren, der Druck steigt. Die Investitionen zahlen sich dabei ja auch aus, denn durch einen deutlich geringeren Energieverbrauch können Kosten gespart und beispielsweise in andere Modernisierungen investiert werden. Ferner gibt es attraktive Lösungen, die Unternehmen finanziell unterstützen wie zum Beispiel unser «As a Service»-Angebot – ein abonnementbasiertes Geschäftsmodell, bei dem die Kunden eine monatliche Gebühr für die gewünschten Ergebnisse zahlen, ohne dass Kapitalinvestitionen erforderlich sind.
Das heisst, man kommt an der grossen Investition vorbei?
Schulz: Wir betreuen grosse und kleine Unternehmen und haben flexible Modelle. Firmen können mit uns einen Dienstleistungsvertrag abschliessen mit flexiblen monatlichen Raten. Auf diese Weise kann sofort gestartet werden – ohne grosse Investitionen vorab. Im Übrigen möchten wir dazu ermutigen, nicht einfach einmal irgendwo anzufangen, sondern das Problem ganzheitlich anzugehen. Damit können Kosten gespart und Ziele schneller erreicht werden.